D-Q6615

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  • Metadata: Item:Q6615
  • Dokument Leithandschrift: Schwedenkiste Band 13, Dokument SK13-046
  • Standort: GStA PK, Freimaurer, 5.2. G 39 JL. Ernst zum Kompaß, Gotha, Nr. 111. Schwedenkiste. Abhandlungen und Geschichte, v.a. Illuminatenorden, 1757-1784
  • Titel: "Leben Churfürst Friedrichs III. oder des Weisen"
  • Autor: Carl Wilhelm von Buchwald (Fridericus sapiens)
  • Datierung: ohne Datierung, indes als Standardaufsatz zum eigenen Ordensnamen in den Gang der Quibus Licet einzuordnen.
  • Bearbeiter: Olaf Simons / Markus Meumann
  • JPG: SK13 (349-376)

Commentary

Buchwald schreibt über seinen Namenspatron eine deutlich auf dessen Bedeutung als Beschützer Luthers ausgerichtete Biographie, die zeitweilig in Luther das eigentliche Objekt findet.

Der gesamte Aufsatz ist ohne Quellenangabe verfasst und ohne eigene Reflexionsebene des Verfassers angeboten. Im fehlt ebenso ein Spiel konkurrierender Bewertungen. Die Darstellung ist lutherisch orthodox und anti-schwärmerisch bis in Details der historischen Wertung hinein – wie etwa die kuriose Passage einer Bewertung der Jerusalem Wallfahrt Friedrichs. Das Unternehmen grenzt an für den Protestanten eitle Reliquienverehrung:

    Eben zu dieser Zeit hielt Churfürst Friedrich III. eine Wahlfahrt nach dem heiligen Grabe und konte sich ohnerachtet er übrigens sowohl an Klugheit als Weißheit so manchen Fürsten übertraf dennoch nicht von einem so eiteln Wahn abhalten laßen eine Reise zu unternehmen, die mit so vieler Gefahr verbunden und von so wenigen.

Transcript

Leben
Churfürst Friedrichs III. oder
des Weisen

Friedrich der Weise gebohren 1463. und
unter den Churfürsten seines Hauses der
dritte, war seiner äusern Gestalt nach
ein Herr von sehr guter Bildung und von
verhältnißmäßigen nervenhafften[1] und
wohlgerundeten Gliedmaßen. Eben so sehr
zeichnete er sich nach damaligen Zeiten
in der Artigkeit der Sitten und des Be-
tragens besonders aus, den Beynamen des
Weisen erhielt er nicht sowohl deswegen
weil er mehrenteils die kernichsten Denck-
sprüche im Munde führte wovon Zinckgräf
eine ganze Sammlung geliefert, [2] sondern
weil viel mehr alle seine Handlungen
einige Schwachheiten ausgenommen wovon
sich auch kein Mensch je frey sprechen wird
mit kluger Überlegung und Vorsichtigkeit
unterstützt waren. Er wandte alles an
was nur zu sein und seiner Unterthanen|<2>
Wohlfahrt abzweckt, er war ein Freund des Friedens
ohnerachtet er sowohl ritterliche als kriegerische
Uebungen unterhielt um sein Volck beständig
in einer guten Ordnung und wo nöthig in
gehöriger Bereitschafft zu erhalten. Weit ent-
fernt von allen Eigennutze und Habsucht legte
er das einleuchtenste Beyspiel des Gegenteils
bey der Wahl Kaysers Karl V. ab, wo er groß
müthig die auf ihm gefallene einstimmige
Wahl ausschlug, auch sogar seinen Leuten unter-
sagte irgend ein Geschenck deshalb von Karl V.
anzunehmen. Selbst auch den Schutz den er
Luthers Person jederzeit angedeyhen ließ, sind
gleichfals die redensten Beweiße seiner Groß
muth und wahren Menschenliebe, wodurch er
diesen würdigen Mann der unmenschlichen
Wuth der päbstlichen Rache entzog. Solcherge-
stalt war Friedrich, der den sämtlichen
Europäischen Mächten jederzeit von der besten
Seite bekannt war, so zu sagen der rechte
Arm des deutschen Reichs, deßen Stärcke und
Schwäche er aus dem Grunde kannte, und
bey dem er auch durch aus gleich beliebt war|<3>
Nicht weniger war er ein Freund der Wißenschafften
und Künste, und suchte gleichsam mit dem Kayser
Max. I. in der Beförderung derselben zu wett-
eifern, so wie er denn vorzüglich sich die Auf-
nahme der Geschichtkunde angelegen seyn
ließ. Solchergestalt selbst nicht leer von schönen
Wißenschafften wuste er die Gelehrten zu
schätzen und eben deswegen versagte er Sel-
bigen auch nicht leicht den Zutritt. Er war end-
lich noch ebenfals sowohl ein Freund als Kenner
der Baukunst, wovon auch noch hin und wieder
in Sachssen gegenwärtig die redensten Beweiße
vorhanden, da er z[um] E[xempel] sowohl das Schloß als
Stift und Universität in Wittenberg von Grund
aus neu erbauet, wie nicht weniger daß
ganze Schloß zu Grimma, Lochau,[3] Weimar
Colditz und Altenburg vieler andern Schlößer
nicht zu gedencken.

Eben so sehr kamen wenige Fürsten un
serm Fridrich an Milde und Wohlthätigkeit
gleich, selbst mit Verbrechern die das Leben
verwürckt hatten, hatte er viel Mitleiden, und
es kostete ihm viel Überwindung wenn er|<4>
ein Todes Urthel bestätigen solte, so wie er
auch sorgfältig bemüht war daß einem jeden zu
seinem Rechten verholfen wurde.

Seine Räthe, denen er einmal sein Vertrauen
geschenckt, und deren Rechtschaffenheit er erprobt
hatte hielt er auch ungemein Werth und versorg-
te sie reichlich, pflegte sie auch gewöhnlich seinen
Reichthum zu nennen, doch ließ er sich nie von
Ihnen beherrschen noch einnehmen; kurz Friedrich
machte sein wahrer erhabener Charackter zum
Titus seines Volcks.

