D-Q5164

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Commentary

Die Aufklärung habe viele wohltätige Wirkungen. Bei vielen, vielleicht sogar den meisten Menschen überwögen jedoch die Nachteile in Bezug auf Moralität und Glückseligkeit. Ein Blick auf die ungebildeten Vielleser beweise dies. Es sei im Sinn der Menschheit, wenn gegen dieses Übel vorgegangen würde. Zensur ungeeigneter Literatur sei jedoch nicht das Mittel der Wahl. Die Freiheit zu drucken und zu lesen müsse unbedingt erhalten bleiben. Stattdessen solle vor der falschen Aufklärung gewarnt werden, auch - und darum bittet Bohn - innerhalb des Ordens.

Transcript

Erlauchte Obere!

Die Aufklärung, welche sich seit einigen Jahren im-
mer weiter verbreitet, hat neben ihren sehr wohl-
thätigen Wirkungen für die Menschen, oft auch bey
vielen, und vielleicht bey den meisten, welche sich auf ge-
klärt zu seyn dünken, sehr nachtheilige für die Mo-
ralität und Glückseligkeit. Dieß beweisen die Er-
eignisse, welche wir an denjenigen beobachten, welche,
ohne gehörig vorbereitet zu seyn, alles lesen, was
gedruckt wird, und in wundergrosser Einbildung
von sich selbst, von ihrer Philosophie und Menschen-
kenntnis, doch im Grunde nur unmoralischer wer-
den. Es ist daher gewiß ein sehr dringendes An-
liegen für die Menschheit, daß den nachtheiligen
Wirkungen der falschen Aufklärung entgegengear-
beitet wird, und wenn es mit Glück geschehen soll,
dieß Uebel in seinem Ursprunge angegriffen
werde. Zwar ist es unmöglich und unschicklich,
unsrer Lesewelt den Schwalle verderblicher Bücher
ganz vorzuenthalten. Denn dieß Mittel würde
ein noch ärgeres Ueber wieder bringen, und dasjenige
ist, welchem abgeholfen werden soll. Nein!
Freyheit zu dencken und zu lesen muß bleiben.|<2>
Aber gut wäre es doch, wenn mehr als bisher vor
dem Misbrauche, vor den Blendungen der falschen
Aufklärung gewarnet und überhaupt so wohl
öffentlich als insgeheim die Aufmerksamkeit
auf Untersuchung des Begriffs und Wesens
der wahren Aufklärung erweckt würde, Das
Nachdenken darüber würde nicht allein an
sich schon seht nützlich seyn, sondern auch die
zweckmässigsten Mittel zu Beförderung der
wahren, und zu Verhinderung der falschen
auffinden und empfehlen helfen. Man wür-
de anfangen von der, Abgrunde zurück zu
beben, welchen unser Zeitalter, voll Zweifel
sonst an allem Alten, voll Eigendünckel und
blinder Anhänglichkeit an allem Neuen, ent-
gegen läuft. Ich glaube daher nichts vorlau-
tes zu thun, wenn ich Sie bitte, unsere Ver-
bundenen auf was, was Aufklärung u. Nichtauf-
klärung ist, aufmerksam zu machen, damit von
diesen Untersuchungen die practischeren Resultate
unter unsern Zeitgenossen verbreitet werden u. diese sich jene
als Zeigestangen daß den Scheidewege der Glück-|<3>
seligkeit bedienen mögen. Auch nur eine kleine
Hülfe wird besser seyn, als gar keine. Syrac.
den 15ten Bahman 1154.

Spanheim

Notes