D-Q175804

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Commentary

Im ersten Teil, seinem kurz abgefasstem Lebenslauf, schildert er die wichtigsten Verwandtschafts- und Vormundsverhältnisse, kurz seine Zeit auf der Jesuitenschule und
an der Universität Straßburg, bevor er seine Arbeitsstellen und -geber genauer benennt und auf seine Heirat und Sesshaftigkeit eingeht.
Im zweiten Teil schildert er in der dritten Form seinen Charakter anhand eines kurzen tabellarischen Lebenslaufes, seiner Kenntnisse, seines körperlichen Zustands
und seiner Charaktereigenschaften sowie einer kurzen Darstellung seiner Beziehungen und seines Vermögens.

Transcript

Kurtz abgefaster Lebens-Lauff

des Cleanthes.

Im Jahr 1747 den 22ten Maÿ wurde ich in Fulda gebohren; in meinem sechsten Jahre verlohr ich meinen Vatter[1], meine Mutter befande sich weder in denen Umständen, noch an einem Ort, wo ich eine gute Erziehung hätte erhalten können; mein GroßVatter ware ein alter Mann, liebte das Geld, und verwendete nichts für mich; man gabe mir einen elenden Theologen zum Preceptor, wobeÿ ich die Anfangs-Gründe der lateinischen Sprache ausgenommen nichts lernte;

In dem neunten Jahre ware ich, als meine Mutter sich zum zweÿten mahl verheÿrathete; man liese mich nachher die Jesuiten-Schulen besuchen bis in mein 15tes Jahre, Mein GroßVatter ware einige Jahre vorher gestorben, und meines Vatters Bruder hatte dessen hinterlassene Güther mit mir getheilt, und die Stelle eines Vormünders übernommen.

In denen Jesuiten-Schulen hatte ich nichts erlernt, da ich indessen in dem Haus meines Stiff-Vatters lebte, und darinnen allerleÿ Leüthe täglich sahe; so suchte ich mir selbst die besten Modelle aus, um mich danach zu bilden; mein Haupt Verlangen gienge von jeher dahin einen ehrlichen Mann in der Welt vorzustellen, von meiner Kindheit an richtete ich meine Handlungen danach, und dem Höchsten seÿe danck! ich kann mich rühmen hierinn meinen Zweck erreicht zu haben.

In meinem 15ten Jahre ware ich, als 3 Nichte[n] des Fürsten von Fulda dahin kamen, welche nicht lange vorher aus einem französischen Kloster, wo sie erzogen worden geworden, zurück gekommen waren; verschiedene meiner Anverwandte wünschten aus Privat Absichten für sich selbst mich an eine dieser zu verheÿrathen, man bewoge mich dahin, daß ich mich mit der ältesten versprache, und dieses macht das heimlliche Unglück meines Lebens. |

In meinem 17ten Jahre gienge ich zu meinem Oheim und Vormund nacher Maÿntz, wo er in Diensten stunde, und von da mit Ihm nach Franckfurt am Maÿn, um der damahligen römischen Königs-Wahl beÿzuwohnen.

Nachdem ich diese Feÿerlichkeit angesehen hatte, reÿsete ich im Monath Maÿ nach Strasburg auf Universität in Gesellschaft des ietzigen Dommdechanten von Maÿntz H. von Fechenbach[2] und dessen Hofmeister Canonicus Schultheis[3]. Ich studierte das erste Jahr fleißig, die Liebe zu einem dortigen Mädchen aber ware Schuld, das ich michdas zweÿthe Jahr weniger verwandte.

Nach geendigtem zweÿten Studier-Jahre reÿsete ich in nehmlicher Gesellschaft nach Paris, und machte so weiter meine Reÿsen durch Franckreich und Italien, und wenn ich diese Reysen nicht ohne Nutzen gemacht habe; so habe ich es dem Canononicus Schultheis einem rechtschaffenen und geschickten Mann zu verdanken.

