D-Q6672

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Commentary

Die Selbstbezichtigung „Holsteiner“ sollte es leicht machen, den Kreis der möglichen Autoren einzugrenzen.

Der Aufsatz ist unter den vorliegenden vielleicht exemplarisch wenn auch nicht typisch in der Problematik des Corpus. Er ist lang, mit großer Emphase verfasst. Ausrufezeichen auch in Serien durchziehen ihn, mehr noch: Gedankenstriche, die dem Leser Gelegenheit geben, auf die emotionale Beteiligung vor dem nächsten Wort zu warten. Der Grammatik ist flüchtig Rechnung getragen, Verben fehlen, sobald die Aussage gemacht ist, Endungen von Worten sind (in dialektaler Verwurzelung?) verschliffen. Worte werden freihändig gebildet: das der „hochaufgeschrieenen Aufklährung“, das der „beeigenthumigeten“ Grundes, oder aus dem mündlichen Sprachschatz in den schriftlichen gehoben wie das der „Trägdumheit“. Das ganze ist weidlich ungegliedert und endet mit einem etc. – der Autor könnte so fortfahren.

In der Thematik trifft sich der Holsteiner mit Carl Wilhelm von Buchwald (Essay), Sind Mängel in Jena, and können diese nicht von der Polizei gemildert werden? (SK13-098) zu Mängeln in Jena. Hier wie da geht es darum, der Bettelei und das heißt der Armut im Lande abzuhelfen. Der vorliegende Aufsatz ist an dieser Stelle der gründlichere. Es geht hier nicht um polizeiliche Maßnahmen, mit denen sich eine Stadt den Anblick von Bettlern ersparte, sondern um langfristige Infrastrukturmaßnahmen, die vor allem auf dem Land greifen sollen.

Der Verfasser vertritt dabei vertraute Positionen: Die Initiativen müssen vom Landesherren ausgehen, er geht jedoch nicht davon aus, dass Zwangsmaßnahmen und Anordnungen fruchten werden. Was fruchtet sind Beispiele und wohlmeinende Unterstützung, vor allem aber die Einrichtung förderlicher Gesellschaften, die Vorbilder setzen, und diese müssen auf dem Land ihre Arbeit beginnen, denn von hier kommt das Problem, mit dem sich die Bürger in der Stadt konfrontiert sehen. Der freie Markt erweist sich als Problemstelle. Innovationen gehen von ihm aus, doch ist die Antwort auf diese seine Macht nicht Freiheit des Marktes, sondern gesteuerte Initiative patriotischer „Vorgänger“, Vorbilder, die finanzielle Unterstützung von Projekten aus der Hoheit ihrer Gesinnung heraus leisten.

Exemplarisch wird im Rückblick sichtbar, dass hier prekär aus Prämissen gedacht wird, die dem Wort Aufklärung untergeschoben werden und mit der beobachteten Realität in einen fruchtbaren (wie aussichtslosen) Konflikt geraten. Die vorgeschlagenen Projekte wären, hätte man sie denn realisiert, gescheitert. Die zukunftsweisenden Projekte werden tauchen im gewünschten Problemlösungsweg nicht auf, und das ist hier besonders spannend, da der Autor den Blick auf die erfolgreicheren nationalen Konkurrenten legt ohne von dieser Perspektive weiter profitieren zu können.

Den Beginn macht eine Exposition des aus Preisfragen bekannten Problems: wie ist der Bettelei abzuhelfen? Man bleibe bislang am Symptom hängen: das Übel erscheine als eines der Städte, dem in den Städten abgeholfen werden müsse. Dagegen müsse auf das Land gesehen werden, das die Bettler produziert und das von ihnen noch viel schlimmer betroffen ist. Auf dem Land bedrängten Bettler den einzelnen Bauern mit Macht, ihn zu schädigen. Wer kein Almosen in Form von Brot und Eiern gibt, riskiert Rache des fahrenden Volks, Angriffe auf seinen Besitz. Man kann auf dem Land nicht wie in der Stadt die Türen vor Bettlern verriegeln und sie auf der Promenade ignorieren. Enorme Kosten entstünden den Bauern durch diese Form der Erpressung.

