D-Q6581

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  • Metadata: Item:Q6581
  • Dokument Leithandschrift: Schwedenkiste Band 13, Dokument SK13-009, soweit ersichtlich die Reinschrift von SK13-012, die sich nur in Orthographie und Hervorhebungen etwas von der Vorlage abhebt.
  • Standort: GStA PK, Freimaurer, 5.2. G 39 JL. Ernst zum Kompaß, Gotha, Nr. 111. Schwedenkiste. Abhandlungen und Geschichte, v.a. Illuminatenorden, 1757-1784
  • Doubletten:
  • SK13-012 soweit ersichtlich die Vorlage zu SK13-009
  • SK13-019 in Schrift eines professionellen Schreibers, im Text identisch, nun jedoch mit "Basilius" unterzeichnet, der Indikator dafür, dass dies eine Reproche ist.
  • Titel: "Ist der Verstand, des Menschen einziges Mittel, die Wahrheit überall zu erkennen? oder giebt es Gegenstände der Erkänntniß, wo Aucktoritäten die Stelle des nachdenckenden Verstandes da, wo dieser zur überzeugenden Erkänntniß entweder gar nicht hinreichend ist, oder Unmöglichkeiten und Widersprüche findet, so vertreten können, daß wir dergleichen Dinge, ungeachtet sie unser Verstand schlechterdings gar nicht zu begreifen vermag, dennoch glauben müssen?"
  • Autor: Johann Benjamin Koppe (Acacius)
  • Datierung: Die Außenseite der Reinschrift notieret "Mordad 1154" also August 1784
  • Bearbeiter: Olaf Simons / Markus Meumann
  • JPG:

Commentary

Transcript

Nr. 9



Ist der Verstand, des Menschen einziges Mittel, die Wahrheit überall
zu erkennen? oder giebt es Gegenstände der Erkänntniß, wo Aucktoritäten
die Stelle des nachdenckenden Verstandes da, wo dieser zur überzeugenden
Erkänntniß entweder gar nicht hinreichend ist, oder Unmöglichkeiten
und Widersprüche findet, so vertreten können, daß wir dergleichen
Dinge, ungeachtet sie unser Verstand schlechterdings gar nicht zu be-
greifen vermag, dennoch glauben müssen?

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Beyde in dieser Aufgabe enthaltenen Fragen, sind einander nicht
so entgegen stehend, daß nicht beyde gleich wahr seyn könnten.

Glaube an Aucktorität ist freylich für jeden Menschen nothwendig,
weil auch der verständigste und aufgeklährteste Mensch, nicht alles
mit seinen eigenen Augen sehen, mit seinem eigenen Verstande
ergründen kann. Diese Nothwendigkeit aber zu glauben, nimmt
genau in dem Verhältniß zu und ab: in welchem gerade umgekehrt
eigene Verstandeskräfte abnehmen und wieder zunehmen. Das
Kind muß mehr glauben, als der Mann; und der stümpfere
einfältigere Mann, mehr, als der aufgeklärtere und scharfsinnigere.
Daher kam es, das von je her die klügeren Menschen, diese Schwäche|<2>
ihrer Brüder zur Erreichung guter und böser Absichten, genuzt
haben und noch jetzt nutzen; die wahrhaft weisen und guten
zur Beförderung wahrer gemeinnütziger Aufklärung, die
listigen und bösen hingegen zur Erhaltung und Ausbreitung
des verderblichen Aberglaubens. Es ist leider ein und derselbe
Hang
zum Glauben, dem unser Menschengeschlecht seine
heiligste wohlthätigste Religion verdankt, und der im Gegentheil
wieder durch Pfaffenbetrug und magisches Gaukler-Spiel , eben so
unzählig oft Quell der gräulichsten Irrthümer und des fürchter-
lichsten Elends für Menschen geworden ist, und noch wird.
Es bleibt daher Pflicht für jeden Menschen, der seine Würde
als vernünftigdenkendes Wesen fühlt, und sie zu behaupten
wünscht,

1. seinen Verstand möglichst zu üben und aufzuklähren,
    um des Glaubens an fremde Aucktorität, so wenig
    als möglich zu bedürfen;

2. auch da, wo er zu glauben aufgefordert wird, nie
    blind zu glauben, sondern auch hier sein eigenes |<3>
    Nachdenken unabläßig zu gebrauchen, d.h. so viel
    er kann, theils die Glaubwürdigkeit des Mannes
    der Glauben fordert, theils die innere Wahrscheinlichkeit
    und Unwahrscheinlichkeit der Sache, die er glauben soll,
    selbst zu untersuchen.

3. dann aber auch, im lebhaften Gefühl der allgemeinen
    Schwäche und Eingeschräncktheit des menschlichen Verstands
    überhaupt, nie seine jedesmahligen Einsichten über
    irgend einen Punckt für untrüglich, und nie irgend
    etwas in der Welt darum für unmöglich zu halten,
    weil er mit seinen Känntnißen und seinem Verstande
    die Art und Weiße, wie es etwa möglich seyn könnte,
    nicht zu übersehen im Stande ist.


Acacius.


    Cela ne se peut, est un mot qui sort rarement
    de la bouche des Sages; ils disent plus frequemment:
    je ne sais.

    Rousseau




Notes