Etwa ein halbes Jahr vor meiner Rückkunft nach Hause, schriebe ich an einen Beamten (welchen mein Oheim sehr schätzte) das ich sowohl meiner economischen Umstände halber, als auch weilen ich keine Neigung mich zu verheÿrathen hätte, wünsche mit der mit mir versprochenen Fräulein abzubrechen; in bate Ihn daher mit meinem Oheim deshalben zu sprechen;

Nun hoffte ich alles würde beÿ meiner NachHauseKunft zu meinem Vergnügen abgeändert seÿn; allein als ich zurück kame, fande ich zu meinem grösten Mißvergnügen, das meinem Oheim mein Vorhaben ware verschwiegen worden; ich erklärte daher das ich nicht heÿrathen wolle, wenigstens nicht in der gegenwärtigen Lage meiner Umstände, und nicht den Gegenstand, welcher mir zugedacht ware; allein ich ware Jung, man wußte mich zu bereden, und ich hatte nicht Standhafftigkeit genug beÿ meinem Vorhaben fest stehen zu bleiben.

Im Jahr 1767 im September verheÿrathete ich mich mit dem festen Vorsatz, so unglücklich und misvergnügt ich auch immer seÿn würde, meine Frau nicht das mindeste davon empfinden zu lassen, auch habe ich diesem Vorsatz bis hieher nie entgegen gehandelt, und fahre auch so immer fort zu handeln. |

Zu nehmlicher Zeit wurde ich Cämmerer des verstorbenen Kurfürsten von Maÿntz, allwo ich die Winter-Monathe zubragte, den Sommer aber lebte ich in Fulda, wo ich das Oberamt Brüdenau bekam, welches ich noch habe. Meine GrosMutter von Vatters-Seite starbe im ersten Jahr meines verheÿratheten Standes, und ich erbte mit meinem Oheim gemeinschaftlich ihr hinterlassenes Vermögen.

Meine Frau gebahr das andere Jahr eine Tochter (welche noch lebt, und welche ich von Hertzen liebe) das Jahr darauf gab sie mir einen Sohn, dieser starbe in seinem sechsten Jahr. Mein Oheim war unterdessen gestorben, ich überkame allso sein und mein Vermögen in der unglaublichsten Verwirrung zu besorgen, die ersten Jahre bekümmerte ich mich nicht sonderlich viel darum, und es bliebe alles in der Unordnung; Endlich starb der Kurfürst von Maÿntz Emmerich Joseph von Bürresheim[4], Es giengen da verschiedene Veränderungen vor, welche mich nach meiner Art zu denken eine große Zahl von Menschen, mit welchen ich am Hof leben mußte, verabscheuen machten, man begegnete auch nicht denen Herrn am Hof nicht mehr, wie man Edelleuthen begegnen soll; ich wurde dessen überdrüssig, und verliese diese Dienste, und da man in unserem lieben Vatterland um an Höfen fort zu kommen einen Titul haben mus; so verlangte ich den Käÿserl. Cämmerers-Schlüssel, welchen ich erhielte. ich wohnte 18 Monathe auf dem Lande auf einem Guth; Meine Frau wollte sodann nacher Maÿntz ziehen, wo ich ein Haus habe, und obwohlen ich an einem jeden Anderen Orte lieber gewohnt hätte, so willigte ich darein, und wohne nun im sechsten Jahre in Maÿntz.

Von der Zeit an aber, da ich die Mayntzische Dienste verlassen habe, habe ich mich mit allem Ernst mit meinen Geschäfften abgegeben, tausend wiedrige Zufälle aber machen, das ich solche ohngeacht aller möglichst angewandten Mühe noch nicht in die gehörige Ordnung gebracht habe; alle diese Sorgen und Unannehmlichkeiten mit meiner mißvergnügten Heÿrath verbunden, haben meine sonst so starke Gesundheit sehr geschwächt, ich empfinde solches täglich mehr.

Hier ist in der Kürtze mein gantzer Lebens-Lauff, nur will ich noch dabeÿ bemerken, das ich im Jahr 1764 in Strasburg in der Loge de la Candeur als Freÿ-Maurer | aufgenommen wurde, und hernach im Jahr 1776 von dem H von Hund[5] in Meiningen in den hohen Orden gebragt wurde.

