D-Q6121

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Commentary

Transcript

Ihr Q.L. vom Tirmeh hat mir wahren Kummer ge-
macht. Kummer über die Veranlassung, und Kummer
über die Klage selbst! Ehe ich aber weiter ein
Wort darüber dage, muß ich Ihnen die Versicherung geben,
dass ich hier mich ~~~~ von allen Vorurtheilen
frey zu machen suchen werde als ich es geruhe ~~~
zu seyn, niocht ohne Grund hoffen darf; daß ich auch
wahrhaftig kein Mitglied Ihrer Kirche, oder über-
haupt Ihres Sprengels bin; daß ich, wie wie ~~~~tlich
schon aus Erfahung wissen, mit allen meinen Zu-
schriften nichts andres neabsichtige, als Ihr wahres
Bestes. Ich bitte Sie also, lesen Sie, was ich sage, mit
Ruhe und Gelassenheit, überlegen Sie es mit Kälte,
denn Wir sprechen, als vertraute Freunde unter
4 Augen.

Vor allem nehme ich mit aufrichtigen Herzen an
der Nachricht Theil, daß Sie sich in kränklichen Um-
ständen befinden. Ich nehme gerne auch Rücksicht
auf die Art Ihrer Unbäßlichkeit, weil Sie sagen, solche
rühre her von galligten verdorbenen Säften!
in dem ich weiß, daß eine solche Körperbeschaffenheit
Einfluß auf den Geist haben kann; obgleich nicht
haben sollte. Da ich dabey weiß empfindlichen
und reitzbaren Gemüthes sind: so halte ich es mir jetzt
für erlaubt, manches wegzulassen, was ich Ihnen
unter anderen Umständen, meiner Pflicht gemäß,
sagen müßte Jedoch, so wie Sie, als Seelsorger,
sich durch keine Betrachtung so leicht werden abhalten
lassen, einen Kranken, der Ihre Zuspruch verlangt
auf seine Gemüthsverfassung aufmerksam zu machen:
ihm nicht über seine ~~~~~~~en werden,
so kann und darf ich Ihnen auch nicht verhehlen,
daß Ihre sehr grossen Empfindlichkeit, so gut, wie sie
folge Ihrer galligen Säfte seyn, aber auch Ursach
ihrer Fortdauer auf die Zukunft werden kann.

Wie kann ich also umhin, Ihnen aufrichtig zu sagen,
daß es zu Ihrer Genesung, als die kräftigste Arzney
mitwirken wird, wenn Sie überhaupt von keinen
Menschen, am wenigsten aber von Brüdern so
leicht glauben wollen, sie haben die Absicht Sie
zu beleidigen! Eine solche Absicht birgt unter|<2>
zehn Mal, vielleicht unter Hundert, da unsre Em-
pfindlichkeit es wähnt, nicht Einmal zum Grunde
und gesetzt, unser Stolz hätte zuweilen Recht, warum
wollen wir nicht lieber eben diesen Stolz zu unserer
eigenen Ruhe wirksam seyn lassen? M[arcus] A[urelius] Antonin[1]
sagt hierüber in seinem 4ten Briefe, Abschnitt 9[2] gar treffend
"Laß die Einbilund fahren; so fällt die
"Klage weg: ich bin beleidigt. Klagt doch nicht:
"ich bin beleidigt, so ist auch keine Beleidigung
"vorhanden." Ihrer Ruhe, Ihrer Glückseeligkeit
wegen unterdrücken Sioe Ihren Hang zum Mißtrauen
und Verdacht! Wenn wir nicht manches unabgemessene[3] Wort
im Umgange (Im Schreiben ist es schon
ein wenig anders) manche handlung, manche
Miene an andern übersehen und dulden wollen,
mein Himmel! wie ängstlich vorsichtig müßten
wir dann auf die unsrigen seyn! und dennoch[4] würde
es uns nicht immer glücken, und wir würden
noch immer der Duldung anderer bedürfen. Wir
werden bey allem, auch den thätigsten Streben nach
Vollkommenheit, noch immer menschliche Unvoll-
kommenheiten behalten. Und kein Superior
wir sich von dieser Wahrheit ausnehmen wollen,
ausgenommen werden können. So viel heute
vom Allgemeinen. Zum besondern in Ihrem Q.L.