Gegen sein Geschwister bezeugte er jederzeit die
gröste Zärtlichkeit und Zuneigung, deshalb er
auch mit seinem Bruder Johann während seiner
ganzen Regierung sich auch nicht einmahl verun-
einigt, auch keiner von beyden nur irgend je.
mals einen Diener in seine Dienste nahm der
den andern etwan zu wieder gewesen wäre.

Nachdem ich dieses schwache Gemälde vorange-
schickt, so gehe ich nunmehro zu der eigentlichen
und näheren Geschichte Friedrich des Weisen über.

Friedrich folgte seinem Herrn Vater Ernst a[nn]o
1486. in der Chur, und in denn [!] übrigen Landes
Antheilen. Seinem Bruder Johann ließ er die
Chur Angelegenheiten ausgenommen, an allen
Regierungs Geschäften jederzeit Antheil nehmen.|<5>
Seine erste Sorgfalt wandte er auf die Ausrot-
tung aller sich zeither eingeschlichenen auswärtigen
geringhaltigen Müntzen, obgleich seine gutgemeinte
Absicht bey weiten nicht gänzlich ihre Erfüllung
gereichte. In eben diesem Jahre war er auch
noch bemüht durch eine besonders dazu verord-
nete Commißion die besten Maasregeln zu
treffen wie alle dem Hauße Sachßen ange-
hörigen Archivalische Urkunden am sichersten
aufbewahret würden.

Hierauf wandte er in dem folgenden 1487. Jahre
seine gänzlichen Bemühungen auf das Schenn-
berger Bergwerck[4] und nahm solches in Beglei-
tung seines Herrn Bruders Johann und Herzog
Albrecht selbst in Augenschein, ertheilte auch
zugleich zum besten und Aufnahme deßelben
die besten Verordnungen.

In ebengedachten Jahre wurden beyde Linien
des Haußes Sachßen vom Kayser Friedrich III. mit
allen ihren Chur und übrigen Land und Leu
ten zu Nürnberg beliehen; wobey zugleich fest
gesetz [sic] wurde daß wenn Friedrich nebst seinem
Herrn Bruder ohne Leibes und Lehns Erben
abgehen würde, sowohl das Churfürstenthum|<6>
als Herzogthum nebst Zubehör auf das Alberti-
nische Hauß fallen solte, wobey sie auch zugleich
die kayserliche Bestätigung aller ihrer Privilegien
und Freyheiten erhielten. Friedrich und sein
Bruder Johann schloß ferner in diesem Jahre mit
dem Pfalzgrafen Georg am Rhein eine Lebens
wierige Vereinigung, desgleichen kahm auch noch
ein ähnlicher Verein zwischen gedachten Herrn
Brüdern, dem Herzoge Albrecht den Beherzten,
dem Churfürsten Johann, deßen Brüdern Friedrichen
und Sigismund zu Brandenburg und dem Erz-
bischoff Herman zu Köln mit Einverständniß
des Domkapituls zu Stande, welche sich auf die
Lebenszeit des Erzbischofs erstreckte; zuvor aber
war gleichfals auch die Erneuerung der
Erbvereinigung zwischen den Chur und Fürst
lichen Häußern zu Sachßen, zu Brandenburg
und den Landgrafen in Heßen, Wilhelm dem
Ältern, Wilhelm dem Mittlern, und Wilhelm
dem Jüngsten auch sonst der Reiche genannt
zu Stande gekommen, der aber erst 33. Jahre
nachher in seiner Erfüllung ging.

Außerdem machte Churfürst Friedrich III. zu
der dem Kayser Friedrich III. gegen dem König
Matthias in Ungarn versprochenen Reichshülfe|<7>
die nöthigen vorläufigen Anstalten.

Solchergestalt befestigte nun Friedrich durch Bünd-
niße die innere Sicherheit und half die wichtigsten
Reichsgeschäfte glücklich betreiben, allein dem schänd-
lichen Wucher mit auswärtigen geringhaltigen
Müntzen konte er noch nicht steuern. Er ließ des-
halb 1488. unter den Beytritt des Albertinischen
Haußes ein geschärftes Ausschreiben wegen
dieser sich immer mehr und mehr eingeschlichenen
schlechten auswärtigen Münzen ergehen, worin aus
drücklich bestimmt wurde, was für Sorten eigentlich
als gangbar erkannt, und wie hoch einige Fremde
angenommen werden solten. Jedoch alle diese
vortreflichen Maaßregeln wolten dennoch nicht
fruchten und dauerte die dermalige Verwirrung
bis 1492. wo sich der Erzbischoff Ernst zu Magde-
burg ins Mittel legte und die Sämtlichen Irrun-
gen solchergestalt beygelegt wurden.

Im Jahre 1491 errichtete Friedrich nebst seinem
Herrn Bruder und dem Herzog George in Vollmacht
seines Herrn Vaters Albrecht des Beherzten den
Oschatzer Vertrag.[5] In dem gleich darauf folgenden
Jahre schien es als wolten sich zwischen der Krone
Böhmen und dem Churfürstlichen Hause einige Miß-
Verständniß äusern; wozu der für zwey Jahre|<8>
erfolgte Todt des Königs Matthias in Ungarn die
Veranlaßung gab, doch wurden die Schwierig-
keiten zu beyder Zufriedenheit baldigst wieder
beygelegt.

Ende dieses 1492. Jahres ertheilte Friedrich III.
nebst seinem Bruder Herzog Johann der Stadt
Jena die Erlaubniß auf Egidi[6] einen Jahr, Vieh
und Pferdemarkt zu halten; desgleichen verleg-
ten Sie den von Churfürst Ernst der Stadt Neu-
stadt an der Orl[7] zu halten zugestandenen Jahr
Markt, auf Petri Kettenfeyer,[8] und dieses zum
Vortheil des Orts weil auf erst gedachten Tage
schon in der Nähe verschiedene Märckte gehalten
wurden.

In dem darauf folgenden 1493. Jahre verkauf-
ten beyde Herrn Brüder das Amt Krayenberg[9]
nebst Zubehör an Hannsen von Goldacker[10] für
6000 Rheinische Gülden erblich und wurde ihm
solches als ein Mannlehn verliehen.

