D-Q6590

From FactGrid
Jump to navigation Jump to search
The printable version is no longer supported and may have rendering errors. Please update your browser bookmarks and please use the default browser print function instead.

Commentary

Der Aufsatz birgt in der Handschrift von Schenk [?] eine Buchprojektskizze, die im großen Format eingeleitet ist: Um die Aufklärung voranzubringen, plant Ewald, ein „Büchelchen“ zu publizieren, das eine flächendeckende Wirkung erreichen soll. Fragt sich, wie die Flächendeckung erreicht werden soll. Der Handel, das Kundeninteresse scheidet interessanterweise ebenso aus, wie der Weg über die breite Öffentlichkeit. Das Buch muss geheim geplant werden, da es sich sonst im Vorhinein dem „praejudicium auctoritates“ stellen muss. Die Vorpublikation in der Geheimgesellschaft bietet sich von daher an. Sie bietet sich umso mehr an, als an Gotha als erstem Distributionsort gedacht ist. Die Schullehrer sollen sich dieses Buches in allem Unterricht bedienen, und dabei ist klar, dass die eingesessenen Schullehrer, da sie allem Neuen ablehnend gegenüberstehen, ausscheiden. Junge Seminaristen, die in den Städten Winkelschulen betreiben werden, sollen über den Superintendenten, Koppe wird hier offen genannt und gepriesen, mit dem neuen Buch versorgt werden, und dieses nach und nach durchsetzen. Geheimnis bedeutet nicht unbedingt Untergrund, es kann genauso gut für den geheimen Plan der Obrigkeit stehen, die neue Doktrin durchzusetzen.

Das Buch selbst ist extrem konventionell und klassizistisch konzipiert. Es beginnt mit Gott, ohne dass hier die offiziellen Repräsentanten der Religion an Bord geholt werden. Eine universelle christlich deistische Variante scheint angedacht, wird aber in der Skizze nur im Ansatz expliziert.

Von Gott geht es zum Menschen, der mit Körper, Geist und Seele in drei Ebenen erläutert wird und an Gottes Plan in Zweckrationalismus angebunden wird. Vom Menschen geht es endlich zum Gemeinwesen. Die juristische Ausbildung des Verfassers schlägt sich nun nieder. Es gibt den Menschen im Naturzustand und aus diesem wird die Gesellschaft entfaltet. Der Naturzustand scheint dabei – hier fehlen die Detailangebote – herb, wäre interessant zu wissen, wie viel Hobbes und Pufendorf hier liegen, ich sah kein Anzeichen für Iselins neue „psychologische“ Definition (als empfindendes Wesen, das mit der Empfindung in die Lage kommt, über Änderungen seines Ist-Zustands laufend nachzudenken, und das dabei von einer Problemlage in die nächste wechselt. Die gesellschaftliche Ordnung wird als Antwort auf den menschlichen Naturzustand geliefert. Pflichten erwachsen aus dem Naturzustand. Die Form der Regierung, die diesen Pflichten Rechnung trägt will erst einmal gleichgültig sein – jede Staatsform sei gleichberechtigt, so die rechtspositivistische Zwischensumme, jenseits der ein Interesse an der Sicherheit oberste Priorität erlangt. Maximale Sicherheit gewähre die Monarchie.

Im letzten Schritt wird von der Monarchie herab gegliedert und die Ständeordnung legitimiert. Das Büchlein solle jedem Stand klarmachen, warum er benötigt sei. Es muss dabei insbesondere dem Nährstand klarmachen, warum er den Rest der Stände ernähren soll, und warum die höheren Stände dabei besser leben müssen als er selbst.

John A. McCarthy wies nach,[1] dass Ewalds Planung des „Büchelchens“ am Ende in seinem Buch Über das menschliche Herz: ein Beytrag zur Charakteristik der Menhheit (Erfurt: Adam Keyser, 1789) aufging Google Books. Der Aufsatz ist spannend in der Explizität der politischen Revolution, die hier geplant ist – es ist eine Revolution von oben, die die alte Ordnung stärkt und die Aufklärung nutzt, um der Bevölkerung klarzumachen, warum die bestehende Ordnung weiter ausgebaut werden muss.

