D-Q4495

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Commentary

Transcript

Carl Christoph Heinrich des Barres ist gebohren in Blamont im
Canton Solothurn im Jahr 1738.

Er ist klein, weder fett noch mager und hat kein Gebrechen des Körpers.
Seine Gesichts Farbe ist bräunlich, sein Blick scharf, offen, heiter;
die Farbe seiner Haare ist bräunlich; seine Stimme männlich, angenehm,
fliesend. Sein Anstand ist edel, ungezwungen, freymüthig,
bescheiden; den Kopf trägt er aufrecht ohne allen Zwang. Sein
Gang ist männlich, gesetzt, etwas weitschreitend, ohne Aitian.
Sein Gesundheits-Zustand ist gut, außer daß er zu Zeiten über
Kopfweh klagt. Sein Vortrag ist ordentlich, bedächtlich. Mit
Freunden spricht er viel, mit andern weniger und vorsichtig.
Seine Sprache, die Französische, redet er rein, aber deutsch nicht sonderlich.
Da seine Eltern in seinen ersten Kinderjahren starben; so blieb
er unter der Aufsicht naher Anverwandten, allein schon im 14ten
Jahre kam er unter ein französisches Regiment. Hier vertrat
ein edler Hauptmann Vaterstelle bey ihm. Von diesem spricht
er auch niemals ohne die lebhafteste, dankbarste Erinnerung.
Auch hat er bey Jean & Daniel Bernoulli[1] Unterricht in Physick
und Mathematick genossen.|<2>

Er ist fast durch ganz Frankreich, Deutschland, Holland, auch durch
England gereist. Außer der Französischen Sprache versteht er
die Lateinische und Englische, auch deutsch genug, um Bücher lesen
und sich sehr gut verständlich machen zu können.

In Wissenschaften giebt er selbst vor fremd zu seyn; allein er
hat gute Kenntnisse in der Geschichte, Natur-Lehre, Mathematick,
Kriegs- und Civil-Baukunst. Er hat gar kein dichterisches,
wohl aber philosophisches und Künstler-Genie und einen
wohlgeordneten Esprit de Detail. Zu Leibesübungen
hat er sehr viel Geschick, reitet aber nicht gern.
Bey andern Menschen sieht er vorzüglich aufs Herz. Was
seinen Geist betrifft, so glänzt er nicht; hat aber Scharf-
sinn und eine große Portion recht gründlichen, gesunden
Menschen-Verstandes. Vorurtheile hat er nicht. Er unter-
sucht alles (beträfe es auch seine besten Freunde) unpar-
theyisch.

Er hat ein Gefühl seiner inneren Würde, und ist gerne
geehrt. Die Wahrheit liebt er feurigst. Er sieht auf die
Zukunft, hat Fähigkeiten zu großen Entwürfen. Er
läßt auch seinen Freunden Gerechtigkeit wiederfahren.
Sobald er keine Leidenschaft bey dem Widersprechen vermuthet,|<3>
läßt er sich gern überzeugen. Niemals denkt er andern nach,
sondern untersucht alles selbst.

Seine Bekanntschaft mit der Welt hat ihn mißtrauisch gemacht.
Gegen seinen Körper ist er nicht zärtlich, scheuet auch den
Tod nicht. Thätigkeit und Ehre reitzen ihn zur Arbeit, Ver-
achtung ist ihm sehr empfindlich. Niemals sucht er sich durch
schlechte Mittel hochzuschwingen, freut sich aber, wenn seine
Verdienste erkannt werden.

Unter zwey Parthein hält ers immer mit der rechtschaffnen,
und läßt sich, wenn sie auch sinkt, für sie todtschlagen.
Schwierigkeiten schrecken ihn niemals; seine Liebe gewinnt
man durch ein gutes Herz und Achtung. Er ist zurückhaltend
und spricht nicht viel von seinem Vorhaben vor der Ausfüh-
rung. Er begnügt sich mit mäßigen Freuden und ge-
nißßet sie als ein Weiser. Vorwitzig ist er nicht.
Er handelt gerade aus; das allgemein beste, und besonder
die Schicksale anderer, besonders der Gedrückten, Leidenden
intereßiren ihn warm. Er arbeitet gern zum allgemeinen
Wohl und opfert mit Vergnügen seine Bequemlichkeit
dazu auf. Auch unbemerkt handelt er rechtschaffen und|<4>
läßt sich durch nichts davon abbringen.

