D-Q6456

From FactGrid
Revision as of 10:43, 1 October 2019 by Julia Mös (talk | contribs) (Created page with "* '''Metadata:''' Basilius [Johann Joachim Christoph Bode], Reproche for Johann Ernst Christian Haun, Weimar, 1786-02-01 (Q6456) * '''Transcript and Commentary:''' Christian Wirkner == Commentary == == Transcript == <poem> M. L. Br[uder] Da...")
(diff) ← Older revision | Latest revision (diff) | Newer revision → (diff)
Jump to navigation Jump to search

Commentary

Transcript

M. L. Br[uder]

Daß Obere des O[rden]s weder alwissend
sind, noch sich einer Inspiration rühmen,
habe ich schon deutlich und offenherzig
gesagt. Daß solche aber zuweilen ziemlich
wichtige moralische Berechnungen auf
die Zukunft machen, das werden Sie (wo-
fern es noch nicht geschehen, doch) nächstens
mit Vergnügen erfahren. Ich wünsche
Ihnen, m[ein] th[eurer] Br[uder] zu dieser Erfahrung
von Herzen Glück, und bin überzeugt,
Sie werden Ihren treuen Fleiß in Ihrem
Amte, und ihre Liebe gegen Ihre
bürgerliche Obern und Vorgesetzten gewiß
weder vermindern noch erkalten lassen.|<2>

Sie haben Recht, daß viele Menschen durch Mangel
an Aufmerksamkeit auf die häufigen Schönheiten
der Natur, manche sehr reine Freude ent-
behren. Wie denn Gott dafür ein leichtes
bewegliches Gefühl gegeben hatte, wollen
Ihm auch für diesen Freundenquell
danken, und unsern Genuß dadurch zu
verdoppeln suchen, daß wir andre auch
darauf aufmerksam machen. Zu diesem
Endzwecke möchte ich Sie ersuchen: in
der herannahenden Frühlingszeit in
ihren M[inerva]l-Versammlungen das schöne mahlerische
Gedicht Die Schöpfung vorzulesen. Es ist
von Cramer, und steht im iv Bande der neuen Beyträge zum Vergnügen des
Verstandes und Witzes.
pag. 491.[1] Da
es für eine Versammlung zu lang seyn möchte:
so können Sie es gerne in zwey Theile theilen.

Ihre bemerkung, daß Schaamhaftigkeit
eine sehr reitzende Eigenschaft, und die beste Vor-
mauer der guten Sitten besonders beym weiblichen
Geschlechte sey, ist höchst wahr. Auch kann
die angeführte Antwort des Kindes wirklich
aus diesem feinem Gefühle entsprungen seyn.
Aber könnte nicht ein Kind, das eine grosse Liebe
zum ## hätte, und nicht gerne ungeputzt
vor Fremden erscheine, eben dasselbe sagen?
Welches von beyden zum Grunde lag, läßt
sich nicht aus der Antwort, sondern nur
aus den übrigen Umständen und aus der
Anlage des Charakters des Mädchens entscheiden.

Wie stehts um die weitere Ausarbeitung
unsers Vorwurfs? Halten Sie ihn für durch-
gedacht genug, um ihn an die Behörde zu bringen?
Ich muß noch mehr um Beharrlichkeit bey
Einer Sache bitten; so, wie um die
Fortsetzung Ihres brüderlichen Vertrauens,

B.

Notes

  1. Johann Andreas Cramer, „Schöpfung“, Neue Beyträge zum Vergnügen des Verstandes und Witzes, Band 4 (hier 2. Auflage 1750) Digitalisat