D-Q6765

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Kommentar

Transcript

Abgerißene Gedanken.

Der Mensch steht traurig oder vergnügt auf, je nachdem
die Materie auf seinen Geist wirkt. Er ahndet dumpf
Zufriedenheit oder Beschwerde, je nachdem es die mehr
oder weniger verdünnte Masse seiner Säfte heischt.
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Wir sind sinnreich, uns stets, und oft vergebenes, zu quälen.
Unsere Wünsche und Plane werden for uns fast immer
zur Folter, weil wir entweder Dinge begehren, die sich
nie realisiren werden, oder sie aus de Acht laßen
wenn sie sich uns darbieten. Wie traurig ists, sein Leben
damit hinzubringen, der Ball seiner eigenen Täuschungen
zu seyn, und zu sterben ohne seinen Irrthum eingesehen
zu haben!
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Wenn man überlegt, daß zwischen uns und dem Tode
oft nur die Scheidewand eines schwachen Fäserchens ist,
wo bleibt dann der Muth, noch auf stolze Entwürfe
zu sinnen?
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Hoheit und Größe muß man nur von Ferne sehen.
Wer sich von dem Wirbel seines Zeitalters hinreißen
läßt, verdient unser Mitleid; er bereitet sich mehr
Verdrießlichkeiten als er Anfangs wähnt, und nichts
entschädigt ihn für den Verlust, nicht sich selbst
gelebt[1] zu haben.
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Das Leben der Menschen ist eine Masse von Furcht,
Hofnungen, Widerwärtigkeiten, Entwürfen, Geschäften,
Krankheiten, wo sich hier und da ein Augenblick Freude
an[?]hängt, der oft Schmerz und Reue in seinem
Gefolge hat. Könnten die Menschen in der Geburt
anhden, was ihnen das Schicksal bestimmt, so würden
sie in den Schoos der Erde zurückkehren wollen.
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Wer keinen Kummer hat, ist dem Augenblicke näher, wo
er welchen haben wird. Wenn wir nicht für unsere Per-
sonen leiden, so leiden wir für unsere Freunde, die das
Verhängniß verfolgt, oder in unserer Einbildung, die
nur geschäftig ist, uns zu peinigen.
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Im fünften Jahre führt uns die Puppe am Gängel-
bande; im zwanzigsten, das Vergnügen; im vier-
zigsten, die Ehrsucht, im fünfzigsten die Sparsamkeit
von manchen Geiz genannt.
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In unserm Zeitalter ist mancher schon Greiß, wenn
er erst dreißig Jahre zählt, weil man in unserm
Zeitalter Vergnügen auf Vergnügen häuft. Kaum
hat man das Mittel seiner Laufbahn erreicht,
so wird man schon das Opfer seines sichen Körpers
und seiner kränkelnden Seele. Es bleibt uns
nichts mehr zu hoffen übrig, als Sättigung und
Eckel, weil wir den Begierden zu ungestüm nach-
jagten. Das Vergnügen ist der größte Mörder des
menschlichen Geschlechts.
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Jeder Abschied, kann ein Vorspiel des Todes ge-
nannt werden.
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Es giebt Leute die nicht träumen, und ich bekla-
ge sie. Eine solchen Betäubung, ist eine Art Tod;
wird aber die Einbildung von Träumen beschäftiogt,
so wird die Nacht zum Tag, und man fährt fort
seine Existenz zu fühlen. Und dies Gefühle seines
Daseyns, ist etwas sehr wichtiges für den, der
denkt.
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Der Schlag einer Uhr, ist eine fürchterliche Anzeigung.
Jede Stunde die schlägt, untergräbt unser Seyn,
und schmälert es. Man ist stolz darauf eine Uhr
zu haben, und doch giebt's nichts auf der Welt|<3>
deßen Anblick uns mehr beunruhigen sollte. So wie
ihr eilender Weise weiter rückt, ist auch die
Stunde unseres Todes weiter gerückt.
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Der ist weise, der zufrieden mit dem Lande wo
er lebt wohnt, und mit dem Tage den er lebt,
sich bloß mit dem Gegenwärtigen beschäftigt;
jeder Augenblick hat seine eigene Plage genug,
und man muß wirklich sich selbst feind
seiy, wenn man sich noch ein Fantom
von Uebeln schaft, die sich vielleicht nie realisiren
werden.

Anmerkungen

  1. vielleicht auch gelobt