D-Q4508

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Commentary

Biografie Friedrich Lothar Joseph Franz Freiherr von Stadion, vermutlich von ihm selbst verfasst. Zunächst wird sein Charakter beschrieben, dann sein Leben.

Transcript


Biographie
des
Br. Romulus
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Epidamies. 14. Paravardin Jezdedgl. 1155.


Verzeihen Sie werthester E. Bruder, daß sSie so spät die Biographie des Br.
Romulus erhalten. Reisen, Unpäßlichkeiten, Geschäfte und andere Zerstreuungen
haben sie verzögert.

Zuerst eine kurze Skizze von seinem Karakter.

Romulus ist in hohen Grad ein sanguinischer Mensch. Sein Körper ist gesund
ohne sehr stark zu seyn, seine Organisation äusserst reizbar. Darum
wirken alle Vergnügen der Sinne, besonders Musik stark, aber nicht hef-
tig, auf ihn.

Seine Einbildung ist lebhaft, sogar malerisch; Ihre Bilder sind
sehr ausgemahlt und schön gruppirt als genau und richtig gezeichnet.
Sie ist von jeher für ihn eine grosse Quelle von Vergnügungen gewe-
sen, er über läßt sich gern ihren Vorstellungen; könnte sie noch
leicht der Realität vorziehen. Sie hat oft zu vielen Einfluß in die
Bestimmung seiner Handlungen.

Er liebt mehr Vielheit und Variatät der Vorstellungen und Eindrük-
ke, als tief in den Begriffe einzudringen, und sie genau zu entwik-
keln. Sein Geist hängt eher an Extension, als zu Intensität.

Wenn er sich anstrengt, so räsonirt er ziemlich richtig. Oft
schliest er gut auf entfernte Folgen: und übersieht die nähern. Denn
es ist mehr seine Sache das Ganze zu erblikken, als müsam Schritt vor Schritt
sich durch alle einzelne Begriffe zu dem Begriffe des Ganzen hierauf
zu arbeiten. Natürlich mangelt es darum seinen P[***], und seinen
Schlüssen an Richtigkeit. Die langsame Untersuchung aber ist ihm nicht|<2>
blos beschwerlich, sindern sie verwirrt ihn; weil sein Blik auf einen
Gegenstand gezogen wird, dieser ihm lebahfter udn sinnlicher als die andern
wird, und das ganze Verhältnis des Ganzen und folglich auch die richtige An-
sehung des Ganzen verloren geht, daher ist er glüklicher in Arbeiten die blo-
sses Raisonement, Ausführung einer Idee, als solchen, die viele Beobachtung
hinsehen. Einen Menschen genau zu beobachten und auf ihr zu wirken ist ihm
das allerschwerste. Alle Eindrükke auf sein Gefühl sind lebhaft aber
nicht heftig. Seine Leidenschaften sind gemäsigt. Im Ganzen ist er frei-
lich wenig launisch, und ich denke kein übler Gesellschafter. Er ist
gutmütig, denkt gern von jeden Menschen das Beste; sucht jedem Vergnü-
gen zu machen, jedem zu gefallen. Er ist offenherzig, zutraulich. Sein Herz
steht der Freundschaft und Liebe offen. Jeder Anschein von Wohlwollen
in andern macht ihn glüklich, und gewinnt ihn. Er überläßt sich zuviel
dieser angenehmen Gefühlen, bis zur Unvorsichtigkeit und Schwäche. Er
liebt sehr das weibliche Geschlecht, aber ein natürlicher und durch vortref-
liche Freunde gebildeter Geschmak für das Schöne und Aedle, hat seine
Sitten nie gehalten. Seine Begierden sind gemäsigt. Zuerst wünscht
er das Beste denen die er um sich sieht. Dann kommt sein Vergnü-
gen, daß leider oft die Oberhand behält. Dann Ehre, deren Wunsch
auch wohl in Eitelkeit ausartet.

Sein Hauptfehler ist zu viel Weichheit des Karakters. Da-
her Unbeständigkeit in seinen Wünschen; Nachlässigkeit, Imbestimmt-
heit in seinen Handlungen. Er kennt sich; bessert immer an sich und
findet sich am Ende doch immer wie er war. Beschäftigung, Wirksamkeit
ist sein Heilungsmittel und sein beständiger Wunsch.

Nun seine an sich wenig interessante Geschichte:|<3>
Als ein Knabe bis gegen sein 14tes, 15tes Jahr war diese ganze Karakter
im Kleinen schon in seiner Seele. Sehr viel Gutmütigkeit, Lust zum Lernen,
ziemliche Fähigkeit, und eine äusserst lebhafte Einbildungskraft; Diese war im-
mer beschäftigt, neue Bilder zu sammeln, die sie sich vollends alsmalte,
in ihr Sistem [***], um ein ganzes daraus zu machen. Gegen die Zeit
der Mannbarkeit ward er schwermütig, fast wie neuerlich die Empfindsamen.

