D-Q3415: Difference between revisions

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Ew. Wohlgeb fordern mich auf Ihnen geradezu die Ursache zu eröfnen, die meinen alte
wahrlich unbegrenzte Hochachtung u. Liebe f. Sie so plözl. verändert, und fast entgegen
kommender zu traulichkeit, Zurükhalung u. Kälte gegen Sie bey mir veranlast haben.
Ihnen u. mir selbst bin ich es schuldig, dieser Aufforderung nicht auszuweichen. Sie sollen
in mein ganzes Herz blikken, u. wenn ich Ihnen Unrecht that, <u>weil ich Sie ver-
kannte</u>, so schäme ich mich jezt schon des Augenbliks, wo ich Ihnen meine Übereilung
freymüthig gestehe. Sie um Verzeihung bitten, u. diese Verzeihung dann auch
vor Ihnen, weil Sie guter u. ädler Mann sind, gewis erhalten werden.
  Ich empfing Sie, wie Sie Sichs wohl erinnern werden, mit grosser inniger
Freude, u. allen Zeichen der herzlichsten Zutraulichkeit. Ich fand nicht, daß
Sie mir diese erwiderten. Ihr ganzes Betragen gegen mich blieb vielmehr
in der grösten, der <u>entfernten Höflichkeit</u>, die ich freylich von einem Mann
dem ich so herzlich gelegen war, so nie erwartet hätte, die mir weh that,
aber die ich doch am Ende Ihnen nicht übel nahm, weil ich mirs selbst sagte,
daß Temperament, Gewohnheit, vielleicht auch oft getäuschte Erwar-
tung





Revision as of 09:50, 2 September 2019

Commentary

Transcript

Ew. Wohlgeb fordern mich auf Ihnen geradezu die Ursache zu eröfnen, die meinen alte
wahrlich unbegrenzte Hochachtung u. Liebe f. Sie so plözl. verändert, und fast entgegen
kommender zu traulichkeit, Zurükhalung u. Kälte gegen Sie bey mir veranlast haben.
Ihnen u. mir selbst bin ich es schuldig, dieser Aufforderung nicht auszuweichen. Sie sollen
in mein ganzes Herz blikken, u. wenn ich Ihnen Unrecht that, weil ich Sie ver-
kannte
, so schäme ich mich jezt schon des Augenbliks, wo ich Ihnen meine Übereilung
freymüthig gestehe. Sie um Verzeihung bitten, u. diese Verzeihung dann auch
vor Ihnen, weil Sie guter u. ädler Mann sind, gewis erhalten werden.
  Ich empfing Sie, wie Sie Sichs wohl erinnern werden, mit grosser inniger
Freude, u. allen Zeichen der herzlichsten Zutraulichkeit. Ich fand nicht, daß
Sie mir diese erwiderten. Ihr ganzes Betragen gegen mich blieb vielmehr
in der grösten, der entfernten Höflichkeit, die ich freylich von einem Mann
dem ich so herzlich gelegen war, so nie erwartet hätte, die mir weh that,
aber die ich doch am Ende Ihnen nicht übel nahm, weil ich mirs selbst sagte,
daß Temperament, Gewohnheit, vielleicht auch oft getäuschte Erwar-
tung

Notes