Item talk:Q14200

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<folgende Informationen: Julia Schmidt-Funke> Pädagoge, Bibliothekar, geb. 14.6.1726 in Langenau (Oberlausitz), gest. 2.9.1800 in Gotha.

Leben

Der aus einer lutherischen Pfarrersfamilie stammende Geißler wuchs in Görlitz in der Lausitz auf, wo sein aus Altenburg gebürtiger Vater Johann Daniel Geißler (1680-1760) Stadtpfarrer war. Die Familie der Mutter Johanna Friederike, geb. Nicius, war bereits seit längerer Zeit in Görlitz ansässig.

Geißler besuchte das städtische Gymnasium Augustum in Görlitz, das der u.a. auf dem Gothaer Gymnasium ausgebildete Wolffianer Friedrich Christian Baumeister als Rektor leitete. 1744 begann Geißler ein Studium an der Universität Leipzig, wo er 1748 den Magistergrad erwarb, 1750 legte er eine altertumskundliche Dissertation zur Ikonographie der römischen Göttin Concordia vor. Prägend wurde für Geißler während seiner Studienjahre der enge Kontakt zu dem Altphilologen und Reformpädagogen Johann August Ernesti, der in später auch nach Gotha empfehlen sollte.

Nach einer kurzzeitigen Anstellung als Hofmeister in Leipzig kehrte Geißler 1751 nach Görlitz zurück, um Konrektor des dortigen Gymnasiums zu werden. Seit 1755 war er dort Aufseher der Milichschen Bibliothek, die heute Teil der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften in Görlitz ist. Geißler fertigte für sie einen sammlungsgeschichtlichen Abriß und eine Bestandsbeschreibung an. 1768 veröffentlichte er die pädagogische Reformschrift „Kurzer Unterricht, wie ein junger Mensch auf Schulen sein studium christlich und vernünftig einrichten könne“, die an Ideen Ernestis anschloss und mit der sich Geißler vermutlich für den Gothaer Rektoratsposten empfahl.

1768 wurde Geißler durch Vermittlung Ernestis als Rektor an das Gymnasium in Gotha berufen. Dort bestand dringender Reformbedarf, weil nach dem Tod Gottfried Vockerodts in der Ära Cyprian eher traditionelle Schulkonzepte verfolgt worden waren.[1] Geißler setzte hier eine Reihe von Reformmaßnahmen um, stieß dabei aber trotz der Unterstützung des seit 1772 regierenden Ernst II. auf Widerstände seitens der Lehrerschaft und des vorgesetzten Schulkollegiums, so dass nicht alle Vorhaben von Erfolg gekrönt waren.

Möglicherweise war dies einer der Gründe dafür, dass Geißler 1779 den Ruf auf das Rektorat der Fürstenschule zu Schulpforta annahm, eine renommierte Lehranstalt, die – in der Nähe Naumburgs auf albertinischem Territorium gelegen – eine kursächsische Kaderschmiede darstellte. Als solche überstieg sie das Renommee des Gothaer Gymnasiums bei Weitem, so dass Geißlers Wechsel zweifellos als Aufstieg zu werten ist. Auch in Schulpforta setzte Geißler seine Reformbestrebungen fort.

1786 bot Ernst II. dem Sechzigjährigen die Nachfolge des verstorbenen Bibliothekars Schläger als eine „retraite honorable“ an.[2][3] Als Vertrauter des Herzogs übte er dieses Amt bis zu seinem Tod aus.

Geißler starb am 2. September 1800 an der in Gotha aufgetretenen Ruhr, seine Frau starb wenige Tage nach ihm. Beide wurden auf dem heute nicht mehr erhaltenen Mittleren Gottesacker bestattet.

Netzwerke

Da Görlitz und die Oberlausitz vom Prager Frieden (1635) bis zum Wiener Kongress (1815) zum Kurfürstentum Sachsen gehörten, wuchs Geißler als kursächsisches Landeskind auf. Dies war sowohl für seinen Studienort Leipzig als auch für seine spätere Tätigkeit in Schulpforta relevant. Zugleich spielte es aber möglicherweise auch eine Rolle, dass die Familie väterlicherseits aus dem Altenburgischen stammte und damit aus einem dem Gothaer Herzogtum zugehörigen Landesteil.