Eben zu dieser Zeit hielt Churfürst Friedrich III.
eine Wahlfahrt nach dem heiligen Grabe und konte
sich ohnerachtet er übrigens sowohl an Klugheit
als Weißheit so manchen Fürsten übertraf den-
noch nicht von einem so eiteln Wahn abhalten
laßen eine Reise zu unternehmen, die mit so
vieler Gefahr verbunden und von so wenigen|<9>
Nutzen war. Zuvor aber errichtete er zu Torgau
ein Testament worin er im Fall er auf der Wahl-
fahrt mit Tode abgehen sollte seinen letzten Wil-
len verordnete, auch noch vor seiner Abreise
aldort den Grundstein bey Erbauung der Kirche
zum heiligen Kreuz legte. Unter vielen andern
Begleitern nahm er auch vorzüglich denn noch
jezt so berühmten Maler Lukas Kranach[11] sonst
Müller genannt[12] mit, damit ihm dieser die
merckwürdigsten Gegenden und Aussichten
zeichnen solte. Während der Abwesenheit des Chur-
fürsten starb Kayser Friedrich III. zu Linz in Osterreich
dem Maximilian folgte. Bey der Ankunft Friedrichs
zum heiligen Grabe ward er von dem in seinem
Gefolge befindlichen Heinrich von Schaumburg[13] der schon
ehedem da gewesen und bereits Ritter des Heiligen
Grabes war gleichfals zu selbigen geschlagen.

Auf dem in der Deutschen Geschichte 1495.
unter Kayser Max. I. so merckwürdigen Reichs-
tag zu Worms zeichnete sich Friedrich der Weise
unter den fünf in Person anwesenden Chur-
fürsten vorzüglich aus und ließ das gemeine
Beste sich unter allen am angelegensten seyn.
Auch erhielt Friedrich nebst seinem Bruder wie
auch dem Herzog Albrecht dem Beherzten bey diesem|<10>
Reichstage von dem Kayser Max. I. über ihre Lande
die Lehe.

Im Jahr 1496. muste Friedrich und Pfalz als
Kayser Max. I. seinen ersten Zug nach Italien
hielt das ihnen zu kommende Reichs Vicariat[14]
übernehmen. Bey Gelegenheit des zu Worms
in Vorschlag gebrachten Reichs Raths, oder Reichs Re-
giment welches 1500 zu Stande kam, ward ge-
dachter KChurfürst Friedrich von dem Kayser
Max. I. die Reichsstatthalterschafft besonders auf-
getragen wo er zu Führung dieser Würde
6000 Gulden jährlich Gehalt erhielt doch dauerte
dieses nur bis a[nn]o 1502.

Nach diesem ward Friedrich abermahls von oft
gedachten Kayser zum eigentlichen Reichs Statthalter
ernannt nachdem Selbiger im Jahr 1507 einen
abermahligen Zug nach Italien übernahm bey
welcher Gelegenheit sich selbige nicht blos auf die
Lande so unter dem Sächsischen Vikariate mit
aus dehnte, welches er auch mit vielen Ruhm ver-
waltete.

Ohnerachtet allen diesen so verwickelten Reichs-
Geschäfften versäumte Friedrich dennoch nichts
desto weniger den innern Wohlstand seines
Landes auf die thätigste Weise zu befördern.|<11>
Er war ferner bedacht den durch die Mönche in
duncklen gebliebene Wißenschafften in beßere
Aufnahme zu bringen und legte zu dem Ende
a[nn]o. 1506. die hohe Schule zu Wittenberg an, wor-
über er den auch sowol vom Pabst, als Kayser
die Bestätigung und Privilegien erhielt. Er
selbst wohnte der feyerlichen Einweihung gedachter
Akademie bey, und bestelte seinen Leibartzt
Docktor Martin Polach von Mellerstadt[15] der mit
ihm in Jerusalem gewesen zum ersten Rector
derselben. Die Stiftung dieser hohen Schule ward
nachhero die erste Veranlaßung wodurch der damals
übertriebenen Tyranney der Päbste den ersten Stoß
beygebracht wurde.

Kurz vorher trat Friedrich auch noch den damals
erneuerten Churfürstlichen Verein bey indem die
in vorigen Verein befindlichen Churfürsten bis
auf Chur Trier Sämtlich mit Tode abgegangen.
Der Kayser Max. I. gab dem Hauße Sachsen gleich-
fals aufs neue Merckmale seiner Gewogenheit,
indem er Friedrich III. nebst seinem Bruder die
Anwarthschafft auf die Lauenburgischen Lande er-
theilte.

Ohnerachtet des bestätigten gemeinen Landfriedens
errichtete Churfürst Friedrich III. nebst seinem Bruder|<12>
Johann mit dem Bischof Lorenz zu Würzburg im Jahre
1508. gewiße Vertheidigungs Bündniße. Allein dem
ohnerachtet sah es außerdem noch immer mißlich
aus und die angesehensten Fürsten mußten sich
dennoch von Zeit zu Zeit Befehdungen von gerin-
gern ausgesetzt sehen. Dieses bewog den auch
Friedrich III. außer schon gedachten Bündnißen
ähnliche mit Churfürst Ludewig von der Pfalz
und mit Friedrichen deßen Bruder, desgleichen
mit dem Herzog Ulrich von Würtenberg zu
errichten.

