D-Q175809

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Commentary

Stolberg-Roßla beschreibt im ersten Teil kurz seine wichtigsten Verwandtschaftsverhältnisse, seine akademische und berufliche Laufbahn sowie die Aufnahme in die Freimaurerei.
Es folgen die Antworten für die Aufnahme ins Schottische Noviziat im zweiten Teil des Dokumentes. Die Schilderung seines Charakters möchte er lieber anderen überlassen.

Transcript

Lebenslauf des Campanella

von ihn selbst geschrieben.


Den 6ten Jenner 1728 bin ich zu Roßla gebohren, und in der evangelisch lutherischen Religion erzogen worden.

Mein Vater war Jost Christian regierender Graf zu Stoberg-Roßla[1], und meine Mutter Aemilia Augusta geborne Gräfin zu Stolberg-Gerden[2]. Die letztere habe ich nicht das Glück gehabt zukennen, weil sie starb, wie ich zwei und ein halbes Jahr alt war. Nach ihrem Tode kam ich unter die Aufsicht meiner nächsten weiblichen Verwanden, deren sorgfältigen Wachsamkeit ich in Ansehung der Bildung meines Herzens viel zudanken habe. Die Lehrmeÿster in meines Vaters Hauß waren nach einander zwei Theologen. Was man von Leuten erwarten kan, welche Theologie und Religion für eines halten, überspannte Bewegung der Einbildungs-kraft für die einzige Kenntzeichen eines Christen halten, die diejenige Sphäre der Welt, in welche ich nach meinem Stande nach, kommen muste, nicht kenten, läßt sich leicht denken.

In meinem 12ten Jahr starb auch mein Vater, der meiner Mutter aeltesten Bruder Christian Ernst regierenden Grafen zu Stolberg-Wernigerode[3] zu meinem Vormund verordnet, und erbeten hatte. Mein Vormund nahm mich einige Tage nach meines Vaters Tod von Roßla weg , und zu sich nach Wernigerode, in der Absicht mich bei sich zubehalten. Allein es fügte sich einige Monathe darauf, daß zwei Grafen von Erbach, so Geschwister-Kind von mir seyn, in das Paedagogium zu Kloster Bergen bei Magdeburg gethan wurden, und entschloß sich mein Vormund, mich ihnen zuzugesellen. Der damahlige Abt im Kloster war der berühmte Steinmetz. Ein für seine Person würdiger Mann; da er aber natürlicher Weise nicht im Stande war, die ganze Anstalt zu übersehen, und die Menge von 80 bis 90 iunge Leute selbst zubilden, so war es nöthig, Praeceptores ihnen vorzusezen, die aus lauter Pietisten bestanden, die öfters {...} und unserer Bildung nöthig hatten, als ihre Untergebenen. Die Folgen davon waren, daß Bigotterie und Sclaverei die Oberhand bekamen. Man bildete da Dorf-Pfarrer, und diese kaum, aber keine Grafen. Welches mir nicht möglich war auszuhalten, und nahm mich deswegen, auf mein tringendes Anhalten, mein Vormund nach Verlauf von zwei Jahren von Bergen weg, und that mich in das damals neu errichtete königlich dänische Gymnasium academicum und Paedagogium zu Altona bei Hamburg. So gut die Absicht meines Vormunds bei dieser Veränderung war, so sehr resignierte ich dabei. Wie in Kloster Bergen die Einschränkung übertrieben, so übertrieben war dagegen die Freiheit in Altona. Als eine wahre Vorsehung erkenne ich noch bis diese Stunde, daß ein Lehrer bei den Paedagogio, Nahmens Grosheim, die besondere Aufsicht über mich bekam. Ein herrlicher Mann. Mit Liebe erwarb er sich mein gänzliches Zutrauen, ließ mich wenig aus den Augen, unterrichtete mich treulich, zeigte mir das Laster, und hielte mich durch vernünftige, allein nichts weniger als pedantische oder bigottische Vorstellungen davon ab. Er ist der Engel, welcher mich vor Ausschweifungen bewahret, und überhaupt den Grund zu allem Guten gelegt, so ich an mir habe.

In Goettingen habe ich mein Triennium academicum absolviert, und bin 1747 in der dasiegen Loge[4] zum Freimaurer aufgenommen worden von dem damahligen Meister en Chaire Eisenhard[5], so hernach als Professor nach Helmstedt gekommen. Mein Hofmeister zu Goettingen hieß Bode[6]. Ein ehrlicher Mann; obgleich er nicht alle zur Erziehung eines iungen Menschen von Stande erforderliche Eigenschaften hatte.