Zu den wiederkehrenden Motiven gehört neben der Not der Geheimhaltung auch die Aufgabe, eine „blos mechanische“ Aufklärung zu verhindern, die dann zustande kommt, wenn Grundsätze der Aufklärung ohne wirkliche Annahme repetiert und verbreitet werden. --Olaf Simons (talk) 16 March 2016 (CEST)

Transcript

[Vorgeschaltete Schmuckseite]

Nr I

Ueber Aufklärung

Cassidor|<2>

Es ist sehr ermunternd für meinen Geist und erquikkend für mein Herz
gewesen, daß die erleuchteten Obern einen meiner Q[uibus] L[icet] worin ich
einige Gedanken von der nothwendigen bessren moralischen Bildung des
gemeinen Wesens äusserte, ein Gegenstand, an welchem mein ganzes
Herz hängt, und um welchen sich seit einiger Zeit alle meine Gedan-
ken drehen, Ihre Aufmerksamkeit geschenkt haben. Schon damals, als ich jenes
Q[uibus] L[icet] einreichte, hatte ich über einen Plan zu meinem Büchelchen[2] nachgedacht
das das Nothwendigste und Unentbehrlichste zur Aufklärung des gemeinen
Mannes über seine wichtigsten Verhältnisse und Angelegenheiten enthalten
und sowohl zum Lesen, als zum Unterricht brauchbar seyn sollte. Meine
Absicht war, diesen Plan auszuarbeiten und dann das Buch drukken
zu lassen, weil ich nothwendig, ausser meiner Besoldung, noch einen Zu-
schuß verdienen muß. Ich wünschte, daß sich, indem ich diese Arbeit
als eine Arbeit des erhabenen Ordens unternäme, auch iener Zwek damit
vereinigen liesse. Ich bin so frei, Ihnen E[rlauchte] B[rüder] meinen Entwurf, so
roh ich ihn zu Papier gebracht habe, der mir aber ausführlicher in der
Seele liegt, und sich bei der Ausarbeitung selbst näher entwikkeln
wird, am Ende dieses Aufsazzes vorzulegen, und mir Ihre Gedan-
ken darüber zu erbitten. Dieser Entwurf enthält im Grunde
die Antwort auf Ihre diesen Gegenstand betreffende erste Frage:
Was bedarf die zahlreichste Klasse unter den Menschen, oder der ge-
meine Mann (ausser dem Unterricht in der Religion pp.) hauptsächlich
für Dinge zu wissen, um so glücklich zu seyn, als als [sic] es die Natur
der Menschheit erlaubt? – Die zweite Frage: Welches sind die mög-|<3>
sten [!] Mittel, ihm diese Kentnisse mitzutheilen? Kömmt bei der [Me-]
thode des schriftl[ichen] oder mündlichen Unterrichts über die in dem [Büchelchen]
vorgetragenen Kenntnisse und bei der Art der öffentlichen Einfür[ung]
dieses Buchs in Betrachtung. Über beide Fragen erlauben Sie mir [zu]
vörderst einige Gedanken mitzutheilen.