Unser Superior, sagen Sie, ist bekanntermaasen
von jähzornigem, auffahrigten Charakter. (Ich
wußte das nicht! Seit Jahren höre ich von Ihnen darüber
die erste Klage) sucht durch die Äusserung desselben
vorgefaßte Meinungen oder Beschlüsse zu behaupten
und wird dadurch nicht selten höchst beleidigend.

Ich bitte Sie, , sehen Sie einmal kalt und unpar-
theyich die Ausdrücke: "sucht (als planmäßg)
vorgefaßte Meinungne und Beschlüsse" zu ~~~zten,
--wird nicht selten höchst beleidigend! --
Sie denke doch dieses einem Superior der Ihrigen
zu sagen, und ist es in dieser Rücksicht micht
weit stärker, als Sie selbst wünschten behandelt
zu seyn? Ich bitte Sie, mein Bruder, nicht aus
der Acht zu lassen, daß ich aus und nach nichts anerm
urtheile, als nach Ihrem eigenen Aufsatze. -- Gegen
vorstehende Nicht selten, führen Sie eine Erfahrung
an, und was für eine? Bey der Sie vor sich selbst
sagen, daß Sie einen Gedanken mit Lebhaftigkeit
zu unterstützen suchten
-- Lebhaftigkeit ist oft
ein|<3>
gemilderter Ausdruck für Heftigkeit. Zugegeben
daß Sie und Bruder Spannheim Recht hatten, daß
es besser sey, ein wohlfähiges[5] Subjekt durch die Minerval-
Classen zur Fr[ey]M[aure]rey. vorzubereiten, so wundert
es mich, daß dieses nicht ~~gen Vorschlage des
Bruder Hoppens[tedt] zur Fr[ey]M[aure]rey, die doch erst vor Ihrem in
den M[inerval]M[a]gist[r]at geschehen ist, vorgebracht worden
sey?[6] Damals war es diue rechte zeit. Jetzt war
es zu spät, und hatte, als specieller Fall behandelt
allen Anschein von Rechthaberey. Denn hatte
der Superior als Mensch geirrt, so war ein
brüderlich befinden Erinnerung, schicklicher
als eine lebhafte Behauptung selbst nur lebhafte[7] Aufüh-
rung
des Gesätzes. Und dennich hat de Superior
diese ihm unangenehm seyn müssende (wenn er
gar geglaubt hatte, seyn sollende) lebhafte, obgleich
"aus vielerley Absichten gut gemeinte Behauptung,
seinen Unwillen verdeckt. (Das heißt keinen gezeigt
und also bloß Voraussetzung daß er unwillig gewesen,
oder billiger noch dem natürlichen Laufe der Dinge,
über eine gewisse große Lebhaftigkeit die gegen
keinen Superior so gar schicklich ist, hatte seyn müssen
weil Sie an seiner Stelle so empfunden haben
würden!)

Wenn Ihre Anmerkung: "man müsse in Vergrös-
serung des Magistrats wohl etwas behutsam seyn:
nicht mit einer höchst freundschaftlichen, brüderlichen
Miene (die man nach dem geschriebenen Worten nicht beurtheilen
kann) gesagt würde; son war sie wirklich für den
Super[ior] höchst beleidigend; und wenn Sie sagen er sey
bekanntermaßen jähzornig, so hätten Sie ihm nach
dem was schon vorher Lebhaftes vorgefallen
zumal eben nicht dieFrage war, einen zu introduci-
renden Mitgliede des Magistrats war, dessen Anmerkung
wohl sparen können. Den wenn Sie die Worte
"wohl etwas behutsam wirklich gesaht haben; so kann
darunter nicht gut anders verstehen, als: man
ist bisher gar nicht behutsam gewesen. Daß Sie
das nicht haben sagen, und sowenig dem Superior
und den gegenwärtigen Mitgliedern, sondern als auch
den abwesenden Brüdern, die zu dieser Wahl mit
concuriren, einen Mangel an Gewissenhaftigkeit
und Klugheit haben vorwerfen wollen, glaub ich;
aber, es liegt doch darinn; das werden Sie gestehen!|<4>