Nach meinem Abzug von Goettingen habe [ich] mich zwei Jahr zu Wezlar, Regenspurg und Wien aufgehalten in der Absicht, mich zuqualifizieren, in kayserliche Dienste als Reichshofrath zu kommen. In Wien wurde mir besonders von dem abgelobten Reichshofrath Vice-Praesidenten Grafen von Hartig, angerathen, vorhero zusuchen, ein altfürstliches Dicasterium einige Zeit zufrequentiren. Der abgelegte Herzog Carl zu Braunschweig erlaubte es mir, und habe mich darwegen zu Wolfenbüttel eine geraume Zeit lang aufgehalten, indes ohne ein Patent zuhaben, oder Besoldung zuziehen. Meine Convenienz erlaubte nicht, länger daselbst zubleiben. Ich hielte mich also bei meine Verwanden auf, und glaube, durch verschiedene gesicherte Vormundschaften, so wohl in Sachsen, als im Reich, und die, von kayserlicher Maiestät noch auf mir habenden, Gräflich-Erbach fürstmännischen Debit-Commission, kein gänzlich unnüzes Mitglied der Gesellschaft zuseyn.

Anno 1765 fügte es sich, daß ich die Burggräfin Sophie Charlotte von Hieburg[7] heurathete, mit welcher ich eine Tochter und drei Söhne erzeuget, wovon die drei Söhne noch am Leben. Wie mir der Tod meine Frau, eine der Besten der Weiber, entriß, mit welcher ich zu Ortenberg in der Watherau lebte, so war es nicht möglich, meine Kinder zu Ortenberg ordentlich und gehörig zuerziehen. Ich entschloß mich dahero nach Neuwied zuziehen, woselbst ich auch noch bin, obgleich mein eigentlicher Wohnsiz Ortenburg ist.

Übrigens ist mein eifrigstes Bestreben, als ein ehrlicher und rechtschaffener Mann in der Welt zuleben, nach möglichen Kräften meinen Nächsten zu dienen, und vorzüglich meine Kinder zu rechtschaffenen, brauchbahre, und nüzliche Weltbürger zuerziehen, zu welchem lezteren ich auch, dem Höchsten sey Dank dafür, ich alle Hofnung habe, meinen Zweck zuerreichen.


Beantwortung der Fragen

vor der Aufnahme in das Schottische Noviciat.

von Campanella.


Ad 1. Alles was ich bisher gelesen habe, überzeuget mich, daß es kaum möglich sey, eine edlerer und feinere Einrichtung zutreffen.

Ad 2. Nicht um Neugierde, sondern Verlangen in ein Bündniß der beßeren Menschen zutreten, von deren vereinigten Kräften sich viel Gutes für die Welt {erwarten} läßt, war es mir zuthun.

Ad 3. Ja so viel ich die Einrichtungen kenne, bi ich damit zufrieden, auch entschloßen, so viel es meine Kräfte erlauben, mit zuwürken.

Ad 4. So fern in denen höhern Graden die gute {Begrieffe}, welche ich von dem Orden habe, genährt werden, und man nichts von mir fodert, welches meine wichtigen privat Pflichten entgegen ist, will ich dem Orden ganz anehören.

Ad. 5. 6. 7. Außer dem lächerlichen Mops-Orden,[8] aus dem ich für mein ganzes Leben schon längstens getreten bin, bin ich in keinem andern, und sind also diese drei Fragen von selbst beantwortet.


Dieses alles versichere ich bei meiner Ehre.


Beantwortung der Fragen

nach der Aufnahme in das Schottische Noviciat

von Campanella.


Ad 1. Ich finde, daß die Welt iust das Gegentheil ist, was sie seyn solte, bin deswegen sehr unzufrieden damit.

Ad 2. Ich biete mit vielen Vergnügen meine Portion Kraft zu Erreichung dieses Zweckes an.

Ad 3. In England.

Ad 4. Vor dem Sündenfall.

Ad 5. Ich habe freie Wahl, und mein liebstes Geschäft ist die Erziehung meiner Kinder, welcher ich alle meine Kräfte widme.

Ad 6. Mein Liebling ist der Robertson.[9]

Ad 7. Tugend belohnen ist wohl das einzige Mittel, sie in der Welt siegend zumachen. Ich unterwerfe mich also mit Freuden der darauf abzwekenden Einrichtung der monathlichen Quibus Licet.


Meinen eigenen Character überlaße ich andern zu schildern – Ich liebe meine Kinder zärtlich, sorge als Vater und Christ für ihre Erziehung – haße Dumheit und Bosheit – wünsche Aufklärung und Güte verbreitet – will alles, was in meinen Kräften stehet, dazu beitragen – Habe meine Fehler und Tugenden.

Campanella.

Notes

  1. Jost Christian Stolberg-Roßla Item:Q183803
  2. Amelie Auguste Gräfin zu Stolberg-Gedern Item:Q183804
  3. Christian Ernst zu Stolberg-Wernigerode Item:Q183806
  4. Loge "Friedrich", Göttingen Item:Q31745
  5. Johann Friedrich Eisenhart Item:Q34447
  6. Vermutlich: Johann Heinrich Bode Item:Q34454
  7. Sophie Charlotte von Hieburg Item:Q230459
  8. Mops-Orden, vermutlich 1738 (zur Umgehung des In eminenti apostolatus der Krone von 1738) von Clemens August von Bayern gegründete quasi-freimaurerische katholische Gesellschaft die Frauen zuließ. Der Mops war ein Symbol für Loyalität und Beständigkeit.Item:Q175883
  9. Wahrscheinlich William Robertson (1721–1793), schottischer Historiker.