Epidamnus den 20ten Benmeh

1151 Jezdedgerd. Cleanthes.


Schilderung des Charakters des Cleanthes

abgefaßt von ihm selbst.


I Seine Person.


1, Sein Name? Armand, Philipp von Ebersberg genannt von Weyhers und Leyen.

2, Sein Alter? Gebohren den 22ten May 1747.

3, Sein Geburts-Ort? Fulda.

4, Seine Figur? Weder fett noch mager, doch ehender letzteres, von ziemlich starcken Geliedern, und schlancken Körper.

5, Phisionomie? Sein Gesicht ist stark gefärbt und etwas braünlücht, denen Leuthen mit denen er spricht, schaut er frey ins Gesicht. Seine Nase ist lang und gebogen. Seine Stirne ist ehender hoch als kurtz, letzteres war sie aber in seiner Jugend. Hierbey liegt seine Silhouette.

6, Sein Haar? Ist dunkelbraun, es ware sehr lang und dick, Zeit etwa 8 Jahren aber ist es sehr dünn geworden, es ist etwas {bleich}.

7, Seine Stimme? Ist männlich.

8, Sein Anstand? Ist bescheiden und ziemlich bequem. Erträgt den Kopf aufrecht.

9, Sein Gang? Ziemlich schnell und weitschreitend.

10, Sein Gesundheits-Zustand? Ware überaus stark und dauerhaft, Zeit einigen Jahren aber ist seine Gesundheit sehr geschwächt, er leidet in dem Magen.

11, Sprache, Vortrag? Seine Sprache ist ziemlich ordentlich, er spricht nur mit dem Mund ohne die Hände, den Kopf aber {...} deshalben in Bewegung zusetzen. Sein Vortra ist bescheiden, denn er kennt darinn seine Schwäche, Seine Sprache spricht er vielleicht nicht gantz jedoch ziemlich rein.


II. Erziehung, Bildung, Kultur, Gaben.


1, Wem hat er sie zudanken? Meistens Sich selbst und einige Aufklärung dem in Mayntz wohnenden Canonicus Schultheis.

2, Sprachen? Er spricht und schreibt französisch ziemlich gut, er spricht es fast lieber als seine Muttersprache: Italienisch, Englisch und Latein versteht er.

3, Wissenschaften? Er liebt die Wissenschaften und schönen Künste, ist aber wegen Fehler seiner Erziehung in keiner gründlich erfahren.

4, Hat er Gennie und wozu? Er hat Genie zu allem, was er unternehmen will. Sein Genie ist mehr philosophisch.

5, Hat er Geschick? Er ist nicht ungeschickt sowohl zu Leibes-Übungen, als anderen Sachen, wenn er sich damit abgiebt. Er ist stark, ziemlich gelenkig und leicht.

6, Augenmerck bey andern Er sieht am mehrsten auf Hertz und Denckungs-Art, dann

Menschen? Sitten und Reinlichkeit.


III. Sein Geist.


1, Fähigkeiten? Er dringt ziemlich tief ein, ist nicht langsam, und von ziemlich leichtem Begriffe, seine Einbildungs-Kraft ist lebhaft. Er hat Gegenwart des Geistes.

2, Vorurtheile? Er hat gar keine.

3, Richtung? Seine Glückseeligkeit setzt er in das seinen Mitmenschen dienen und gutes thun können. Er hat eine sehr begräntzte Eigenliebe.


IV. Sein Hertz


1, Gemüths-Art? Er ist mitleidig, handelt rechtschaffen, und nichts ist im Stande Ihn davon abzuhalten.

2, Leidenschaften? In seiner Jugend waren seine Leidenschaften heftig, sie sind es nicht mehr, vieler Verdrus hat Ihm einen Hang zur Schwermuth gegeben. Er ist weder geitzig noch verschwenderisch. Er liebt alle Art Jagd, besonders jene, welche zu Pferd verrichtet werden, und dann die Hüner-Jagd.


V. Aufführung, Gewohnheiten, Handlungen.


1, Im Reden? Er spricht nicht viel, fragt man Ihn um seine Meinung; so sagt er sie ohne Rücksicht frey heraus, übrigens ist er ziemlich bescheiden.

