D-Q6658

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  • Metadata: Item:Q6658
  • Dokument Leithandschrift: Schwedenkiste Band 13, Dokument SK13-087
  • Standort: GStA PK, Freimaurer, 5.2. G 39 JL. Ernst zum Kompaß, Gotha, Nr. 111. Schwedenkiste. Abhandlungen und Geschichte, v.a. Illuminatenorden, 1757-1784
  • Titel: "Es verdient bei der forstmäsigen Behandlung der Schwarzhölzer nichts mehr die Aufmerksamkeit eines thätigen Forstmanns, als ihre selbsteigene Fortfpflanzung, durch das Ausfliegen des Saamens..."
  • Autor: Ernst Friedrich Freiherr von Schlotheim (Xenophon)
  • Datierung: Dokument undatiert
  • Erschließung: Olaf Simons / Markus Meumann
  • JPG: 4111-4117

Commentary

Eine ohne rhetorischen Überlast geschriebene Abhandlung über den Anbau von Fichtenwald – bei dem man versucht den natürlichen Samenflug zu nutzen, statt auf die kostspielige Anpflanzung von Schösslingen zu setzen.

Das Problem ist, dass der Samenflug nicht alle Jahre gleich auftritt und das überhaupt nur bedingt sicher Bäume stehen gelassen werden können, die danach hoffentlich reichen Samen tragen und optimal in der Windrichtung stehen.

Problem des Forstkenners mit der konkurrierenden Jägerei – hier müsse man dem Landeherren als Waldeigner die Kosten-Nutzen-Rechnung aufmachen.

Mir bleibt unklar, weshalb sich Schlotheim hier als Experte beweist.

Transcript


Es verdient bei der forstmäsigen Behandlung
der Schwarzhölzer nichts mehr die Aufmerksam-
keit eines thätigen Forstmanns, als ihre selbsteig-
ene Fortpflanzung, durch das Ausfliegen des Saa-
mens so viel wie möglich zu befördern. Denn
nie gedeihen angesäte oder gepflanzte Plätze
so gut als selbst angeflogen, nicht zu gedenken
daß des Säen, und vorzüglich das Pflanzen noch
ansehnliche Kosten, und oft vergebliche Mühe ver-
ursachen. Unter die Mittel deren man sich
am vorzüglichsten zu Beförderung des Anflugs
bedient, gehört die Abtreibung der Schläge von
Osten nach Westen, und die Erhaltung einiger
Brahnen[1] oder einzelner Saamenbäume, welche
jedoch, wie jede Regel ihre Ausnahmen hat, nicht
allemal anzurathen sind. Auch trägt zum Auf-
kommen des Anfluges die baldige Räumung
der Schläge, und das Ausroden der Stücke sehr|<2>
vieles bey. Alle diese Einrichtungen sind zwar
jeder Zeit zu beobachten, demohngeachtet aber
oft vergeblich, da nicht ein und derselbe Baum
jährlich Saamen trägt, und reichliche Saamen-
jahre überhaupt sehr selten sind, so daß man
oft nach 4 bis 5 Jahren Verlust zu dem Säen
oder nach Beschaffenheit des Bodens zu dem be-
schwerlichen Pflanzen seine Zuflucht nehmen
muß. Aus diesen und noch mancherley Ursachen
die ich um Weitläuftigkeit zu vermeiden hier
nicht ausführen kann, glaube ich daß für einen
Forstmann nichts wichtiger seyn könnte, als aus Er-
fahrungen, und in der Natur gegründeten Wahrneh-
mungen, voraus schliesen zu können, ob man sich
in diesen oder folgenden Jahren, an einen oder
den andern Berge, Hoffnung zu Saamen
machen, und hiernach seine Schläge machen
anlegen könne. Diese Materie verdiente aller-
dings mehr die Aufmerksamkeit der Forstver-|<3>
ständigen und Naturforscher als bisher ge-
schehen.