Diese wichtige Epoche hatte für Romulus nichts besonders; sie waren
aber wie bei jedem Jüngling an sich sonderbar genug. An allen fülte
er ein neues Interesse; Eine unruhige, unbestimmte Aktivität durch-
strömte sein ganzes Wesen. Er beschäftigte sich in diesem Alter mir wich-
tigen ernsthaften Studien, Mathematik mit wahrer Leidenschaft; Er reißte, und
bekam dadurch früh Begriffe von machen Dingen, und legte für einige Wich-
tigkeit auf sich. Seine natürliche Neugierde ward durch diese seine ersten Be-
obachtungen sehr verstärkt; und Politik war von dieser Zeit an sein Lieb-
lingsstudium.

Im 18. Jahr kam er auf die Universität. Die 2 Jahre, die er dort zu-
brachte, änderten nichts wesentliches in seinem Karakter. Wenn die Seele mit
Wissenschaften beschäftigt ist so ist sie es weniger mit sich selber, noch weniger
kann sie aussen Handlungen vornehmen; und was bestimmt wohl mehr die Ei-
genschaften der Seele, als Beobachtung seiner Selbst, oder Aktivität? Mehr Ernst
und mehr Fähigkeit sich anzustrengen; folglich mehr Derbheit; das ist die Folge des
Studiums, nicht der Wissenschaften.

Er kam nun von den unabhängigen Universitäts Leben zurük in die
Welt. Sein Geist war nunmehr sich selbst überlassen, und kehrte auf sich zu-
rük. Er arbeitete viel an sich selber; vielleicht zu viel, weil sein Kopf und
Herz in Streit geriethen, und dadurch eine ziemliche Konfusion entstand. Er ward
um diese Zeit sehr andächtig. Eine seiner glüklichsten Lebens Epochen! Wenn nicht|<4>
Ungewißheit und Ängstlichkeit sie gestört hätten. Endlich kam er nach lan-
ger Unruhe und Zweifeln, und Räsoniren auf einen Schluß! Seine Augen
öfneten sich. Er fand ohne recht zu wissen wie ihm geschah, daß seine
Begriffe, seine Art die Dinge um ihn anzuschauen verändert waren.
Begriffe die ihm sonst dunkel waren, zeigten sich nunmehr hell und
bestimt. Er sah den Zusammenhang der Dinge weit anders als in seinen
Knaben und Jünglings Jahren. Seine Denkungsart fixirte sich; er
ward beherzt zu untersuchen und zu handeln. Er bekam Achtung für
sich selbst, und fülte sich nun einen Mann.

Nun ging er wieder auf Reisen. Hätte er izt handeln
können! In einer solchen Lage ist Wirksamkeit nicht blos nüzlich; Sie
ist nötig! Er ward um diese Zeit in den E.O. aufgenommen. Seine
damalige und jezige Denkungsart darüber ist Ihnen Erh. Br. bekannt.

Der Nuzzen dieser neugeöfneten Aussicht war sehr groß für ihn.
Ausserdem daß sie seinen Geschmak an Schönen und Ädlen erhöhet
gab sie seinem Geist einen neuen Schwung, einen sehr interessan-
ten und ernsthaften Wirkungskreis und fixirte den Gesichtspunkt un[***]
dem er die vorkommenden Gegenstände ansah. Er reißste in der Ab-
sicht, die politischen Verfassungen zu studiren. Sein Eifer war
gros, und der Erfolg entsprach ziemlich seinen Wünschen. Er sam-
melte sich Kenntnisse, und lernte Staaten beurteilen. Er fand Freu[nde]
die ihm seine Arbeit erleichterten. Seine Jugendfreundschaften
wurden izt fester geknüpft, und sehr benuzt.

Am Ende des ersten Jahres gieng es ihm unglüklicher; Seine
Arbeit fand mehr Schwierigkeiten, und weniger Unterstüzzung.
Vergnügungen vielerlei Art bescheftigten ihn einige Zeit und|<5>
entnervten seine Seele auf lange hinaus. Nichts ist schädlicher als diese
Unvermögenheit, sich mit wichtigen Dingen zu beschäftigen, beson-
ders wenn man schon daran gewohnt ist. Eine verschlenderte Woche
wirft den Geist auf Monate zurük.

Er kam von seinen Reisen zurük und that einige Monate
lang nichts bestimmtes. Eine schädliche Ruhe, die hauptsächlich die
Folge einer innern Ungewißheit war.

Nun ward er sein eigener Herr. Es ist sehr merk-
würdig daß er bis jezt immer unter einer sehr vernünftigen Aufsicht
gestanden hatte. Er war also nicht Herr seiner Handlungen,
konnte die Verwirrungen guter und bosen Folgen der Jugend
und der Verwirrungen nicht fülen, handelte selten allein.
Sorglosigkeit, Nachlassigkeit musten davon die Folge seyn.

Er kam hier auf zu dem ädlen Verulam[1], wo Sie E. Br.
ihn kennen gelernt haben. Die Wirksamkeit die er dort ge-
noß, Verulams Umgang, und der E.O. sezten seine Gei-
steskräfte wieder in Bewegung; Aber noch fült er die Wunden
die ihm Mangel an Wirksamkeit beigebracht haben und verlangt
nichts sehnlicher als Tätigkeit, und Arbeit.

Notes