Geißler gehörte nicht zuletzt aufgrund seiner verwandtschaftlichen Beziehungen zu einem Netzwerk von Pädagogen und Theologen. Seine Ehefrau stammt aus einer Görlitzer Pädagogenfamilie; ihr Vater gab 1753 ein erstes Physikbuch für den Schulgebrauch heraus.[4]

Die in der Herzog August Bibliothek erhaltenen Briefe an den Wolfenbüttler Bibliothekar Langner weisen darauf hin, dass Geißler auch bibliothekatische Kontakte pflegte.

In Gotha gehörte Geißler der Gemeinnützigen Gesellschaft an. Schlichtegroll zufolge soll er mit Adam Weishaupt befreundet gewesen sein; Mitglied des Illuminatenordens und der Freimaurerloge wurde aber 1785 nicht er, sondern sein Sohn Johann Georg Geißler.

Zu seinen Freunden gehörten nach Schlichtegroll weiterhin die Generalsuperintendenten Koppe und Löffler, der Buchhändler Ettinger, sein Nachfolger im Rektoramt Döring sowie der Bibliothekar Jacobs und Schlichtegroll selbst.

Die Verbindung zu Ernst II. war eng. Der Herzog soll sich täglich in die Bibliothek begeben haben und mit Geißler geraucht haben. Als Geißler starb, soll dies den Herzog sehr mitgenommen haben.[5]

Bedeutung für Gotha

Geißler führte während seiner ersten Amtszeit als Rektor umfassende Reformen am Gothaer Gymnasium illustre durch. So reduzierte er die Zahl der wöchentlichen Lehrstunden und versuchte für die oberen Klassen, ein Kurssystem zu etablieren, das den Schülern Wahlmöglichkeiten eröffnen sollte. Beeinflusst vom Philanthropinismus, kam es Geißler darauf an, die Schüler zur Selbstständigkeit zu erziehen.

"So lange als man annoch mit der Erlernung der allerersten Gründe beschäftiget ist, findet keine Vorbereitung und Uebung statt, sondern genaue Aufmerksamkeit in den Lehrstunden, und unermüdetes Wiederholen zu Hause sind höchstunentbehrlich. […] Ist aber durch Aufmerksamkeit und Wiederholung der Grund tüchtig geleget worden, so muß in Verbindung mit diesen beyden, durch Vorbereitung und Uebung das Gebäude selbst angefangen, und durch die letzte, Zeit Lebens daran fortgebauet werden. Die Vorbereitung bestehet darinne, daß man ein Pensum vorhero, ehe es erkläret wird, durchlieset und Achtung giebt, was man in demselbn verstehe, und nicht verstehe. […] Sobald man aber den größten Theil des noch zu erklärenden Pensi vor sich selbst verstehen kann, und durch einige Uebung überzeugt ist, daß man sich in seiner Erklärung nicht irret, so ist es am besten, wenn man es nämlich haben kann, sich nicht weiter das ganze Pensum, sondern nur den unverständlichen Theil erklären zu lassen, bis man endlich dahin kommt, daß man der mündlichen Erklärung ganz entbehen kann, und sich durch Nachschlagen der darzu erforderlichen Bücher, oder druch eigenes Nachdenken selbst zu helfen weis." (Geißler, Kurzer Unterricht, S. 94-97)

Geißler durchbrach die Vorherrschaft des klassischen, auf imitatio basierenden Lateinunterrichts, indem er eine auf das Inhaltsverständnis gerichtete Lektüre propagierte. Zugleich maß er dem Griechischen größeres Gewicht zu und integrierte auch das Studium archäologischer Sachquellen in den altsprachlichen Unterricht. Gleichzeitig förderte er die naturkundlichen Fächer. Viele dieser Maßnahmen erwiesen sich als richtungsweisend für das Gothaer Gymnasium; das Kurssystem bewährte sich allerdings nicht. Kurt Schmidt, der 1924 das Gothaer Wirken Geißlers würdigte, charakterisiert ihn als einen Pädagogen, der „Vernunft, Religion und altsprachliche Bildung zu vereinigen suchte“ und damit „zu den Vorläufern des Neuhumanismus im Schulwesen“ gehörte.<ref>