So haben einige aus den Absprüngen der Fichte
urtheilen wollen, daß in den Jahr wo dieselben
häufig wahrgenommen werden, ein reicher Saamen-
jahr zu erwarten stehe, ohne daß bey den übrigen
Schwarzhölzern ähnliche Bemerkungen gemacht
worden wären. Die sogenannten Absprünge
sind eigentlich kleine Seitenzweige der Fichte,
ofer alter Vorschlag, die man häufig in
der Mitte des Winters bey gelinder Witte-
rung unter den Saamentragenden Fichten fin-
det, und die diesen Nahmen deswegen erhalten,
weil man, wie wohl irrig glaubt, daß die
hervorkeimende weibliche Blüthe welche
gleichsam am Stiel dieser Zweige steht,
denselben vom stärkern Aste trennen, und
so zum Absprüngen nöthige. Allein dies scheint
mir irrig zu seyn, viel mehr glaube ich aus ge-|<4>
machter Erfahrung versichern zu können, daß sie
die Würkung einiger Thiere sind, die sich in Saamen-
jahren häufig einfinden, und die schon im vergangenen
Herbst angesezte Knospen zu ihrer Winternahrung
geniesen, mit der Tragknospe aber, den daneben-
stehenden Zweig zugleich abbeisen, und so die
sogenannten Absprünge veranlaßen. Die
wunderbare Entstehung der Absprünge hat mich
aufmerksam gemacht, und ich habe sehr oft, die Eich-
hörngen, Haselmäuse, Krünitzer,[2] und die Geschlechter
der Meisen über diesen Geschäfte angetroffen.
Diese Thiere freßen war auch die Knospen
der Tannen und Kiefern ab, aber die Beschaffen-
heit, und der Wuchs dieser Bäume und ihrer
Zweige, ist Ursach, daß eine ähnliche Er-
scheinung nicht entstehen kann. Die
Absprünge sind daher wenn man sie häu-
fig unter einem Baume findet ein Beweis,
daß derselbe den vergangenen Herbst|<5>
viel Tragknospen angesezt habe, folglich
wenn nicht andre Umstände dazwischen ge-
kommen, reichlich Saamen getragen haben
würde, ebenso wie die reichlich sich einstel-
lenden Thiere, zu einem kommenden Saamen-
jahre die sicherste Hoffnung geben. Die
genannten Thiere können aber auch wenn
sie zu häufig sich einfinden, und gewiße Bäumen
aller ihrer Knospen berauben, diese Hoffnung
vereiteln, oder die zur Blüthe Zeit öfters
wehenden widrigen Winde können ver-
hindern, daß nicht jede weibliche Blüthe
von dem alsdann ausstäubenden Mey gehö-
rig befruchtet wird. Hieraus erhellet
daß es sehr leicht kommen kann daß man
bey einem Baum Absrünge wahrnimmt
ohne daß derselbe reichlich Saamen trage.

Vorutheile sind überhaupt bey der
Jägerey nicht selten. Die alten Jäger die|<6>
sich immer mehr beflißen hirschgerecht
zu seyn, als daß sie sich den nützlichern Holz-
anbau angelegen seyn liesen, verglichen alles
mit ihrem Wildpret und behaupteten, es gebe
ein reichlich Saamenjahr wenn anhaltende
Süd-Westwinde weheten, weil alsdann
die Bäume im Walde rammelten.

Ein fleißiger Forstmann, wird also
nach meiner Meinung auf Witterung
und Absprünge aufmerksam seyn, er wird
nach der Gegend, wo er die meisten Ab-
sprünge in Fichten Wäldern bemerkt seinen Schlag anlegen,
er wird ihm die Richtung von Osten nach
West geben, wenn es die Lage des Bergs nicht
anders erfodert, weil er der Erfahrung gemäs
vermuthen kann, daß der zur Zeit der Reife
des Saamens am meisten wehende Westwind
den Saamen am häufigsten ausklopfen, und
in seinen Schlag führen wird. Bey Beobach-|<7>
tung dieses wird er nicht vergeßen alle
übrige Erfahrungen der Forstverständigen
zu benutzen, er wird seine Schläge weder
zu groß noch zu klein machen, wird Sie
erst auslichten, dann ausräumen und ausro-
den laßen, und so wird er in den mit Na-
delholz bestandenen Forsten gewiß Vor-
theil aus dieser Bemerkung ziehen, nur
höchst selten wird er in die Nothwen-
digkeit versezt werden, seinen Herrn durch
Saeung oder Pflanzungen Kosten zu
verursachen.

Notes

  1. Oekonomische Encyklopädie von J. G. Krünitz: Brahne heißt ein mit Laubholz bewachsener Rand eines Feldes, Gehölzes, oder einer Wiese.
  2. Krünitz oder Kreuz-Vogel, Loxia curvirostra, heute Fichtenkreuzschnabel.