Ein Mittel, die Bettler in Anstellung zu bringen, wären Fabriken. Der Gedanke die Industrialisierung zu fördern wird jedoch sofort verworfen. Wo Löhne teuer sind und Rohstoffe fehlen, brauche man auch keine Fabriken – kein Gedanke an die Rationalisierungsgewinne, kein Gedanke an die Energie als zentrales Moment der Mechanisierung – das obwohl nachher noch über Holsteins katastrophale Abholzung nachgedacht wird.

Arbeitshäuser in der Verantwortung des ländlichen Kirchspiels werden die Problemlösung – eine von lokalem Konsens und Ehrbewusstsein zu tragende Lösung keine Lösung, die sich unter Marktbedingungen durchsetzen soll. Man muss in den Bauernvögten, den Dorfvorstehern und in den Kirchgeschworenen die Profilierungssucht wecken; sie sollen Gutes tun, wenn sie Werkhäuser einrichten und in ihnen die lokalen Armen beschäftigen. Ökonomische Gesellschaften sollen diese Häuser betreiben und die Ehrsucht der Verantwortlichen nutzbar machen. Der Landesherr bleibt bewusst im Hintergrund. Er darf nicht Beschlüsse durchsetzen. Die Beteiligten an den ökonomischen Gesellschaften müssen das Gefühl bekommen, hier die eigene Initiative umzusetzen:

    Der Beamte könnte hiebey sicher sein, daß die Verabredungen und Beschlüße wozu der Bauervogt in Vollmacht seines Dorfes seine freie Einstimmung gegeben, oder wohl gar selbsten Vorschläge gethan; auf das beste befolget und besorget würden, und dieses um so mehr: da hier der Beamte nicht Befehlsweise, sondern im Nahmen des Landesherren, als Vater und die Beisitzer zu ihre Dorfschaften als Brüder sprächen – der Organiste führte hiebey die Hauptrechnung, und die Schulhalter, so ihrem Dorfe beträfe. Der Landesherr hätte hiebey weiter keine Kosten, als etwa einen der Sache fähigen Mann zu halten, der jährlich einmal Diese Häuser besuchte, deren Gewerbe Verbände, und solche mit Rath an Hand ginge, und von deren Zustand gehörigen Orts Bericht erstattete.

Die Passage ist typisch, da sie den Landesherren als eigentlichen Interessenten und Adressaten der vorgelegten schriftlichen Arbeit im Blick behält – er mag im Illuminatenkreis als Zuhörer sitzen. Ihm wird klar gemacht, wie seine Beamten auf sehr viel weniger Widerstand stoßen: durch eine Beteiligung der Betroffenen auf unterster Ebene, die ihnen schmeicheln muss; und wie er dabei Geld spart.

Charakteristisch ist der menschenfreundliche antiautoritäre Zug. Er kommt noch in zwei anderen Passagen massiv zum Tragen. In der einen geht es um Zwangsverpflichtungen zu arbeiten, sie erfordern sehr viel mehr Kosten an Aufsicht:

    Gezwungene Arbeit erfordert strenge Aufsicht, und geräth dabey fast immer schlecht; hingegen eine selbst gewählte mit Lust getriebene Arbeit, braucht weniger Aufsicht, und geräth dabey größtentheil wohl, und ist zugleich die wahre glückseligkeit des Lebens.