Zu eben dieser Zeit war es wo Tezels[16] als aus-
schweifender Ablaß-Krahm und Luthers Eifer für
die Wahrheit nach und nach ganz Europa in
Bewegung setzten, und wo nunmehro der wich-
tigste Zeitpunkt der Regierung Friedrich III. sei-
nen Anfang nimt. Die Gelegenheit hierzu war
daß der Pabst Leo X. aus dem Mediceischen Hauß
der übrigens viele persönlich gute Eigenschafften
besaß, durch den Hang der Wolluß und Üppig-
keit und der dadurch nothwendig entstandenen
verschwenderischen Lebensart auf anderweitige
Vermehrung seiner Finanzen dencken mußte;
wozu den der Cardinal Lorenz Buccius[17] ein
Mann von schwarzen Character und der alles|<13>
über den jungen Pius vermochte gar bald behülf-
lich war und ihm des halb die Ausschreibung
eines Ablaßes in der ganzen Christenheit
wodurch er seine Kaßen in Kurzen zu füllen in
Stande seyn würde vorschlug; welchen Vorschlag
dieser mit beyden Händen annahm. Wobey hierauf
Johann Angelus Arcinbold[18] als apostolischer
Bothschaffter und Johann Tezel als deßen Unter-
Kommißair a[nn]o. 1516. angestellet wurden. Die-
sen so schändlichen und der Menschheit entehrenden
Ablaß Kram wiedersetzte sich nun Docktor
Martin Luther ein Augustiner Mönch und offent-
licher Lehrer der Gottesgelahrtheit zu Wittenberg.
Hiervon bekahm Tezel gar bald Nachricht, und
verdammte sofort Luthern als einen Erz-Kezzer
drohte Selbigen mit der Inquisition und ließ
sogar zum Schrecken bereits einen Scheiterhaufen
auf dem Markt zu Jüterbock[19] errichten. Luther
nicht zaghaft ließ hierauf gegen diese Mißbräuche
des Ablaßes im Jahr 1517. 95. Sätze an der
Schloß Kirche zu Wittenberg anschlagen.

Denen mehresten Weltlichen Fürsten und Grosen
war weil man ohnehin schon lange nicht mehr
mit den Verfahren des päbstlichen Hofes zu frieden
war dieß Unternehmen Luthers nicht weniger|<14>
als zuwieder. Allein der Erzbischof Albrecht von
Maynz und Magdeburg war ganz anderer
Meynung und veranlaßte daß Tezel Luthern
durch den Doktor Wimpina[20] zu Franckfurth an
der Oder 106. Sätze an zwey Disputationen[21]
entgegen stellen ließ, welche aber ohne Luthers
Wißen und Willen durch die Studenten in
Wittenberg verbrannt wurden. Luther selbst
wolte im Anfange nichts weniger als durch sei-
ne Sätze jene große Reformation errichten
die am Ende hieraus erfolgte, sondern es
war ihm blos damals um Wahrheit zu thun.
Wie sich aber der General Vikar Staupizen[22] die-
sen seinen guten Absichten bey dem Pabst Leo X.
wiedersetzte, so gab er hierauf eine Erklärung
seiner Sätze heraus, worin er die gänzliche
Nichtigkeit des Ablaßes bewies; hier nun erhielt
sein Feind Priorias[23] Gelegenheit sich an ihn zu
rächen und brachte es bey dem Hieronymus
Bischofen zu Askoli,[24] und Auditorn der Rota[25]
dahin daß Luther nach Rom vorgeladen wurde.
Friedrich III. der diese persönliche Erscheinung
für Luthern zu gefährlich hielt, brachte es beym
Pabst Leo X. dahin, daß er von dieser so bedrück-
lichen Reise verschont blieb. Indeßen bestärckte
Leo X. a[nn]o 1518. durch eine neue Bulle die Wür-|<15>[26]
reich bekannt gemacht, und eine Menge Abschriften
davon an die Bischöfe in Deutschland umher gesandt.
Allein in Sachßen bereits eines Beßeren belehrt,
that sie die erwünschte Wirkung nicht. Luther
der aus diesen neuern Verfahren mehr als zu
wohl sich sein Urtheil sprechen konte, Appellirte
von neuen und zwar dieses mahl an vom Pabst
an die Kirchen Versammlung. Diese Appellations
Schrift Luthers verbreitete sich gar bald fast
in ganz Deutschland. Sie fand Beyfall und Leos
Bulle ward für null und nichtig erklärt. Nach
diesen letzt gewagten Schrift Luthers der allerdings
etwas kühn war, muste er nunmehro allerdings
auf seine Sicherheit Bedacht nehmen, besonders
da er erfuhr, daß von Rom bereits der Befehl
abgegangen daß man sich seiner Person be-
mächtigen solte und ihn nach Rom liefern. Nun
hätte er Sachßen verlaßen wen nicht Friedrich
ihm den Befehl ertheilt sich nicht zu entfer-
nen nebst der Zusicherung, seiner fernern Huld
und Schutzes.

Nach dem Hintritt Kaysers Max. I. trat Friedrich
a[nn]o 1519 das Reichs Vikariat zum zweyten mal an,
welches er fünf Monathe verwaltete, worauf die |<16>
neue Kayserwahl zu Franckfurth erfolgte, wozu sich
als Mitwerber dieser höchsten Reichswürden der Kö-
nig Franz I. in Frankreich[27] und der König Karl
von Spanien[28] Max Enckel einfanden; da aber bey-
de zu mächtig waren, so suchte man sich ihrer
dadurch zu entledigen, daß man Friedrich den
Weisen einstimmig erwählte, der aber diese
Wahl großmüthig ausschlug und es durch sein
Ansehen beym Reich dahin vermochte daß die
einstimmige Wahl auf König Karl von Spanien
fiel. Viele geben auch nach als Gründe an
warum Friedrich diesen so glänzenden Posten
ausgeschlagen, daß er schon zu selbigen Zeiten
mit der Reformation umgegangen, die er
sich aber als Kayser nicht getraute durch zu
setzen, daß kann man dieser Vermuthung um
deswillen nicht füglich glauben bey meßen
weil teils Luthers Angelegenheiten damals
noch viel zu weit aus fahend waren, teils sel-
biger aber auch würcklich damals schwankend
war ob er Luthern seinen weitern Schutz fer-
ner angedeihen laßen wolte; vielmehr mochte
ihm wohl seine Klugheit an die Hand geben
daß wenn zur Tragung einer solchen Bürde
seine Schultern zwar nicht zu schwach wären|<17>
er doch bey den Besitz seiner kleinen eingeschränck
ten Staaten die Mittel zur Unterstützung des
kayserlichen Ansehens zu schwach finden möchte. Zum
Beweiß seiner größten Uneigennützigkeit dient
auch noch hier angeführt zu werden, daß er
auch nicht einmahl die ihm von den neu er-
wählten Kayser aus Erkenntlichkeit angebothe-
nen 300'000 Gülden, andere sagen 100'000.
Dukaten[29] angenommen, und über dieß seiner
Dienerschaft bey Verlust ihrer Dienste daß ge-
ringste anzunehmen untersagte.

