D-Q8699

From FactGrid
Jump to navigation Jump to search

Commentary

Transcript

Gotha, den 11. Jan. 785.

Ich bin Ihnen noch den Dank für Ihr liebes kleines Briefchen
schuldig, theuerster Freund. Ich hätte schon längst wieder
geschrieben, wenn mein Herz über meine Zeit zu
gebieten hätte. Aber wenn ich diese auch stehlen sollte,
so darf mir Ihre freundschaftliche Correspondenz nicht
entgehen. Ich kenne so wenig Seelen, mit denen
ich in so vielen Puncten übereinstimmig denke
und empfinde, daß ich mirs nicht vergeben
würde, wenn ich dem Drange der Geschäfte und
des Weltlaufs so sehr nachgäbe, mir Ihre
einmal gegeben Hand dadurch wegziehen
zu lassen. Bleiben Sie mir ja gewogen, so
wie ich Ihnen ganz ergeben bin. Wenn \gleiche/ Schicksale
die Menschen verbinden, so glaube ich Ihnen
wenigstens darin ähnlich zu seyn, daß ich immer
vom Glück wenig günstige Blicke erhielt,
und von Menschen verkannt und betrogen
wurde. Aber noch fester muß uns die ähnliche
Laufbahn verknüpfen, und mich das er-
laubte Interesse, daß Sie zur Erweiterung mei-
nes Wirkungskreises viel beytragen können.

So viel ich merke, denkt man hier immer|<2>
richtiger, das ist, vortheilhafter von Ihnen.
Mein alter Hofgärtner, der Sie wie einen Bruder
liebt, hat mir dieses zu verstehen gegeben.
Auch dieser wünscht, so wie ich, sehnlichst von
Ihnen zuweilen Nachricht zu erhalten, und
bald die erfreuliche Nachricht, daß auch
ihr irdisches Glück so sicher gestellt sey,
wie Sie das geistige aufs Reine gebracht
haben.

Vermuthlich ist nun schon ein Theil der
Denkwürdigkeiten des Socrates aufgearbeitet.
Ich wiederhole nochmals meine Bitte, mich für
einen Verleger sorgen zu lassen, der Sie
besser bezahlt, als die im Reiche zu bezahlen
pflegen. Der den ich schon bey Ihrem Hierseyn
im Sinn hatte, ist seitdem bey mir gewesen
und ich habe ihn schon begierig auf alles
gemacht, was Sie schreiben werden. Dieser
Mann heißt Göschen, wird jetzt unter Uns durch
Eginhardum – so viel ich weis – aufgenommen, und
Aemilius hat \mit/ ihm auch schon über ein Werk, das
er ihm geben will, accordiret.

Ihrem Freunde Drexl habe ich noch nicht geschrieben
aus Furcht; weil man vom Bayerlande|<3>
gar zu grausame Dinge hört. Sagen Sie mir doch,
ob ichs wagen darf, oder ob ich etwa meine Br[iefe]
an Sie einschließen soll?

Ich bitte nochmals um eine baldige Nachricht von
Ihrem Befinden, und wenn Sie sonst etwas haben,
daß mich, als einen aufmerksamen Zuschauer
des menschlichen Lebens, wenn ich weiter nichts
thun kann, interessirt, so lassen Sie mich
es wissen, und rechnen auf meine
unveränderliche Treue und Ergebenheit

Ihr Becker

Wollten Sie einige Ihrer jungen Freunde
auf die von Uns aufgegebenen Preisfrage
aufmerksam machen, wovon ich die Anzeige
hier beylege?

Notes