Für die Sammlungsgeschichte Gothas ist vor allem Geißlers zweite Gothaer Amtszeit von Bedeutung. Hatte er sich bereits als Rektor des Gymnasiums der Schulbibliothek (seit 1769 Nominalkatalog durch J. G. Kirsten) und der Begründung einer Schülerhilfsbücherei (Armenbibliothek) zugewandt, war er nach seiner 1786 erfolgten Rückkehr aus Schulpforta für bedeutende Anschaffungen zuständig. Schlichtegrolls Nekrolog zufolge war der Ankauf von Handschriften und Inkunabeln im Auftrag Ernsts II. sogar die Hauptaufgabe seines Amts, da die Bibliothekare J. W. Hamberger (der Jüngere) und Friedrich Schlichtegroll die laufenden Bibliotheksgeschäfte ausführten. Erworben wurden u.a. Bestände der in der Revolutionszeit säkularisierten französischen Klöster.

Geißler stand dabei im Kontakt zu dem Agenten Jean-Baptiste Maugerard, der seit 1794 im Kontakt mit Ernst II. stand und der ihm zahlreiche Handschriften aus ehemaligem Klosterbesitz verkaufte. Naturwissenschaftliche Werke waren allerdings nicht darunter. Solche erwarb Geißler aber im Auftrag Ernsts II. von dem Schwiegersohn des Danziger Naturforschers Johann Philipp Breyne.

Geißler war zudem an der Errichtung eines besonderen Kabinetts für Handschriften und alte Drucke beteiligt.

Werke (Auswahl)

Für die Bedingungen residenzstädtischer Wissensproduktion ist es ein wichtiger Befund, dass Geißlers Werke als Gelegenheitsschriften, d.h. als gedruckte Festschriften zu dynastischen und/oder schulischen Anlässen erschienen und bei den jeweiligen ortsansässigen Druckern entstanden (Fickelscherer in Görlitz, Reyersche Schriften in Gotha) sind. Sie liegen in der Forschungsbibliothek zusammengebunden in einem Band vor, der den handschriftlichen Titel „Geissleriana“ trägt (FBG P 2435).

altertumskundlich

  • Dea Concordia ex monumentis veteris, Leipzig: Langenhem 1750 (Dissertation, über die Darstellungen der Göttin Concordia auf römischen Münzen und Bauten; mit einer Skizze des Forum Romanum und Umzeichnungen von Münzen)
  • Praefatio prolusionibus de Concordia in numis Thesauri Fridericiani deinceps edendis Praemissa, Gotha: Reyher 1769.
  • Particula prima recensionis numorum Thesauri Fridericiani, in quibus Concordia laudatur, 3 Teile, Gotha: Reyher 1769 (über Concordia-Darstellungen in der herzoglichen Münzsammlung).
  • Concordia In Argento Romano, Leipzig: Sommer 1780 (über Concordia-Darstellungen auf römischen Silbermünzen) Digitalisat der SLUB Dresden.

Datei:Geißler_Concordia_Titel.png

historisch

  • Annales et nummi Fridericiani, Gotha: Reyher 1772.

pädagogisch

  • De spectandis per methodum didacticam ingeniis, Gotha: Reyher 1767.
  • Von dem Einfluss der göttlichen Vorsehung in das langsame Wachsthum der Wissenschaften, Gotha: Reyher 1770. Auszug
  • Collectae, de intempestina stili exercitatione, in unum locum, magistrorum artis, sententia, Gotha: Reyher 1770.
  • De tuenda graecarum et latinarum literarum dignitate admonitio, Gotha: Reyher 1770.
  • Praecognita ad caput historiae literariae universae de ortu et progressu studiorum literariorum, Gotha: Reyher 1771.
  • De minutiarum in doctrina liberali studio admonitio, Gotha: Reyher 1771.
  • Zufällige Gedanken von der künstlichen und gekünstelten Erziehung, Gotha: Reyher 1772.
  • Betrachtungen über die spielende Erziehung, Gotha: Reyher 1772.
  • De inutili doctrinarum in docendo divortio commentatiuncula, Gotha: Reyher 1773.
  • Betrachtungen über die Grundpfeiler einer gemeinnützigen Erziehung, Gotha: Reyher 1773.
  • Recensio scholarum ad utramque linguam pertinentium quae nunc in Gymn. Ill. Gothano habentur, Gotha: Reyher 1777.
  • Praecognita ad caput historiae literariae universae de fatis disciplinarum, Gotha: Reyher 1778.