Ihre Anmerkungen ferner "Hätte ch ja etwas zu lebhaft gesprochen, welches
"doch so natürlich als in unseren Versammkungen nothwendig ist,
"wenn nicht auch due besten Vorschläge ohne Wirkung bleiben sollen" ist
"eben so hart für die Versammlung, als übereilt. Und
wenn es darum weil es Ihnen natürlich ist nicht soll
gefühlt und gemißbilligt werden, wenn Sie zu lebhaft
sind, so müssten Sie besonders es nicht auffallend
fnden, wenn der Superior hitzig sprichtm da sue ja sagen,
derselbe sey (wenigsten Ihnen) bekanntermaaßen jäh-
zornig; und also sey es ihm natürlich. Übrigens
aber thäte[8] mirs Leid, wenn in ihrem Discussionen
Lebhaftigkeit mehr wirkte, als Gründe! Wenn
Sie sagen, auffahrichtes Wesen und Correction be-
förderten das Ansehen des Cens[ors] publ[cus] nicht: so ist
das gewiß eben so wahr, vor dem Ansehen des Superiors.
Wenn einmal vom Ansehen die Rede seyn soll.
 

Gern lasse ich Ihnen die Gerechtigkeit widerfahren,
daß ich aus ihren QQLL nicht ersehen habe,
daß Sie das Ganze dirigieen wollten! Das aber
Sie von andern gegen sich große Delicatessen
verlangen, habe ich schon einige Male anmerken
müssen. Selbst dann noch zu grosse, wenn Sie
auch alle mögliche Delicatesse in ihre Worte und
Handlungen gegen andere beobachteten. Wie
unruhig und also unglücklich muß das Leben eines
Menschen werden, der doch immer noch mit einigen
inneren Feinden zu kämpfen hat, und dabey noch gleichsam
wie eine Schildwache auf dem Posten, jedes äussern
Geräuschs seines Feindes halt, und Werda! ruft! |für die Näherung[9]