Sein bisher dem Reichs Vikariat unbeschadet
geführte Reichsstatthalterschafft, behiehlt Friedrich III.
immer noch bey; ja sie wurde ihm auf seine
ganze Lebenszeit bestätiget. Und hierin soll auch
nach Müllers Bemerkung[30] der Grund zu suchen
seyn warum der Churfürst den Adler auf seinen
Müntzen prägen läst.

Inzwischen hatte Leo X. Karl von Miltiz[31] Domherrn
zu Mainz und Meißen päbstlicher Kämmerling
als Botschafter 1518 nach Deutschland in Betref Luthers
abgesandt, um wenn er Selbigen etwan nicht
habhaft werden könte den Churfürst Friedrich we-
nigstens zu bereden daß er ihn aus seinen Lan-
den verbannen mochte, zu dem Ende ließ ihn
Leo auch durch gedachten Botschafter eine geweihte|<18>
güldene Rose überreichen. Allein alles dieses
that bey Friedrich nicht die gewünschte Wirkung,
indem nunmehro sein andächtig blinder Eifer
den er auf der Reise nach Jerusalem bewiesen
ihn nicht mehr anklebte. Da er also solcherge-
stalt nichts gegen Luthern vermochte so sprach er
selbst mit ihm über die besten Mittel zur Bey-
legung der bisherigen strittigen Punckte nebst
Versprechen daß er beym Pabst alles dazu bey-
tragen würde sich hierzu geneigter wie sonst
zu beweisen; wozu Luther den auch gleich ver.
sprach alle hülfliche Hand zu leisten.

Selbst unser Friedrich III. nahm sich hierauf
der Sache an und ließ mit gedachten Miltiz
durch seinen Rath Fabian von Feilitzsch[32] pflegen.
Allein auf päbstlicher Seite beharrte man aus
drücklich dabey daß Luther wiederrufen solte,
worauf sich Selbiger aber durchaus nicht einließ.
Es ward hierauf Friedrich III. von Seiten Trier
angemuthet Luthern nach Coblenz verabfolgen
zu laßen. Allein Friedrich III. fand hierbey wegen
die Sicherheit Luthers zu viel Bedencken welches
Mitliz aber auch selbst wiederrieth weil sich
eben damals der noch immer heftige Kardinal
Cajetan[33] daselbst aufhielt, man hielt des halb die|<19>
Ladung zurück und meldete vorläufig daß er
zuförderst ehe etwas weiter vorgenommen werden
könne sich mit dem Churfürst von Trier zuvor
in Franckfurth besprechen wolle.

Inzwischen bekam Herzog Georg von Sachsen ein
heftiger Verfechter des Pabstthums den seltsamen Ein-
fall, wieder den Willen des Bischofs Adolf zu Mer-
seburg[34] wie auch der Akademie zu Leipzig zu ver-
statten daß Johann Eck, [35] und Docktor Karlstadt[36]
nebst Luthern mit einander zu Leipzig disputiren
durften ohnerachtet vorgedachter Bischoff von Merse-
burg Adolf aus dem Hause Anhalt, ein anderer
päbstlicher Eiferer auf Anordnung des Pabst bey
Vermeidung des Banns es untersagte; woran sich
aber Herzog Georg wenig kehrte; allein der Erfolg
dieses Streits war abermahls ohne allen Nutzen.

Miltiz hatte indeßen an diesen nichts bedeuten-
den Streit keinen Antheil indem er noch immer
hofte mit Luthern auf eine gütliche Art abzukom-
men. Zu dem Ende ersuchte er auch den Churfürsten
jenen zu befehlen daß er sich nach Liebenwerda
begeben möchte, wo er sich schmeichelte in den
mehresten Stücken mit Selbigen einig zu werden,
sodann dem Churfürst von Trier von den Verlauf
Nachricht zu ertheilen und die gänzliche Beylegung
der Sache ohne großen Nachtheil Luthers zu befördern.|<20>
Es ward verstattet und Luther fand sich gleichfals
bereitwillig jedoch war der Erfolg abermahls ohne
Nutzen. Luther fuhr indeßen fort durch mehrere Schrif-
ten den Layen die Augen zu öfnen, worüber
sich den [sic] Miltiz beym Churfürst Friedrich III. beklag-
te und Selbigen bath, jenem Einhalt zu thun.
Allein Friedrichs Antwort fiel für Miltizen nicht
nach Wunsch aus. Kurz alle Bemühungen Miltizens
waren vergebens, denn was dieser etwan durch
seine Behutsamkeit und Feinheit zu bauen suchte,
ward auf der andern Seite von den blind päbst-
lich Gesinnten wieder niedergerißen. Allein nach
dem nun a[nn]o 1520. Pabst Leo X. vermöge einer Bulle
Luthers Lehrsätze teils als ketzerisch, teils als ärger-
lich verwarf, ihn eine 60 Tägige Frist entweder
zum schriftlichen oder persönlichen Wiederruf in
Rom setzte wo er ihm, im Erfüllungs Fall ein
sicheres Gleit versprach, im Weigerungs Fall
selbigen aber den Bann ankündigte, auch jeden
wes Standes er sey bey Verlust seiner Aemter
und Würden untersagte Selbigen in Schutz zu
nehmen, eben damals ward der erste Grund zu
der großen Reformation durch Luthern und durch
Zwingel[37] gelegt den man eben in seiner Ge-
burt zu ersticken suchte.|<21>

Luther der diesen Bannstrahl wenig scheute, wieder-
holte seine Appellation von 1518. und gab abermahls
zwey Bücher gegen die Bulle heraus, ja zuletzt that
er dem Corpus Juris Canonici gar die Ehre an
und verbrannte selbiges in Gegenwart vieler Zu-
schauer vor dem Elsterthore zu Wittenberg. [38] Andere
Städte folgten diesen Beyspiel. Luther machte hierauf
die Ursache dieser Verbrennung bekannt, und Miltizens
Geschäfft war solchergestalt beendigt, er selbst be-
kahm Rom nie wieder zu sehen und hatte zu-
letzt das Unglück in dem Main Strohm zu ertrinken.