Ad 1., Glücklich nennen wir in Ansehung des äusserlichen Zustandes
denjenigen, der zum Besiz dessen, was er wünschte, gelangt ist, und sich
aller erwarteten Folgen dieses Besizzes in seiner Lebensart erfreut.
Diese Art von Glück ist täuschend, nicht reell, und kömmt hier nicht an-
ders in Betrachtung, als in wiefern der gemeine Mann auch über den
Punkt der äusserlichen Glücksgüter, an welchen er gemeiniglich mit Kopf
und Herzen fest zu hängen pflegt, überzeugend aufgeklärt werden muß
jedoch mit der nötigen Vorsicht und Behutsamkeit, daß er dadurch nicht
veranlaßt werde, Muth, Arbeitsamkeit und Trieb zur Industrie und
zum Erwerb aufzugeben, sondern vielmehr hierzu durch bessere Grund-
säzze ermuntert werde; und verstärkte Bewegungsgründe erhalte. Die
immer wahre Glückseeligkeit eines jeden Menschen muß aber hier hauptsächlich
in Erwägung gezogen werden. Sie besteht in der Zufriedenheit mit seinem
äussern und innern Zustande. Jene verlangt man durch eine richtige
Schäzzung und Anwendung der uns zu Theil gewordenen Güter, durch
eine genaue Kenntniß der Pflichten unsres Standes und Berufs, durch
die Überzeugung, daß ein jeder Stand und Beruf einzelnen Menschen
und dem gemeinen Wesen nüzlich und ersprieslich seyn könne, und daß,
wenn mit den höhern Ständen mehr äusserliche Ehre verknüpft sey
auch eine grössere Anstrengung erfordert werde, und man dabei
eine grössere Gefahr der äusserlichen Ehre und grösserer Verantwortung
ausgesezt sei; daß kein Stand an und für sich weder glücklich noch unglücklich
mache, sondern daß dieser glückliche oder unglückliche Zustand Folge|<4>
von der genauen Erfüllung der Verabsäumung unserer Berufspflichten
und einer aufrichtigen oder irrigen Voraussezzungen beruhender Schäzzung
der Vorzüge der Stände sei. Die Zufriedenheit mit unseren innerlichem
Zustande entspringt aus dem Bewußtsein ädler, rechtschaffener, men-
schenfreundlicher Gesinnungen, Absichten und Handlungen; aus dem Be-
wußtsein einer treuen und gewissenhaften Erfüllung menschlicher Pflich-
ten, der Unterdrükkung und Bekämpfung aller unordentlichen Nei-
gungen, Begierden und Leidenschaften, in der Abwesenheit aller
beunruhigenden Zweifel, Vorurtheile und Aberglauben, und in der an
deren Stelle tretenden lebendigen, den Verstand befriedigenden Ueber-
zeugung der Wahrheit vom ihrer künftigen Bestimmung, denn ich darf
in Ansehung dieses leztern Punkts als bekannt voraussezzen, daß ein an-
sehnlicher Theil des gemeinen Mannes, nemlich derjenige , der sich im Denken über den
niedrigsten Pöbel erhebt, bei den ihn von seiner Kindheit an eingeprägten un-
befriedigenden abergläubischen Menschensazzungen und Meinungen
in Glaubenssachen, durch Zweifel, Ungewißheit und Gewissens-Skrupeln (die
sogar manche rechtschaffene Person wahnwizzig machen) und aus welchen sich ihre
gefangene Vernunft nicht heraushelfen kann, unzufrieden, ängstlich, klein-
müthig und höchst unglücklich ist, und sich nach einer beruhigenden Erkännt-
nis sehnt; nicht zu gedenken, daß Entfernung von Wahrheit, Irthum
und Vorurtheile, kein wahres Glück gewären, und dem Menschen, als dem
allerherrlichsten Geschöpfe Gottes, höchst unanständig und für ihn höchst er-
niedrigend ist, und daß hingegen eine helle, den Verstand befrie-
digende, erleuchtete Erkenntniß von Gott, und unserer gegenwärtigen
und zukünftigen Bestimmung an sich selbst schon wahres lebhaftes Ver-
gnügen, sich selbst genugsame Zufriedenheit und Seelenruhe gewäre, und
eine mächtige Triebfeder zur Erwekkung ädler rechtschaffener Entschliessun-
gen und Thaten sei, und auf unser ganzes Thun und Betragen einen wohl-
tätigen zu Tätigkeit anreizenden Einfluß habe. Dieß sind die Allgemei-|<5>
nen der Gegenstände, über welche, wie ich glaube, der gemeine Mann auf-
geklärt werden sollte, und deren Kenntnis ihn immer glücklicher machen
wird, je mehr er in ihren Geist eindringt.

Aus dem bisher Gesagten, erhellet auch als eine nothwendige Folge
daß alle innere Zufriedenheit, alles wahrhafte, standhafte innere Glück des Men-
schen, in dem Verstande seinen Anfang nehmen müsse, und von der Erleuchtung
und Aufklärung desselben abhänge, auch ohne dieselbe schlechterdings gar nicht
bewirkt werden könne. Diese Aufklärung muß sich über alle ersinnliche Verhält-
nisse des Menschen und seine wichtigsten Angelegenheiten verbreiten. Es darf sich
für den gemeinen Manne keine Wahrheit denken lassen, dessen moralische Seite
sich nicht auf einen deutlichen und einleuchtenden Grundsaz zurückbringen liesse
und dieses ist der Zweck des Büchelchens, das ich mir aus zu arbeiten vorgenommen
habe. In der Ausführung der einzelnen Materien desselben, will ich die deutlich-
sten und einleuchtendsten Grundsäzze, aus der Natur der Sache selbst gezogen
zum Grunde legen, und für das gemeine Leben praktisch zu machen suchen. In Theo-
logie und Kirchenlehren werde ich mich nicht einlassen; ich will sie unberürt
und unbemerkt liegen lassen; aber meiner Absicht gemäs, werde ich die
Grundsäzze der natürlichen allen Menschen gemeinen Religion so kurz und deut-
lich als möglich, nach ihrer ganzen Wichtigkeit, und nach ihren ganzen segensvollem
Einfluß auf die sichtliche Besserung des Menschen darstellen, und es günstigeren
Umständen und Zeiten über lassen, den alten Aberglauben an Wunder
und andere unmögliche die Ordnung der Natur aufhebende und wieder-
sprechende Dinge, deren Glaube den Verstand verwirrt und auf
seinem Wege zur Aufklärung aufhält, in Vergessenheit zu bringen
und die wahre Christus Religion in ihrer ganzen ursprünglichen Reinig-
keit wieder her zu stellen, da ich es nicht wagen darf, mich derselben in
diesem Buche unmittelbar öffentlich zu widersezzen.