In der anderen geht es mit einem Schuss Ursachenforschung um die Gründe, warum Menschen nicht arbeiten. Das liege zumeist an einer Vernachlässigung in der Jugend, zu der eine nicht den Neigungen entsprechende Wahl des Broterwerbs kam. Ein grundsätzlicher Optimismus muss die Thesen letztlich decken:

    Fast alle Unglückliche und Bettler genau zergliedert, hindert, sind Leute die in ihrer Jugend vernachläßiget, und entweder nichts gelernet haben, oder etwas wozu sie keine Lust und Fähigkeiten hatten. Diese Unlust entziehet ihm der Arbeit, und seiner Unfähigkeit wegen, wird er allendhalben zurücke und abgestoßen! – Da nun aber ein jeder Mensch Beschäftigung haben will und muß, so wählet er schlecht, oder geräth zum Betteln, weil er keine andere mehr findet die seinen Fähigkeiten angemeßen und seine Muße ausfüllet, um die natürlichen Bedürfniße zu befriedigen. <5121>

Auf dem Weg in die Industrialisierung werden deutlich weniger menschenfreundliche Modelle der Beschäftigung größerer Arbeitsmassen in Anschlag gebracht werden, um Arbeiten zu verrichten, die absehbar niemandes Neigungen und Fähigkeiten mehr entsprechen.

Die überkommene Ordnung – geschlossene Zünfte – erscheint als Problemfeld. Sie zwingt Menschen, die aus dem System fallen, etwa durch eine temporäre Notlage oder Behinderung nicht arbeiten können, Schulden aufnehmen, ihr Hab und Gut verkaufen – in die Existenz außerhalb der korporativ geregelten Bereiche. Diese Existenz ist dann sehr schnell die des Bettlers, so die Analyse. Wichtig will es sein, solche in Notlagen geratenen Menschen sozial aufzufangen. Dass diese Menschen als „alß öffendliche Bösewichter und Ungehorsame, in Zwangshäuser eingesperrt“ werden, ist als Problem der zu Zwangsmaßnahmen schreitenden Gesellschaft angesprochen.

Die Vorschläge weiterreichender Problemlösungen bleiben prekär – sie sind ohne Empirie gemacht. Der Verfasser hat keine Kenntnis der Wirtschaftsformen der Niederlande und Englands, die ihm als überlegen erscheinen und macht Projektvorschläge in der Tradition des 18. Jahrhunderts, bei denen es primär darum geht, den Geldabfluss zu verhindern. Geldabfluss, die Verarmung eines Landes, entsteht durch Luxus, und Luxus sind alle Konsumobjekte, die nicht im eigenen Land hergestellt werden, allen voran Taback, Kaffee und Tee. Der Konsum letzterer beider Güter soll durch Landesverordnungen und Importzölle gedrosselt werden – ein Unding sei es, dass der Landmann als primärer Ertrag bringender Wirtschaftsfaktor hierfür Geld ausgibt.

Beim Tabak hingegen müsse man beginnen, diesen im Land herzustellen. Holstein will hierfür so geeignet wie Amerika erscheinen. Dass bisherige Versuche eher schlecht gediehen, wird mit der Aussicht auf überlegenes Wissen vom Tisch gefegt: Man verpasse bislang den besten Erntezeitpunkt und verstehe sich noch nicht darauf, die Blätter die nötige Zeit hinweg reifen zu lassen. Sobald das gewährleistet sei, könne dem Tabakkonsum den landesinternen Geldfluss vermehren – noch immer besteht die Theorie, dass rascherer Geldfluss und die Veredlung von Rohprodukten größere wirtschaftliche Prosperität bedeuteten.

Wieder darf die Einführung nicht durch Zwang geschehen:

    So sehr es auch Pflicht ist, Obrigkeitliche Befehle und Anordnungen zu gehorchen und zu befolgen, so bekannt ist es auch, daß die menschliche Natur sich gegen jeden Zwang sträubt!