In eben diesem so merckwürdigen 1520. Jahre
erfolgte auch noch die abermalige Erneuerung der
alten Erbverbrüderung zwischen denen Chur und
Fürstlichen Häußern zu Sachßen und dem Land-
gräflichen Hause Heßen, zu Nordhaußen.

Pabst Leo X. suchte indeßen immer mehr und
mehr durch Gewaltsame Mittel Luthers Lehre zu
unterdrücken; zudem Ende suchte er es beym
Kayser Karl V. der wegen der damaligen Lage
den römischen Stuhle nicht gerne völlig entgegen
handeln mochte dahin zu bringen daß Luthers
Schriften im ganzen deutschen Reiche so wie zu
Köln und in Brabant bereits geschehen verbrannt
werden möchten. Karl V. gab deshalb Churfürst
Friedrich III. hiervon eröfnung, zugleich rieth er ihm|<22>
Luthern um die Sache baldigst bey zulegen mit
auf den Reichstag nach Worms zu nehmen wo er
Selbigen sodann durch hiezu genugsahm geschickte
Leute verhören laßen wolle, auch übrigens dafür
sorgen daß selbigen kein Leid wiederfahre. Nur
solle er Luthern untersagen einstweilen nichts
gegen den Pabst oder den Stuhl in Rom in
Schriften zu unternehmen.

Der Churfürst Friedrich der sich bis jezt der
Sache Luthers eigentlich noch nicht angenommen
ersuchte nunmehro zuförderst den Kayser ihn
mit der Mitbringung Luthers nach Worms zu
verschonen und führte dabey an wie man über-
haupt zeither nicht mit oft gedachten Luther nach
Abrede und Versprechen verfahren, indem es
doch billig sey jemanden zuvor zu hören ehe
man ihn verurtheilen wolle. Gleichwohl habe man
ohne auf seine wiederholten Vorstellungen rück-
sicht zu nehmen unmittelbahr verfahren, und
Luther Schriften zu Cöln, Mainz und sonst ver-
brannt.

Der Reichstag zu Worms nahm hierauf 1521.
seinen Anfang und war der erste den Kayser
Karl V. hielt. Unter vielen andern wichtigen Dingen
wurde dan auch Luthers Sache in reiflicher Erwägung|<23>
gezogen und nach vielen Debatten ward endlich be-
schloßen Ihn nebst sichern Geleit durch einen He-
rold nach Worms zu berufen, welchen Ruf Luther
auch ohne Furcht befolgte. Luther ward zur Ver-
nehmung gezogen und wieder alles Vermuthen
des Churfürsten Friedrichs als welcher glaubte
daß des Kaysers Beichtvater dabey das Wort führen
würde hatte man solches Docktor Johann Eck auf-
getragen. Eck versuchte alles um Luthern zum
Wiederruf zu bewegen aber vergeblich. Der Kayser
erklärte hierauf daß fals Luther bey seiner
Halsstarrigkeit beharren solte er der Reichs Acht
schuldig sey und er ihm würcklich in Selbige zu
erklären entschloßen. Chur Trier, der Churfürst
Joachim zu Brandenburg, [39] der Herzog Georg zu
Sachsen, [40] der Bischof Hieronymus von Branden-
burg, [41] der Graf von Wertheim, [42] und viele andere
suchten ihm alle auf andere Gedanken zu
bringen, allein nichts machte ihn abwendig; da
nun der Kayser sah daß schlechterdings mit
ihm nichts auszurichten sey ließ er ihm unter
der Ankündigung eines 21 tägigen sichern
Geleits wieder in seiner Heimath zurück kehren
wobey ihm jedoch untersagt würde künftig weiter
zu predigen, lehren noch zu schreiben.|<24>

Friedrich der Weise der ob er sich zwar offent-
lich noch nicht getraute sich Luthers anzunehmen,
schätzte ihn dennoch sehr hoch und war zuförderst
deshalb auch auf weiter nichts bedacht als Luthern
in Sicherheit zu bringen weshalb er schon im
Voraus die guten Anstalten traf daß Selbiger
bey seiner retour von seinen Gefehrten getrennt
und auf das Schloß Wartburg gebracht, woselbst
er von den dermaligen Schloß Hauptmann Hanns
von Berlepsch[43] auf veranstalten Friedrichs aufs
freundschaftlichste empfangen und unterhalten
wurde. Seine plötzliche Verschwindung die sich
bald bis nach Worms verbreitete gab Anlaß
zu mancherley mutmaßungen deßen verschie-
dene Gerüchte niemanden mehr Vergnügen
als Friedrich III. verursachten. Luther hingegen
brachte die Zeit seiner Gefangenschafft mit
der Ubersetzung des neuen Testaments aus
dem Griechischen ins Deutsche zu, und schrieb
noch über dieses einige Abhandlungen über
die ärgerlichen Winckelmeßen.[44]

In eben diesen 1521. Jahre ward Churfürst
Friedrich III. nebst seinem Bruder Johann auch
wegen dem erfolgten Tode des Kaysers Max. I.
mit dem Churfürstenthum wie auch übrigen|<25>
Erblanden aufs neue beliehen und erhielt außer
dem die Erneuerung aller aller Privilegien.