Ad 2., Wenn ich in der Ausführung nichts übergehe, das wichtig ist|<6>
und mit dieser Volständigkeit so wichtiger Gegenstände, Deutlichkeit des
Vortrags verbinde; wen ich mich allenthalben in die Lage und den Stand-
punkt des gemeinen Mannes sezze, ihm auf dem Weg helfe, wie er die ge-
lesenen und seinem Verstand und Gedächtnis eingeprägte Grundsäze
bei jeder Gelegenheit in Anwendung bringen soll; wenn ich ihn auf die
Folgen aufmerksam zu machen suche, die die Beobachtung oder Ver-
nachlässigung seiner Pflichten nach sich zieht; wenn ich ihn mancher-
lei Zustände aus dem wirklichen Leben schildern, und ihn mit seinen
eigenen Augen sehen lasse, wie durch standhafte Beobachtung dieser oder
jener Pflicht für eine Person, oder Familie mancherlei Gutes geschaft wor-
den, und hingegen ein gegenseitiges Betragen Unmenschlichkeiten, Unglük
und Elend hervorgebracht habe; so kann es nicht fehlen, daß das Buch gern
werde gelesen werden und Nuzzen bringen werde; und ich glaube meine
Absicht erreicht zu haben, wenn ich diesen Plan nach diesen mir selbst
vorgeschriebenen Gesezzen und Forderungen ausführe. Damit wäre
aber doch nur noch das Wenigste ausgerichtet, gesezt auch, daß es von einer
Anzahl gelesen würde. Es käme vielmehr noch darauf an, das Buch
in öffentlichen Gebrauch zu bringen und zum Nuzzen in Wirksamkeit
zu sezzen. Und hier stehen freilich die größten Hindernisse im Wege. Es
liesse sich zwar immer noch denken, daß so ein Buch von den Obrig-
keiten jeden Orts den Unterthanen zum Unterricht ihrer Kinder empfohlen
und in Schulen in den Städten und auf dem Lande eingefürt werden
könnte. Aber wer ist Bürge dafür, daß es mit dem Unterricht aus diesem
Buche nicht im kurzen eben so gehen wird, wie es mit so vielen andern
schon ergangen ist, und wo gründliche vernünftige Unterweisung zulezt in
blossen verstandlosen Mechanismus ausartete. Die altvaterischen mecha-
nischen Schulmeister haben, ausser ihrer Widersezlichkeit und Abneigung gegen|<7>
alles Neue, nicht Verstand und Empfänglichkeit genug, um sich die in dem Buche
vorrgetragenen Lehren ganz eigen zu machen, und sich ganz in ihren Geist
zu versezzen; es fehlt ihnen das feine moralische Gefül, das diesen
Lehren den grossen und erhabenen Werth giebt; das Feuer, der Enthu
siasmus für Aufklärung und alles Gute und Nüzzliche, und diese Leh-
ren mit aller Wärme und eindringlicher Herzenssprache vorzutragen.
Und doch müssen sie von der Vortreflichkeit desselben und ihrer Grund-
säzze so innig durchdrungen, von ihrer Wahrheit so vollkommen über
zeugt seyn, sie selbst müßten sie in ihrem eigenen Betragen und Le-
benswandel, in ihrer Art zu lehren, so lebendig vorstellen, daß ihr Vor-
trag durch Wärme und Kraft gehoben, durch ihr eigenes lebendiges Bey-
spiel unterstüzt, und in den Lehrlingen dadurch wahre innige Ueberzeu-
gung, herzliche Teilnehmung und Trieb, sich diese Lehren nach Wort
und That ganz eigen zu machen, erwekt würde. Der Lehrer muß durch-
aus in allen seinen Lehrstunden gleichen sittlichen, ueberzeugenden
herzlichen Ton halten, und alles vermeiden, was den in diesem
Buche enthaltenen Lehren zuwider ist, und ihren Eindruk entkräften
kann. Ein Geist und ein Sinn muß sich über allen seinen Unterge-
bene verbreiten, und er muß diesen Geist und Sinn zu nären und zu un-
terhalten suchen: Eine solche Lehrmethode, die man nur von solchen erwar-
ten kann, die von der Warheit [sic] der Lehren selbst lebhaft überzeugt
und von ihrer Vortreflichkeit bis zum Enthusiasmus durch drungen
sind, die Verstand und Herz zugleich aus ihrem Munde sprechen la-
ßen und die Lehren mit Lebhaftigkeit in den Verstand und das Herz
der Jugend eingraben, eine solche Methode läßt sich von den aller-
wenigsten unserer Schulmänner hoffen. Viele sind schon zu stumpf dazu
viele haben gar keine Anlage, keinen Verstand, kein Gefühl dazu, und von
den übrigen, bei welchen nicht alle Hofnung verlohren ist, müßte erst|<8>
ein besonderer Unterricht vorgenommen werden. Das schicklichste Mittel möchte
also wohl seyn, man liesse gegenwärtig im öffentl[ichen] Schulen die Sachen wie
sie stünden, und suchte das Buch in Schulmeister-Seminaria einzufüren
und den Seminaristen die Lehren selbst sowohl, als das feine moralische
Gefühl und den rechten Geschmack des Unterrichts für die Zukunft beibrin-
gen, und das Buch nach und nach mit jedem Schulmeister, der eine Schulmeister-
stelle erhielte in dessen Schule mit übergehen zu lassen. Da auch ausser den
öffentlichen Schulen in Städten noch so genannte Winkelschulen befindlich
sind, welche von Kandidaten des Predigtamts gehalten werden, so könnten
solche angewiesen werden, ihre Lehrlinge aus diesem Buche zu unterrichten,
und derjenige, dem die Aufsicht über diese Schulen anvertrauet ist, könnte
diese Lehrer mit der wahren kräftigen Methode des Unterrichts leicht
bekannt machen. Wie ich schon höre soll hier in Syrakus, mit den Winkel-
schulen die Einrichtung getroffen seyn, daß künftig nicht mehr als 7 der
ältesten Kandidaten dergleichen Schulen zu halten berechtigt seyn, und
diese unter der unmittelbaren Aufsicht des Generalsuperintendenten
(des vortrefflichen Koppe, da der der rechte Mann wäre, seinen Untergebenen
die wahre Methode zu lehren, da er sie selbst in so vorzüglichen Maase
besizt, beizubringen) stehen solle. Da die Ältesten nicht immer auch
die fähigsten und verständigsten sind, so wäre zu wünschen, daß die
brauchbaren jungen Kandidaten nicht hintangesezt würden. Alle die-
se müssen angewiesen werden, nach diesem Buche zu lehren, bis es
mit der Folge der Zeit, und bis eine einsichtsvollere und bessere Gene-
ration von Schullehrern, auch in den öffentlichen Schulen Plaz genommen
hätte, öffentlich eingefüret werden könnte. Zum Beschluß erinnere
ich nur noch daß der Name des Buchs geheim gehalten werden müßte
um dabei alle nachtheiligen Einflüße des praejudicii auctoritatis
zu vermeiden.|<9>



