D-Q6776

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Transcript

Über die von dem Marq. D'Hospital geschehene Beantwortung der Frage,
was hatten die positiven Gesetze für Einfluß auf das Wohl der Menschheit

Die Gedankenreihe des Verfassers ist folgende:

Er empfielt zuförderst das Studium der Menschheit; beschreibt aber zugleich die Schwierigkeiten, die ihm entgegen-
stehen. Dann stellt er den Menschen in seinem ursprünglichen Stand gegen den Menschen im Stand der Gesellschaft.
Er eignet dem Naturmenschen für den Kultivirten und Geselligen die grösten Vorzüge so wohl in Ansehung
der körperlichen Konstitution als der moralischen Seite zu. Dann stellt er das Gesellschaftliche Leben die Gründung
der Staaten, die Gesetze aller Staaten die die er durchgängig für blose positive Gesetze erklärt als die Quelle
alles menschlichen Elendes dar. Er sieht die Zurückkehr in den Stand der Natur als das einzige Mittel an, von
allem diesen Elend befreit zu werden; beklagt aber, daß nach der gegenwärtigen Verfassung nur dieses nicht leicht
möglich sey.

Dieses ganze Räsonnement ist also von dem liebenswürdigen Träumer dem Rousseau entlehnt.
Das gute Herz des Verfassers hat ihn unfehlbar verleitet diese unsere Einbildungskraft und dem
Gefühl für Natur in einem so reitzenden Gewand sich darstellende Vorstellung von der Glücksee-
ligkeit des Naturmenschen zu begünstigen.

Hier wäre es also von mir unschicklich dem Verfasser von Satz zu Satz zu widerlegen da dieses|<2>
ihm längst mit mehrem Scharfsinn und Gründlichkeit geschehen ist, als von mir könnte er-
wartet werden. Ich füge daher nur folgende Bemerkung bey.

1) Der Naturmensch, so wie ihn der Verfasser denkt war zu aller Zeit blos Ideal, von dem man
nirgends ausser in den fabelhaften Theogonien und Kosmogonien Kopia fand. Mit was für einem
Recht lassen sich wohl hier aus der Region des Möglichen, auf das Gebiet der würklichen Existenz
Resultate und Vergleichungen anstellen?

2) Daß der Naturmensch, so wie wir ihn und in der Horde der Esquimeaux[1] denken Überlegen-
heit an körperlichem Wohlstand für den geselligen habe, ist unerweißlich. Man nehme einen
thüringischen Bauer, einen Handwerker der mit grober Arbeit umgeht, einen #ichten ### und
stelle ihn mit dem Hottentoten, Iroquisen u.s.w in Vergleichung, wie wird wohl jener diesem
an abgehärten Körper nachstehen? Folglich liegt der Grund der körperlichen Schwäche des Kultivir-
ten nicht in der Geselligkeit, sondern an den Mangel der Übung in der Gymnastik, die
doch wie wir aus der Geschichte wissen am besten in Gesellschaftlichen Verbindungen
kann betrieben werden.

3) Daß der Mensch im kultivirten Stand mehr Furcht äussere möchte allenfalls von ##
Städten gelten, die Hypocondrie oder systemsichen Umstände immer des schrecklichsten ahnden.

4) Bey der Abschiderung der moralischen Seite des Menschen vergißt der Verfassung [!] ausser
den Trieb der Selbsterhaltung, und des Mitleiden. Den Trieb der Geselligkeit, woraus
freilich ganz andere Resultate folgen.|<3>

5) Daß die Gesetzgebung der Staaten blos positiv seye, ist wohl ganz so viel ich in einem
fremden Fach beurtheilen kann, wider alle Erfahrung.

6) Endlich ergiebt sich aus der ganzen Abhandlung, daß der Verfasser sich eigentlich gar nicht
in eine bestimte Beantwortung der ihm vorgelegten Frage eingelassen, sondern sie nur hin und
wieder durch mit einigen Seitenblicken betrachtet habe. Nothwendig hätte er sich über die vorzüglichsten
positiven Gesetze mit mir genauen Be[t]rachtung ihres Einflusses auf des Menschen wohl verbreiten und
zu dessen Beleg sich einige der kultivirtesten Staaten wählen sollten.

Taulerus

Anmerkungen

  1. Eskimos