So wie nun Luther zeithero eifrigst bemüht
war die bisherigen Feßeln der Römischen Gewißens
Tyranney auf der einen Seite zu zerstören und
auszurotten, so entstand zu eben dieser Zeit wie-
der eine Menge Schwärmer die sich fast vom
Gelehrten bis auf den Handwercksmann erstreckten
und die durch Luthern so edel erzielte Freyheit
bis zur Ausschweifung zu misbrauchen suchten.
Karlstadt[45] war der erste der es sich einfallen
ließ in Abwesenheit Luthers dem Pabstthum ein
Ende zu machen, und kam zu dem Ende auf den
Verwegenen Einfall in der Schloß-Kirche zu Wit-
tenberg alle Bilder zu zerbrechen und die Altäre
um zu werfen, so wie er den auch öffentlich
die Lehre Luthers vom Abendmahl wiedersprach.
Diesem Schwärmer trat gar bald Zwingeler[46] bey,
diesen folgte eine andere Art wahnwitziger Pro-
pheten welche in Zwickau aufstand. An deren
Spitze sich ein Tuchmacher nahmens Klaus Storch[47]
stelte, dem sich gar bald Zwölf Apostel und
72. andere Thoren an die Seite setzten, welchen
auch noch Markus Stübner,[48] Martin Kellar, [49] so wie|<26>
auch der berüchtigte Thomas Münzer[50] sich beygeselten.
Dieser Schwarm wagte sich bis nach Wittenberg
wo sie den ohnehin schon wanckelmüthigen Me-
lanchton[51] dermaßen in die Furcht trieben daß
er es keinesweges wagte sich Ihnen zu wieder
setzen, sondern sofort die Sache an Friedrich III.
und Luthern berichtete. Der Churfürst hierüber
selbst in keine geringe Verlegenheit gesetzt bere-
dete sich deshalb mit seinen Räthen und verschie-
denen Gelehrten, allein nach vielen Berathschla
gungen ward dennoch nichts ausgericht, und Frie-
drich der Weise getraute sich als ein Laye wie
er sich selbst zu nennen pflegte gar nicht darü-
ber zu urtheilen und gegen diese Schwärmer
irgend etwas zu unternehmen. Indeßen war
der Lerm von allen diesen Schwärmerischen
Unternehmungen auch zu Luthers Ohren gekommen
dieser entschloß sich sofort zwar ohne Vorwißen
Friedrich III. doch mit Bewilligung des Schloß Haupt-
manns sich selbst nach Wittenberg zu begeben. Hier
war er nun so glücklich nach Sieben hintereinan-
der gehaltenen Predigten[52] Karlstadt sowol als
auch Storch in einem solchen Lichte darzustellen daß
Selbige da sie nunmehro alsgemein verachtet
wurden Wittenberg alsbald verließen. Luther|<27>
hörete indeßen von nun an nicht auf zu lehren ohne
daß ihn daran die Reichsacht noch auch der Churfürst
gehindert hätten. Den Churfürsten meldete er noch
vor seiner Ankunft in Wittenberg wenn gleich auf
eine etwas sonderbahre Art sowohl seine Abreiße
als auch warum er diesen seinen Sicherheits Ort
verlaßen.

Zu eben dieser Zeit hatte es daß Ansehen als
wenn zwischen den damaligen jungen König Lude-
wig zu Ungarn und Böhmen[53] und den Chur und
Fürstlichen Häußern zu Sachßen Mishelligkeiten
sich erheben wolten, weil sich Sachßen nicht bequemen
wolte die damals wegen der bey der Krone Böh-
men zu Lehn gehenden Stücke in Meißen und
sonst bey den nunmehrigen jungen König in
Person in Lehn zu nehmen. Allein diese Sache
ward dahin gütlich beygelegt daß die Belehnung
bis zu einer andern Zeit nemlich bis a[nn]o 1543. aus
gesezt blieb.

Indeßen begegnete unsern Churfürsten Friedrich
kurz vorher ein Vorfall der ihn weit mehr als der
erste in Verlegenheit setzte, wo er durch seinen
auf dem Reichs tage zu Nürnberg[54] befindlichen Ge-
sandten Hannsen von der Planitz[55] die unange-
nehme Nachricht erhielt daß von Rom eine Weibes-
person daselbst angekommen welche suche Luthern|<28>
kennen zu lernen und ihn als einen in Rom
Verabscheuungswürdigen Menschen, mit einem
Meßer ermorden wolle. Dieser Nachricht folgte
einer unsern Churfürsten noch weit bedrucklichere
Vermöge deren Selbiger ihm meldete daß man
dergestalt gegen ihn den Churfürsten aufgebracht
sey, und solche Cabalen gegen ihn schmiede woraus
sich nur gar zu leicht befürchten laße daß man
ihn der Chur entsetzen wolle. Obgleich sich diese
Nachrichten in der Folge keines weges bestätigten
so konte Friedrich Selbigen um deswillen wohl
glauben bey meßen weil ihm nicht unbekannt
war daß der nunmehro dem Pabst Leo X gefolg-
te Pabst Hadrian VI. [56] bereits an die in Nürnberg
damals versammelten Reichsstände neue Be-
schwerden gegen denn wieder in Wittenberg
öffentlich lehrenden Luther eingegeben, und
daß oft gedachter Churfürst dieses des würck-
lich oft erfolgten Reichsbannes ohnerachtet nicht
verhindert.

Luther legte hierauf seine Mönchs Kutte ab
und verheiratete sich im 42 Jahre seines Alters
mit Katharina von Bohren[57] genannt Keßlerin[58]
eine Nonne aus dem Kloster Nimmitsch.[59]|<29>

Nach diesen Begebenheiten lebte Friedrich der Weise
nicht lange mehr, und starb nachdem er sich noch
kurz vor seinem Ende das Abendmahl unter beyder-
ley Gestalten reichen laßen an einer schmerzlichen
Kranckheit indem er mit dem Nierenstein behaf-
tet wurde auf dem Jagd Schloße Lochau im Jahre
1525. Nachdem er sein Alter auf 62. Jahre 3 Mo-
nahte 19 Tage und 4. Stunden gebracht. Sein ent-
selter Körper aber ward hierauf in der Schloß
Kirche zu Wittenberg vor dem hohen Altare bey
gesetzt.