2, Im Schreiben? Sein Stil ist nicht der beste, da er meistens in Geschäften schreibt; so sucht er nur sich kurtz und verständlich auszudrücken.

3, In seinen Handlungen? Er hat sehr hitziges Bluth, sein Zorn ist hefftig aber nicht andauernd, er wird indessen nicht leicht aufgebracht. Er haßt Niemand.

In seiner Jugend war er hefftig in der Liebe, und sehr eifersüchtig, er liebte das weibliche Geschlecht überhaupt; alles dieses aber hat abgenommen; Er liebt dies Geschlecht wohl noch, aber sehr mässig; jederzeit betrug er sich hierinn mit Anstand.

Sein Gesind hält er ordentlich und gut.

Seine Gesellschaft kann er verschiedener Ursachen halber nicht wählen, am liebsten aber gehet er mit ehrlilchen und freimüthigen Leuthen um. Seine Freundschaft wirft er nicht leicht den Leuthen zu. übrigens aber schadet er niemand, er ist im Gegentheil {...} einem jeden Nutzen zu können.

Keine Religion und kein Stand macht einigen Eindruck auf Ihn. Er ist bey allen Zufällen immer der nehmliche, eine halbe Stunde Überlegung wert ihm allzeit genug in allen Ihm begegneten widrigen Fällen seine nöthige Maßreglen zu nehmen, um Ihn das Unangenehme gedultig ertragen zu machen. Er hat nur eine Tochter welche er hertzlich liebt, aber gewiser Umstände halber nicht bey sich hat erziehen können. Seiner Frau begegnet er allzeit gefällig.

Im Essen und Trincken ist er mässig aus Gewohnheit und Wohlgefallen. Er liebt Hunde und Pferde, und gehet gut mit Ihnen um.


VI. Aussere Umstände, Lebens-Art, Verhältnis.


1, Vermögen? Er hat dermahlen 8000 fl. freye Einkünfte, wenn aber seine Gütter in der Ordnung sind, in welche er sie zu setzen sucht, alsdann wird er seine Einkünfte um 4000 fl. vermehrt sehen; er hat noch etwa 34000 fl. ererbte Schulden, welch aber in einigen Monathen bezahlt werden.

2, Stand? Er ist kayserlicher Cämmerer.

3, Ruf? Sein Ruf ist gut.

4, Religion? Er bekennt sich zu der römisch-katholischen, und beträgt sich in dem äußerlichen Gottes-Dienst ordentlich.

5, Verbindungen? Diesfalls beziehet er sich auf seinen heirbeyliegenden Lebens-Lauff.

6, Beschäftigungen? Er ist ziemlich püncktlich in seinen Geschäften, und hängt seinen einmahl gemachten Vorsätzen in solchen bis zu Ende getreu nach.

Er hat viele Bücher meistens ererbt, es ist unter solchen von allem etwas, der größte theil davon aber gehört in das Historische Fach.

Er liest gern, wenn er Zeit übrighat. Er liebt keine Gattung von Spiel.

Er ist viel allein, und sucht sich allzeit zu beschäftigen.

7, Brieff-Wechsel? Er hat einen mittelmässigen Brieff-Wechsel, welcher meistens seine eigene Geschäfte angehet.

8, Schlaff? Er schlaft nicht gerne lange, traumt sehr selten, spricht nie im Schlaf, man kann Ihn zu allen Zeiten leicht wecken, und er ist nie Schlaf-truncken.

9, Kleidung, Wohnung? Er kleidet sich ordentlich und reinlich, und so ist auch sein Haus, in so weit es von Ihm abhängt.

Notes

  1. Hugo Carl Joseph Isabella von Ebersberg Item:Q194247
  2. Georg Carl Reichsfreiherr von Fechenbach Item:Q323
  3. Johann Philipp Adam Schultheis Item:Q1083
  4. Am 11. Juni 1774; Emmerich Joseph von Bürresheim Item:Q183870
  5. Carl Gotthelf von Hund und Altengrotkau Item:Q14215