    Entwurf

    Es sind für jezt nur die äussern Grenzlinien abgestekt.

    1 Abschnitt. Von Gott, seinem Wesen, Dasein und Eigenschaften; besonders
         soll er als der Einzige, Unendliche, Allgegenwärtige, als Schöpfer und
         Erhalter der Welt, so faßlich und nachdrüklich als möglich dargestellt
         werden. Ein gleiches soll auch in Ansehung der Pflichten gegen dies
         Wesen geschehen, und insonderheit die Aufmerksamkeit des gemeinen
         Mannes und die stete Betrachtung Gottes, mit der Erkenntnis seines
         Wesens und seiner Werke gerichtet, und er zur steten Er-
         innerung an seine Allgegenwart, bei allen Entschliessungen und
         Handlungen und zur Nachahmung seiner Vollkommenheiten ermun-
         tert werden.

    II. Von dem Menschen nach seinem Wesen

      1. Leib. Struktur und Beschaffenheit desselben; Wachsthum, Abnahme
           der Kräfte, Hinfälligkeit und Zerstörung desselben Bestim-
           mung des Körpers und seiner Glieder, Pflichten in Ansehung der
           Erhaltung der Gesundheit und Pflege des Körpers. Von Alter
           und Jugend, Schönheit und Häslichkeit.