Die Kirchspiele müssen hier tätig werden; die Landgemeinden legen Musteranpflanzungen an. Man habe versucht Tabak in Deutschland in Plantagen anzupflanzen, das sei gescheitert. Das Ergebnis des Scheiterns ist nicht die Erkenntnis, dass die rationelle Anbauform offenbar nicht im Lande greift, sondern dass man mit dem konservativen Rückschritt in Kleinstbewirtschaftung, der eine ungemeine Dispersion des Knowhows erfordern würde, weiterkäme. Die Problemlösung sind dabei an jeder Stelle die zu gründenden ökonomischen Gesellschaften, die dem Patriotismus Raum geben.

Interessant sind die Passagen, in denen die englische Wirtschaft als die überlegene auftaucht. Alltägliche englische Produkte wie Pferdegeschirre sind anerkannt besser und billiger. Geld fließt ab. Die Frage ist nicht, ob es für Holsteins Wirtschaft tauglich wäre, teurere einheimische Ware zu kaufen, auch nicht, weshalb England billiger produziert. Man benötigt Subventionen der heimischen Wirtschaft durch Philanthropen, so die anvisierte Lösung, die an die guten Motive des gehobenen Bürgertums appelliert.

    War ist es, daß diese und dergleichen Sachen, hier im Lande nicht so gut, und wohlfeil zu haben sind, aber Vorurtheil ist es, daß solche nicht auch hier, eben so gut und wohlfeil gemacht werden könnten, wann nur geschickte Künstler und Handwerker, von denen Reichen des Landes, mit solcher Vaterlandsliebe unterstützt […] würden. […] Diese Veredlung unserer und auch fremder Producte, ist aber ohne Vaterlandsliebe nicht möglich. – der Väterliche Wunsch, und selbst Unterstützung der besten Regierung, ist nicht zureichend. wird getauschet! wird gemißbraucht!!! Obgedachten Geselschaften würden aber auch hier im Kleinen, hoffendlich das beste Mittel werden, dem Luxus und geringschätzung einheimischer Arbeiten, stolze und freiwillige Grenzen zu setzen; und geschickte, und müßige Hände Beschäftigung zu geben. <5136-37>

Bessere Künstler werden schöner billiger und besser Arbeiten, wenn man sie erst einmal fördert. Interessant ist im ganzen Projektzusammenhang dabei eine kleine Passage, die das Thema der Transparenz aufbringt. Die ökonomischen Gesellschaften, werden nicht in Heimlichkeit agieren und darum in der Lage sein Beispiele zu geben – das ist interessant im Zusammenhang mit Weishaupts Nachdenken über Geheimgesellschaften gedacht – und erneut verwirrend realitätsfremd. Gerade in der Wirtschaft zählen im Verlauf der Industrialisierung Innovationsvorsprünge. Hier dringen in besonders schönem Maße spezifische Prämissen der Aufklärung in Räume vor in denen sie letztlich fragwürdig werden:

    Da aber für diese Geselschaften keine Heimlichkeiten sein können, so stünde|<5132> auch hier ein wirksameres zu erwarten.

Der Aufsatz endet symptomatischer weise mit einem p, etc. Die letzten Passagen ergehen sich in Luxuskritik und Emphasen, es möchten die zu gründenden Gesellschaften hier Besserung bringen.

Eine Nebenpassage mag beachtet sein: zu den Juden – die im Moment noch keiner klaren Arbeit nachgehen:

    Auch da wo die Judenschaft zahlreich, müsten auch diese gehalten sein, durch ihre Armen, die so ohnehin so sehr am Müßiggang gewöhnet (einige Arten von Arbeit, fürs Ganze, vorzuzeigen p <5126>

Hier wird kein klareres Programm auf ein klareres Problem ausgerichtet…

Transcript


Gedanken
über Landesglück, eines Menschenliebenden
und gutmeinenden Holsteiners p.

Bey der jetzo so allgemeinen hochaufgeschrieenen
Aufklährung und Vielschreibereyen, sollen
die Menschen beßer und glücklicher werden;
möchten sies doch! – Aber was ist beßer
worden? was ist glücklich sein? – Der Arme
findet bey immer zunehmenden Luxus,
und den durch Mode und Gewonheit ent-
stehenden Bedürfnißen, nicht hinreichenden
Erwerb sich von dieser Seite glücklich zu machen.