Warum erwarten Sie, dass der Superior von jemandem
gegen Sie eingenommen worden seyn müsse?
Haben Sie denn Feinde unter den Brüdern? Ich
habe deren als Basilius gewiß noch nie etwas
bemerkt Über Ihr: Gerippe zu einem Geister-
system
[10] ist etwas vorgekommen, Ja! aber gewiß
nichts feindseeliges
, sondern brüderliches. Das
nur kann ich jetzt darüber sagen. Und für heute führe ich nur[11]
dieses an um Ihr Gemüth über den
Gedanken, daß sie unter Br[üdern] Feinde hätten zu
beruhigen. Der Superior konnte ja allerley
Sachen im Kopfe haben (als Basilius kann ich das
freylich anders wünschen, aber er hat ja mehrere Verhält-
nisse, als mit Ihnen, und ist Mensch) die Ihm den|<5>
dieser Anzeige, mit dieser (gegen einen Superior äusserst
harten Anklage? Wenn Ihre Worte "daß dem erl[auchten]
Super[ior] ja kein Verdruß daraus erwachse," Ernst sind
und Ihrem Verlangen kein Genüge geschieht; so muß
er nichts davon erfahren. Was meinen Sie aber sollen
alsdann die ältesten Vorsteher des Ordens thun? Bloß
den Verdruß haben, auf ihre einzigen Äzußerungen zu glauben, es gehen
in Syracus Unordnungen vor, deren sie nicht abhelfen
können? Wollten Sie das? so hätten Sie Verdruß ohne
Nutzen veranlasst. Oder meinen Sie, die
ältesten Vorsteher des O[rden]s sollten durch mich und meine unsichtbare Hand
ihm Warnung und Weisung auf die Zukunft geben?
Gut! Aber Basilius kann auf keine aus der Luft ge-
grifene Vermuthungen Weisung geben, nicht den jüngsten
B[rüdern] geschweige einem Super[ior]. Das fühlen Sie. Und wie groß
wäre nicht der Verdruß des Superors, wenn er vor Fehlern gewarnt
würde, die er bicht an sich kennte, oder die man ihm nicht
mit Thatsachen anschaulich machen könnte! Wenn ein
Bruder über seinen Recipienten klagt: so hat er entweder
Recht oder Unrecht. Im ersten Falle wird der Recipiens
im zweyten Falle der sich beklagende brüderlich zurecht
gewiesen. Da betrift die Sache nur zwey Personen. Hier aber
das Wohl und Weh einer ganzen Versammlung. -- Nach
der Regel also, sollte ich Ihr Q.L. den Superior mittheilen;
denn, jemanden auf blosse Anzeige, die am Ende dich nur
persönlich ist, auch nur in Gedanken verurtheilen, wäre
dem brüderlichen[12] Geiste und den gesinnungen unseres O[rden]s
keineswegs angemessen. -- Da würde er aver antworten.
Und eine jede Sache, mein lieber Bruder, hat mehr as
eine Seite! Ich will also die Sache, fürs Erste noch,
unter Ihnen und mir heimlich halten. Da es mir
scheintm daß Ihr Aufsatz erst in der ersten Wallung
aufgesetzt sey. Gereut es Sie, ihn geschrieben zu haben:
so zeigen Sie es an, und Sie solen ihn im Originale wieder
erhalten. Bleibt es aber Ihre standhaffte Meynung,
daß durch seine unzurechtfertigende Partheylichkeit für
seine jedesmalige Günstlinge, das Gute, was sonst durch
unsere verbindung gestiftet werden könnte, gehindert
werde, und Sie verlangen das QL vim Tirmeh nicht
zurück: so muß ich es an die Behörde bringen. Das
ist meine Pflicht. Entscheiden Sie! Wir sind Menschen
und Männer und Brüder, wie Sie richtig anmerken!

Zu dem guten Fortgange des Schulmeister Seminarii
wünsche ich ihnen herzlich Glück weil es nicht anders|<6>
als Ihnen sehr großes Vergnügen machen, da es Ihr
Lieblingsgeschäft ist; für das allgemeine Beste zu
arbeiten; als dann hat er auch den Muth, sich
durch keine Schwierrigkeit von Außen hindern zu
lassen. Das fühlt, Gottlob, Ihr treuer und aufrichtiger[13] Bruder Basilius

expedirt den August
nebst dem Verlangen des Bruders Tobii
zum Copialbuch von
Marienthal

Notes

  1. Gemeint ist der römische Kaiser Mark Aurel (geb. 26. April 121 in Rom; gest. 17. März 180 in Vindobona oder eventuell Sirmium) Wikipedia
  2. Recherchieren
  3. unabgemessene am Rand mit Einfügungszeichen
  4. dennoch am Rand mit Einfügungszeichen
  5. wohlfähiges am Rand mit Einfügungszeichen
  6. Der Bezug gilt der Sitzung #
  7. lebhafte am Rand mit Einfügungszeichen
  8. thäte am Rand mit Einfügungszeichen
  9. für die Näherung am Rand mit Einfügungszeichen ohne dass klar wird, wo die Einfügung zu inserieren ist.
  10. Anmerkung nachsetzen
  11. Und für heute führe ich nur am Rand mit Einfügungszeichen.
  12. brüderlichen am Rand mit Einfügungszeichen.
  13. und aufrichtiger am Rand mit Einfügungszeichen.