Es sind von ihm drey Testamente vorhanden
wovon er daß eine 1493. vor seiner ersten
Reiße nach Jerusalem verfertiget. Das andere
aber 1517. und das letzte 1525. Aus den letztern
ersieht man daß da er nie verheiratet ge-
wesen er mit einer Weibesperson zwar na-
türliche Söhne erzeugt deren Namen Fritz und
Baßel von Jeßen[60] waren die er auch ansehnlich
durch Vermächtniß in letzteren Testament bedachte.
Sein Symbolum war; So viel als ich kann oder
Crux Christi Nostra Salus[61]

% [Ornament]

Frid: Sapiens

Notes

  1. Hier muss was zu diese Physiognomik gesagt werden
  2. Gemeint ist das Jagdschloss Lochau an der heutigen Stelle von Annaburg. Das ursprüngliche Schloss brannte 1422 ab und wurde 1500 von Friedrich zu einer der ersten Villen nördlich der Alpen ausgebaut. Kennzeichen war ein großer, mit einem Wall umschlossener Garten mit mehreren aufwändig gestalteten Lusthäusern direkt angrenzend an das Schloss. An den Garten schloss sich ein weitläufiger Tierpark an. In dieses Refugium sich Friedrich oft aus seiner städtischen Hauptresidenz im benachbarten Torgau zurückzog, er dort verstarb hier am 5. Mai 1525.
  3. Das Bergwerk in Schönberg
  4. Kurfürst Friedrich und Herzog Albrecht führen in Oschatz 1491 Hauptunterhandlungen zur Klärung von Gebietsstreitigkeiten durch. Der Vertrag selbst wird zu Dresden fertig gestellt, aber Oschatzer Vertrag genannt.
  5. Das heißt auf den 1 September, vielerorts ein Feiertag für Ägidius von St. Gilles.
  6. Neustadt an der Orla.
  7. St. Peter ad Vincula, dt. St. Peter in Ketten, Petri Kettenfeier, liturgisches Fest am 1. August (im Allgemeinen Kalender des römischen Ritus gebotener Gedenktag bis 1960), orthodox und armenisch 16. Januar.
  8. Das Amt Krayenberg, seit 1703 Amt Tiefenort genannt, war eine territoriale Verwaltungseinheit der Ernestinischen Herzogtümer. Es gehörte ab 1672 zum Herzogtum Sachsen-Eisenach und ab 1741 zum Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, welches 1815 zum Großherzogtum erhoben wurde.
  9. Martin Pollich von Mellerstadt, auch Mellrichstadt oder lux mundi („Licht der Welt“) genannt; andere Namenskonventionen: Marti Polich, Martinus Polichius geboren um 1455 in Mellrichstadt; gestorben am 27. Dezember 1513 in Wittenberg, Philosoph, Mediziner, Theologe und Gründungsrektor der Universität Wittenberg.
  10. Der Dominikanermönch Johann Tetzel geb. um 1460 in Pirna oder Leipzig, gest. 11. August 1519 in Leipzig, der Ablassprediger, der den Anlass für Luthers Thesenanschlag geben sollte.
  11. Muss man nochmal genauer überprüfen: Eventuell: Lorenzo Pucci geb. 16. September 1531, Bischof von Melfi von Papst Leo X. am 23. September 1513 zum Kardinal der Titelkirche Santi Quattro Coronati ernannt, Bruder des Kardinals Roberto Pucci und Onkel des Kardinals Antonio Pucci.
  12. Giovanni Angelo Arcimboldi, deutsch Johannes Angelus Arcimboldus, geb. 27. September 1485 in Mailand, gest. 6. April 1555 ebendort, Generalkommissar für den Ablass in Norddeutschland und Skandinavien, später Bischof von Novara und Erzbischof von Mailand.
  13. Das seinerzeit Magdeburgische, heute brandenburgische Jüterbog.
  14. Konrad Wimpina, eigentlich Konrad Koch geb. um 1460 in Buchen im Odenwald. gest. 17. Mai 1531 in Amorbach, Humanist und römisch-katholischer Theologe, der Verfasser der ursprünglich Tetzel zugeschriebenen Publikation.
  15. Der Augustiner und Benediktiner Johann von Staupitz geb. um 1465 in Motterwitz; gest. 28. Dezember 1524 im Stift Sankt Peter in Salzburg, Theologe, Förderer und Beichtvater des jungen Luther.
  16. unklar
  17. Hieronymus de Glimuciis, oder Girolamo Ghinucci (auch Ginucci), 1512–1518, Bischof von Ascoli und Auditor des päpstlichen Pallasters.
  18. Seite wurde nicht digitalisiert und ist nach Original transkribiert.
  19. Geldvergleich
  20. Karl von Miltitz, päpstlicher Diplomat, geb. 1490 Rabenau bei Dresden, gest (ertrunken) 20.11.1529 im Main bei Steinheim.
  21. Fabian von Feilitzsch, Rat Friedrichs III, Freund Luthers, gestorben 1538 oder 1537.
  22. <Muss die Erstschrift suchen. Dies hier ist bereits die Reaktion:> Ein Brieff D. Mart. Luth. von seinem Buch der Winckelmessen (Wittemberg: Lufft, 1534).
  23. Hans Edler von der Planitz, geb. 1473; gest 10. Juli 1535 in Weimar, Doktor beider Rechte, kaiserlicher und kurfürstlich-sächsischer Rat unter drei sächsischen Kurfürsten, Assessor beim Kammergericht zu Speyer, kurfürstlich-sächsischer Vertreter beim Reichsrat in Nürnberg und Amtshauptmann zu Grimma. Besitzer der Rittergüter Planitz, Auerbach, Göltzsch, Belgershain und Brambach.
  24. Katharina von Bora, geb. 29. Januar 1499 in Lippendorf; gest. 20. Dezember 1552 in Torgau.
  25. Das Zisterzienserinnenkloster Kloster Nimbschen, unmittelbar südlich von Grimma in Sachsen an der Mulde, 1243–1536/42.
  26. Gemeinsam mit Anna Weller von Molsdorf hatte Friedrich vier Kinder: eine Tochter ohne überlieferten Namen, und die Friedrich, Sebastian und Hieronymus von Jessen. Letzterer scheint früh verstorben zu sein, von ersterem existiert ein Bildnis, als junger Mann. Sebastian war bei den Begräbnisfeierlichkeiten anwesend. Friedrich und Sebastian wurden in der Rangfolge bei Tisch beachtet und waren als Söhne öffentlich bekannt.
  27. Das Kreuz Christi ist unser Heil.

Literatur

  • Ingetraut Ludolphy, Friedrich der Weise: Kurfürst von Sachsen. 1463 – 1525 [1984] (Leipzig: Universitätsverlag, 2006).