Fast überall höret man Klagen, und findet
unruhiges – unzufriedenes Leben! –
Vielen entfält der Muth, ihre Werkzeuge
und Wirkung gehen zum theil verlohren
und sie ergreiffen den Bettelstab! – Nun
wird der Vermögende der Fleißige, von
diesen Unglücklichen verfolget und in
seinem Fleiße nicht allein gestöhret; sondern
gleichfals bis zum klagenden Unmuth gebracht.

Das dieses und mehreres so ohngefehr
der Zustand unserer Zeit sey, ist zu auf-
fallend, alß, das er nicht sollte allgemein
bemercket werden. – Deswegen den auch|<2>
hin und wieder sich einige Menschenfreunde
gefunden haben, die Vorschläge gethan,
dieses Übel abzuhelfen. Fast alle, oder
die mehresten Regierungen haben zu einigen
Zeiten Hand angeleget, und Verfügungen
gegen Müßiggang und übertriebenen
Luxus gegeben, und dieses so ofte und
wiederholend, daß es zu bewundern
wie auch fast keine einzige bis dahin die
gesuchte Wirkung ganz gehabt.

Preißfragen, wie die Beteleyen in
Residenz-,[1] um [lies: und] andern [ergänze: Städten] im Staate zu ver-
hüten stehe, haben einige herliche Antworten
erhalten. – So menschenliebend aber
auch alle bisherige Armenanstalten
geordnet worden, so können solche diesen
Unfug nicht wehren, so lange solche so
groß im Umfange, und die Vorsteher
zu einer so kleinen und doch mühsamen
Verrichtung zu vornehm, und ohne
weitere Unterstützung mit der wahren
Armuth so wenig bekand sind, und sein
müssen. – Alle bisherige Mittel
geben diesem Übel nur eine andere
Richtung, ohne die wahre Quelle zu
verstopfen; die nur großtentheils
in Städten gesuchet wird, weil hier der|<3>
Bettler so vorzüglich bemerklich. – Wer
aber die innere Verfaßung des Landes,
die Nahrungstriebe der kleinen Landstellen
und Häuser kennet, dem muß es auch
bekannt sein, daß die Bettler diese fast
mehr wie denen in Städten belästigend
sind. Diese müßen zwar ihre Thüren
verriegelt halten, und werden auf
ihren Straßen und Promenaden beun-
ruhiget, aber es bleibet ihnen frey zu
geben. Jene hingegen auf dem Lande
werden ofte gezwungen zu geben, wie
wenig zu geben übrig ist! – Das Drohen
der verwegenen Bettler, mit Feuer
dem Viehe zu schaden, oder sonstige Un-
fuge! – das einfältige Mitleiden und
abergläubige Furcht des Landmanns,
erpreßet eine Gabe, sie sey so klein sie
auch wolle. – Diese Gabe bestehet zwar
nur größtentheil in einer scheibe Brodt,
ein Ey, oder etwas Grütze-Mehl u[nd] d[er]g[leichen].
solch wird aber alle Tage, und viel-
fältig gefodert – große Haußhaltungen
bemerken dieses weniger; aber kleinere
giebt es, wo der Geber am Abend ofte
dürftiger, wie der Bettler ist! –
Die Gewonheit hat dieses Übel einiger-|<4>
maßen erträglich gemacht: obgleich wenige
Haushaltungen unter 4 bis 10 rt im
Jahre frey sind, ohne allen Nutzen an
Müßiggänger vergeben zu haben.
Sollte der Landmann die Helfte von dem
alß Auflage zu Unterhaltung der Armen
geben; so würde ihm dieses äußerst
beschwerlich und unmöglich fallen.–
Diese Leute aber ganz, oder doch größten
theil auf ihre eigene Kosten zu Unter-
halten, ohne gegen denselben Unbillig
und Ungerecht zu sein, und das zugleich
dem ganzen Staate hieraus ein mehrer
und wesentlicher Vortheil erwachse,
dieses ist gewiß menschen Wunsch! –
dieses könnte That werden.