bibliothekarisch

  • Kurze Nachricht von der bey dem Görlitzischen Gymnasio Augusto befindlichen Armenbibliothek, Görlitz: Fickelscherer 1765.
  • Geschichte und Bestandsbeschreibung der Milich’schen Bibliothek in Görlitz, 4 Teile, Görlitz: Fickelscherer 1764-67.

philologisch

  • Novarum lectionum Pliniarum particula, Gotha: Reyher 1771. (Anmerkungen zu Plinius)
  • Scholia ad Virgilii Georgica, Gotha: Reyher 1773. (Anmerkungen zu den Georgica, den Gedichten zum Landbau von Virgil)

Handschriftliche Überlieferung

  • 15 Briefe 1781-1798 an den Wolfenbütteler Bibliothekar Ernst Theodor Langner, Briefsammlung Langer, HAB Wolfenbüttel.
  • 17 Briefe 1785-1800 an den Jenaer Philologen Heinrich Carl Abraham Eichstädt, Nachlass Eichstadt, ThULB Jena.
  • 2 Briefe 1791-1800 an den Karl August Böttiger, Teilnachlass Böttiger, GNM Nürnberg.
  • Briefwechsel mit Herzog Ernst II., erwähnt bei Schmidt, 1924 – Überlieferungslage derzeit noch ungeklärt.
  • Tagebuch aus der Rektoratszeit, erwähnt bei Schmidt, 1924, S. 85 - Überlieferungslage derzeit noch ungeklärt.
  • Bestallungsurkunden etc. im Staatsarchiv Gotha.

Literatur

zeitgenössische Nekrologe

  • Friedrich Schlichtegroll, Nekrolog auf das Jahr 1800, Jg. 11, Bd. 2, Gotha: Perthes 1805, S. 87-114.
  • Friedrich Jacobs, Vermischte Schriften I, 1823, S. 87-100 (Abschiedsrede im Gymnasium zu Gotha).
  • Friedrich Jacobs/ Friedrich August Ukert, Beiträge zur älteren Literatur oder Merkwürdigkeiten der Herzoglichen öffentlichen Bibliothek zu Gotha I, 1, 1835, S. 43-51.

biographische Studien

  • Kurt Schmidt, Ein Gothaer Schulreformer des 18. Jahrhunderts, in: Heinrich Anz (Hg.), Gotha und sein Gymnasium. Bausteine zur Geistesgeschichte einer deutschen Residenz. Zur 400-Jahrfeier des Gymnasium Ernestinum, Gotha: Perthes 1924, S. 67-95.
  • Gerhard Pachnicke, Gothaer Bibliothekare. Dreißig Kurzbiographien in chronologischer Folge, Gotha: Landesbibliothek Gotha 1958, S. 14-15. PDF in der DBT.
  • August Beck, [Art.] Geißler, Johann Gottfried. In: Allgemeine Deutsche Biographie 8 (1878), S. 528.
  • Hans Lülfing, [Art.] Geißler, Johann Gottfried, in: Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 159 f. Online-Version

Portraits

Datei:Geißler_Grabrelief.png

Grabrelief von F. W. E. Döll auf dem ehemaligen Friedhof II der Stadt Gotha. Dieser wurde 1968 geräumt. Einige Grabmäler wurden dabei gerettet. Ob das Grabmal der Eheleute Geißler dazugehört, wäre noch zu recherchieren.

Nachweise

  1. Schmidt, Schulreformer, S. 69
  2. Ernst II. an Geißler, 22.6.1786, zitiert nach Pachnicke, Gothaer Bibliothekare, S. 15.
  3. 1787-03-07 Meldung Gothaische Gelehrte Zeitung: Geißler zum Direktor der Herzoglichen Bibliothek berufen in Nachfolge von Schläger
  4. Vgl. Digitalisat der zweiten Auflage von 1767.
  5. Reichard, Selbstbiographie, S. 320-312.