Im Schmerz ist er gelassen; Leidenschaften hat er nicht; aber doch
manchmal einen zu weit getriebenen Ehrgeitz. Er hat keinen
Hang zur Schwermuth; aber nicht kurz, aber ein sehr guter Haushälter.
Die Jagd liebt er gar nicht.

Wenn ihm eine Sache wichtig scheint, untersucht er gern
jeden Umstand derselben auf das gründlichste, so daß er
zu Zeiten weitschweifig darüber wird. Er ist immer
höflich in Ausdrücken und besitzt eine recht feine philosphische
Höflichkeit. Er giebt nicht gern Verweise; findet er sie
aber nöthig; so giebt er sie zwar nicht Ernst, doch ohne alle
Bitterkeit. Mit seinem Gesinde geht er gütig und ernsthaft
um; von Vornehmen denckt er mehr als er spricht.
Er redet, weil er vieles weiß und erfahren hat, von
vielem gern. Gegen Wohlthäter, auch gegen Freunde
die ihm nichts als ihr Herz geben, keine äußern Vortheile
verschaffen können, ist und bleibt er dankbar. Er lacht
nicht viel, aber lächelt mehr; doch niemals über eigne
Einfälle, sondern aus Gefälligkeit, und andern seinen
Beyfall zu zeigen. Von Vornehmen, wenn sie nichts|<5>
taugen, spricht er behutsam; wenn sie Tugenden haben mit ungeheuchel-
ter Ehrerbietung. Niemals ist er kriechend oder familiare ge-
gen sie. Von niedern Stande spricht er immer mit Achtung.

Er ist gegen jeden [***] herablassend, auch in Gegenwart der
Vornehmern, weil er wirklich jedes Verdienst in jedem Stande
auch sieht und schätzt und andere gern aufmerksam darauf macht.

Er spricht niemal gegen seine innern Ueberzeugung Ja, wenn
es seine Pflicht ist zu sprechen. Ueberhaupt schmeichelt er hohen
auf keine Weise, und doch gewinnt er durch seine Lebens Art,
Freiheit, Ehrerbietung gegen sie und bekannte Rechtschaffenheit
immer ihre vorzügliche Achtung. — Mit seinen Freunden
spricht er gerne von allem dem, was der Menschheit wichtig
ist, so wie Veränderungen in der Welt Anlaß dazu geben.
In großen Gesellschaften erlaubt ihm seine Höflichkeit
nicht den Ton des Gesprächs anzugeben - da spricht er fast
von allem, doch mit Behutsamkeit und großer Vorsicht.
Er klagt und schwäzt nicht; es sey denn bey seinen Vertrauten
und dann hauptsächlich über zweyerley giftige Thiere, Ver-
läumder und Heuchler. Er schweigt zu denen Gesprächen|<6>

welche nach der jedesmaligen Lage der Sache keinen Nutzen stiften, oder
wol gar Schaden bringen könnten.
Sein Vortrag ist deutlich, nachdrücklich und wahr. Geheimnisvoll
thun, den Leuten in die Ohren reden, sich stellen als wüßte er
schon von der Sache, das sind Fehler deren ihn auch seine Feinde
nicht beschuldigen. Er stichelt niemals. Er entscheidet nicht
gerne; Ist er auch nicht der Meynung; so lobt er doch das
Wesen seines Gegners und trägt seine Einwendungen höflich
vor. Er widerruft gern was er als Unrecht erkennt.
Er ist geitzig mit Lob und wo er's giebt, geschieht's mit
Wahrheit und Feinheit; es mögen Freunde oder Feinde
seyn. An sich lobt er nichts.

Er verspricht nichts, als was er halten kann und will; wenn man
ihn fragt, giebt er guten Rath, dringt sich aber nicht auf.
Er spielt den Witzling nicht. Niemals eignet er sich anderer
gute Einfälle zu, sondern nennt gern den Urheber. Er erzählt
natürlich, ermüdet nicht durch öftere Wiederholungen
der nämlichen Geschichte; spricht nie pöbelhaft, unzüchtig.
Er hat kein Buch geschrieben; allein seine Briefe und
kleinen Aufsätze sind natürlich, kernhaft, ohne Blümungen|<7>
aber auch ohne Trockenheit, Heuchlerey, Verläumdung, Undank und
Tadel seine
haben überall das Gepräge einer reifen Ur-
theils Kraft.

