D-Q6777

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Kommentar

Transcript

über Matth. 7,12.

Alles, das ihr wollet, daß euch die Leute thun, das thut
ihr ihnen, das ist das Gesetz und die Propheten

______

Unstrittig ist diese Sittenregel der Inhalt aller Pflichten
gegen unsere Nebenmenschen und es gereicht auch gewiß dem
Christlichen zu einer großen Empfehlung, daß dieses eine
von den Hauptvorschriften ihrer Sittenlehre ist. Gegen
die Wahrheit aber liefe es, wenn vom behaupten wollte.
daß dem Stifter des christl[ichen] Glaubens diese Gebet nur al-
lein eigen gewesen sey; und sonst keinem andern Buche
oder System zu finden wäre. Nein, das Gegentheil hiervon
ist ganz offenbar. Schon im 4ten Kapitel der Geschichte Jobii[1]
giebt dieser unglückliche Mann seinem wegreisenden Soh-
ne unter andern Vorschriften auch diese im 16ten Verse.
"Was die nicht willst, daß man dir thu, das thue einem andern
auch nicht; welche Worte der berühmte jüdische Lehrer Hillel[2]
so ausdrückte, "thu seinem Nächsten nicht dasjenige, welches
du hassen würdest, wenn es dir geschähe. Eben dieser Mann
gab einstmals einen Roselyten die nemliche Vorschrift
mit dieser veränderten Einkleidung, "Alles, sagte er, was
dir verhasst ist, das thue deinem Nächsten nicht. Hierinne
besteht das ganze Gesetz, und das Uebrige ist nur eine Aus-
legung darüber. Gehe hin, und sey vollkommen."|<2>
der eben so berühmte Möimonides[3] sagte einem seiner
jüdischen Glaubensgenossen, "Alles, was du willest, das Andere
dir thun, das thu deinen Brüdern im Gesetz und in den Geboten.
Insonderheit war es eine Sittenvorschrift de Kanniten
die eone eigene Sekte unter den Jüden ausmachten, und als
Nachfolger der Sadduzäer anzusehen "Alles, hies es bey ihnen,
was ein Mensch nicht auf sich nehmen will, muß er auch seinem
Bruder nicht thun." Aber nicht blos bey den Juden, sondern auch
bey den Heiden findet man diese Sittenvorschrift. Aöso sagt
Nilius,[4] "Sey so gegen alle, als du willst, daß alle gegen dich seyn sol-
len." Der berühmte Redner Isokrates[5] drükt sich verneinender
weise also aus, "Thue andern dasjenige nicht, was du hassest
und was dich erzürnt, wenn die es von andern leisest." Als
Aristoteles, der Vater der Philosophie und der Lehre A-
lexanders gefragt wurde, wie jemand sich gegen seine Freun-
de verhalten müßte, so erwiederte er, "eben so als jemand
will, daß sie sich gegen ihn verhalten." Ein besonderer Grund-
satz, war diese Sittenlehre der Vernunft, in den Lehrgebäude
der Pythagoräer und der Stoiker; und der Kaiser A-
lexander Severus[6] hielt ihn so hoch, daß er Befehl gab,
ihn an die Wände seines Zimmers zu schreiben.
Auch meldet man von diesem Herren, daß so oft es
einen am Leben strafen mußte, er vorher habe aus-
rufen lassen, "Was du nicht willst, daß dir die Leu-
te thun, das the ihnen auch nicht.

J. Thomasius.

Anmerkungen

  1. Siehe den Wikipedia Artikel Severus Alexander.