      2.) Geist. Tätigkeit und Munterkeit, die von ihm abhängen, Einflus
           desselben auf den Gebrauch unserer körperlichen Kräfte und auf die
           Seelenkräfte; nötige Aufsicht des Verstandes über den Geist und
           andere dahin gehörige Pflichten.

      3.) Seele. Verstand, Vernunft, Wille, Einbildungskraft, Gedächtniß,
           ihre Anwendung in den Geschäften des gemeinen Lebens. Bei der Lehre vom
           Willen, von der Freiheit, den Neigungen, Begierden und Leidenschaften,
           ihrer guten und schädlichen Seite, nebst einer Anleitung sie durch den Ver-
           stand in Ordnung zu halten; und den Pflichten, die uns in An-|<10>
           sehung dieser Seelenkräfte zu erfüllen obliegen. Auch von dem
           Wesen der Seele, ihrer Einfachheit und Fortdauer, ihrer künftigen
           Bestimmung pp.


    III. Von dem natürlichen Zustand des Menschen. Hülflosigkeit und Unbequemlichkeit
         desselben. Natürliche Freiheit, Nachtheile die daraus entspringen, Un-
         terdrükkung und Recht des Stärkern. Pflichten, die aus der Betrachtung
         dieses Zustandes fliessen, Menschen sollen sich wie Brüder lieben,
         da alle von Natur gleiche Rechte haben, und alle in dieser Rücksicht sich
         einander gleich sind.

    IV Geselliger Zustand.


      1.) Ehen, Mann, Weib, Vater und Mutter und Kinder, Herrschaft und
           Gesinde. Natürliche Rechte aller in wie fern sie noch statt haben,
           oder durch bürgerliche Gesezze bestimmt und eingeschränkt sind.
           Wechselseitige Pflichten aller gegen einander. Wirthschaft. Kinderzucht
           und Unterricht, Friedfertigkeit und Eintracht, Arbeitsamkeit
           und Treue.

      2.) Bürgerlicher Zustand.
           a.) Ursprung der Regierungserlassungen und Nothwendigkeit gehö-
                rig formierter Staaten und Regierungen. Verschiedene For-
                men derselben; sind an sich alle gut, die monarchische ist am
                wenigsten innerlichen Unruhen ausgesezt und am sichersten.
                Einrichtung des Staats und deshalb zu machender öffentlicher Auf-
                wand; Nothwendigkeit bürgerlicher Abgaben, Pflichten der Bürger ge-
                gen ihre Regenten und Vorgesezten.
           b.) Von den verschiedenen Ständen, dem Lehr- Wehr und Nährstand.
                Verschiedene Klassen des leztern, Bürgern, Bauern und Taglöner|<11>
                ihrem Unterschiede. Unterschied zwischen Vornehmen und Ge-
                ringen; Grund, warum mit manchen Ständen grössere
                äusserliche Vorzüge verknüpft sind als mit andern.
                Pflichten der Bürger gegen einander, Gerechtigkeit und
                Billigkeit, Menschenliebe, Schonung, Verträglichkeit,
                nachbarliche Freundschaft, Verminderung übler Nachre-
                de, des Neids und der Misgunst, des unerlaubten Wu-
                chers, Dienstwilligkeit pp. Pflichten in Ansehung des Eigen-
                thums. Von der wahren und falschen Ehre. Von Reichthum
                und Armuth. Rechtmässiger Erwerb und Gebrauch der
                Ersten; richtige Schäzzung des Werths desselben. Ursache
                der Armuth. Mittel zur Vermeidung desselben. Welches sind
                die wahren Armen? Pflichten der Reichen gegen die Armen
                und Trostgründe zur Stärkung des Muthes der lezten pp.


Cassiodor

Syrakus
d[en] 15ten Chordad
1154.

Notes

  1. Unveröffentlichter Aufsatz im Rahmen des Gothaer Illuminatenprojekts. Erscheinen geplant im Jahrbuch Aufklärung November 2016.
  2. Publikationen Ewalds aus der Zeit sind die dreibändige Abhandlung Über das menschliche Herz (Erfurt, 1784). – Zwey Abhandlungen über die Kultur des menschlichen Verstandes und über die Aristokratie und Demokratie von Spinoza mit einem Vorwort (Leipzig: Von Schönfeld, 1785). Spannend ist im selben Zusammenhang der „alte“ Ewald mit Die Allgegenwart Gottes (1817) und Eleusis oder Über den Ursprung … der Mysterien (1819).