Bosheit, Ungerechtigkeit, Heuchlerey, Verläumdung, Undank
und Zucht seines Freundes bringen ihn auf, auch wenn man
ihn lächerlich macht; aber seine Erfahrung, Vernunft,
Klugheit und Gegenwart des Geistes schützen ihn vor
Ausfällen welche unangenehme Folgen haben könnten.

Wenn er zornig ist, so äußert er es durch äußerliche Gleichgültig-
keit und innerliche Verachtung. Er hat viel Beweise gegeben,
daß er Beleidigungen vergiebt. Er thut dieses, sobald er
findet, daß sein Gegner übereilt oder durch Anstiftung
gehandelt und übrigens nicht ohne gute Eigenschaften sey.
Er ist nicht verheiratet, und jedermann giebt ihn das
Zeugniß einer ordentlichen Lebens-Art - Romantische
Empfindsamkeit hasst er. Gegen das schöne Geschlecht,
das er übrigens genau kennt, ist sein Betragen so treu,
ehrerbietig und munter, daß er von ihnen geliebt
wird. Seinen Gesinde begegnet er mit sehr vieler
Liebe, Billigkeit und Würde. Ein alter Reitknecht, den |<8>
er in einem Feldzuge hatte und ihn unverhofft zu Coblenz wieder an-
traf, konnte seine Freude nicht genug zu erkennen geben, daß er
seinen vormaligen Herrn noch einmal wieder zu sehen be-
kommen.

Er liebt Umgang um Menschen zu genießen; aber er ist etwas
eckel in der Wahl; er sucht immer rechtschaffene und kluge. Er
spricht und spielt gern mit Kindern. Seine vertrautesten Gesellsch[***]
sind wirklich der Kern der besten hießigen Menschen, die ihn
alle herzlich lieben. Er ist gefällig und bescheiden im Umgang
und hat, was man un aur aifé nennt, in einem hohen Grade.
Ausschweifende Gesellschaften liebt er nicht, aber solche, wo
Ernst und Munterkeit abwechseln. Bey Besuchen weiß er
sich allezeit mit gehörigen Anstand zu [***] und läßt es
niemanden fühlen oder merken, wenn ihm sein Besuch viel-
leicht lästig war. Uebertrieben liebt er die Einsamkeit
nicht; aber manchmal, und er genießt sie als ein [***]
hefe scht er niemals auf. Er weiß sich ihnen zwar durch
seine Einsichten und Thätigkeit nothwendig zu machen,
benutzt dieses aber nicht zu seinem Vortheile. Er kann für|<9>
sich nichts fordern; seine Freunde müssen es thun, und auch diesen ver-
birgt er sein Anliegen so lang als möglich.

Aus Intrigen, Familien-Händeln pp zeiht er sich immer heraus
und wenn er genöthiget wird, so arbeitet er eifrigst und mit
vieler Klugheit und Menschen-Kenntniß den Frieden herzustellen.
Beleidigungen von hohen kränken ihn Anfangs sehr, dann aber
erträgt er sie mit Ruhe und Stolz.

Er schmeichelt keiner Herrschaft, vielweniger Lieblingen, oder
gar domesticken. Gerade oder Ungerade der hohen bestimmen
bey ihm niemal den Werth eines Mannes oder sein betragen gegen
ihn.

Vornehme müssen ihn suchen, wenn sie ihn haben wollen. Seine Freund-
schaft ist männlich und treu - Es ist aber nicht leicht, sie zu
erhalten.

Fehler seiner Freunde vertheidigt er nicht, aber er spricht mit
Schonung davon und sucht sie durch Erzählung ihrer guten Eigen-
schaften vergessen zu machen.

Er ist standhaft in der Freundschaft und bleibt sich bey allen
Veränderungen in den Schicksalen seiner Freunde gleich, sie
müsten denn schlecht handeln.|<10>

Er kennt den Werth des geringen Standes nicht nur; sondern bemüht sich
bey allen Gelegenheiten, Vornehme davon zu überzeugen. Er ist
erstaunend groß und ehrt jeden nach seinem Stande und nach
Maasgabe der Verdienste die er darinn hat, sollte es auch
ein Bettelvogt seyn.

Schulden hat er keine.

Wenn er andere über einen Fehler ertappt; so thut er, als mer-
ke er es nicht und benutzt keine entdeckte Schwäche zu seinem
Vortheil.

Wenn auch jemand seine geheimsten Angelegenheiten erführe; so
würde er ihm weder schmeicheln, noch ihm den Glauben zu be-
nehmen suchen, sondern mit allem Stolz ihmen als ein Mann
unter die Augen treten, der als Mensch seine Fehler, aber
auch als Weiser oder Geist, seine Tugenden hat.
Er ist äußerst tolerant gegen Meynungen, sobald sie
mit einem rechtschaffenen Herzen verbunden seyn können.
Er ist nicht reich, schämt sich aber dessen auch nicht.
In Essen und Trincken ist er aus Gewohnheit, Liebe zur Gesund-
heit und aus Ueberzeugung der Pflicht, um immer zur Arbeit|<11>
fähig zu seyn, sehr mäßig.

Er hat keine eigne Haushaltung, sondern die Tafel bey hießiger
Herrschaft; Er ist nicht leckerhaft und trinkt eine kleine Portion
Wein; zwischen der Mittag- und AbendTafel genießt er nichts.
Er hält keine Thiere, ist aber barmherzig gegen alles was lebt.
Er zerbricht oder zerreißt nicht leicht etwas.
Er nimmt Taback, raucht aber keinen.

Seine Einkünfte sind sehr mäßig; Er ist aber durch seine Begnügsam-
keit reich.

Er war französischer Hauptmann und hatte immer die Liebe
und Achtung seiner Obern und Cameraden; er verließ die fran-
zösischen Dienste und wurde Major bey einem von den Prinzen
von Ysenburg angeworbenen spanischen Regimente - da
dises aber nicht zu stande kam, befand er sich außer Diensten
und wurde von dem Herrn Grafen zu Neuwied überredet, hier
zu bleiben.

Sein Ruf ist durchgängig gut. Zwar hassen ihn einige, aber [***]
dazu keine Gelegenheit gegeben, wegen des Vertrauens, das ihm
seine Verdienste bey hohen erworben haben. Allein das macht ihm
Ehre. Er lächelt darüber und rächet sich nicht.|<12>
Er bekennt sich äußerlich zur reformirten Religion, ist von Herzen Christ; [aber]
keines Systems Sklave.

Seine Eltern sind todt. Sein Vater war Officire de Marine in Frankreich,
starb an einem Falle.

In seinen Geschäften ist er äußerst pünktlich, ordentlich, treu und [***]
Hier brauchte ihn der Herr Graf zu mancherley Dingen mit glückli[chem]
Erfolge. z.B. zu Aufnahme der Fabricken, überhaupt der Stadt;
zum Bauwesen, vorinn er Proben seiner guten Einsicht abge[geben]
hat; zu Unterhaltung der Fremden; zu auswärtigen Negotia[tionen,]
zu seiner eignen Gesellschaft und manchen andern Dingen.
Die übrige Zeit bringt er mir Lesen und Dencken zu. Seine Lieblings
Lecture ist Geschichte, Politick, Erziehung, gute Dichter.
Er besitzt wenige Bücher. Seine Lieblings-Bücher aber sind Mon[tes]
quieu, Rollie, Marchand, Seneca, David Hume, Pope.
Wenn er spielt; so geschieht's aus Gefälligkeit; ist ordentlich auch in s[einen]
kleisten Angelegenheiten.

Er schläft nicht lange; sein Geist ist zu wirksam dazu.
Seine Kleidung ist ordentlich, rein, und seinen Umständen angemessen.
Er liebt einfache Farben und folgt nur dann der Mode, wenn man [***]
folgen muß um kein Sonderling zu scheinen. Getragne Kleider
kauft er nicht. In seinen Zimmern herrscht Reinlichkeit und
Ordnung. Sich überflüssiges anzuschaffen, leiden weder seine Um-
stände, noch sein einfacher Geschmack.

Notes