Fabriken sind zwar das Mittel viele
Hände zu beschäftigen, aber unter
großen Handlungsaussichten, sind sie
nicht einer jeden Gegend und Orte zu-
träglich – oder angemeßen: Wo großes
Tagelohn, oder Lebensbedürfniße theuer
Da kann keine Fabrike vortheilhaft werden,
und an einem andern Orte, fehlet es
wieder an andern Sachen! Statt diese
aber Arbeitshäuser, die dem Orte und
Gegen eine angemeßene Beschäftigung,|<5>
geben, ohne die bisherigen Nahrungs-
betriebe zu behindern.


    Möchte in einem jeden Kirchspiele
    ein Werckhauß errichtet werden,
    und einem jeden Schulhalter
    aufzugeben, die müßigen
    und schwächlichen Leute seines
    Dorfes anzuzeigen und durch
    ihnen, aus diesen Häusern,
    angemeßene Arbeit, und
    Unterstützung zu erhalten pp

Die Ehrbegierde, diese so mächtige Triebfeder
ist ofte in den niederen Landmanne
eben so starck, wie bey denen größeren
des Staats! wie kann sich solche aber
zeigen, wann sie nicht gespannet wird?

Hier wäre nun die Gelegenheit,
bey einer solchen Einrichtung, eine
oekonomische Gesellschaft zu stiften,
wo der Beamte – oder Kirchenpatron|<6>
präsidirte, der Prediger-Kirchgeschworne,[2]
Bauervögte,[3] und sonsten einige beliebte
Landleute aus jedem Dorfe zu gewiße
Zeiten in Unterredung zu sammen trätten,
und das Beste ihren Kirchspiels und deßen
Arbeitshauß überlegten, und beschlößen.

Der Beamte könnte hiebey sicher sein,
daß die Verabredungen und Beschlüße, wo-
zu der Bauervogt in Vollmacht seines Dorfes
seine freie Einstimmung gegeben, oder
wohl gar selbsten Vorschläge gethan; auf
das beste befolget und besorget würden,
und dieses um so mehr: da hier der
Beamte nicht befehlsweise, sondern im
Nahmen des Landesherrn, als Vater,
und die Beisitzer zu ihre Dorfschaften
als Brüder sprächen – der Organiste
führte hiebey die Hauptrechnung, und die
Schulhalter, so ihrem Dorfe beträfe. –
Der Landesherr hätte hiebey weiter keine
Kosten, als etwa einen der Sache fähigen
Mann zu halten, der jährlich einmal
Diese Häuser besuchte, deren Gewerbe
Verbände, und solche mit Rath an Hand
ginge, und von deren Zustand gehörigen
Orts Bericht erstattete. – |<7>
Der Flachs und Hanfbau würde an manchen
Orte (dem Kornbau unbeschadet) lebhafter ge
trieben werden, um ihre schwächlichen, und
Kirchspiel-Armen, wohlfeiler zu Spinnen und
Stricken zu geben. Die Wolle würde sorgfältig
gesamlet, und nicht unbereitet, wie viele
andere Sachen, als: Felle etc. roh verfahren
werden! – Es würden für den Landmann
starke und ihm angemeßene Zeuge, in diesen
Häusern gemacht werden. – Reifschlägereyen[4]
Kupfer-Geräthe, Weidenkörbe und viele andere
Sachen, würden hier beßer und wohlfeiler
wie in den Städten gedeyen, und wobey
der Umlauf des Geldes mehr im innern des
Landes bliebe, welches sich immer mehr vom Silber
und Scheidemüntze entblößet. – Fast alle
Kupfergeräthe für Holstein werden aus Hamburg
und Lübeck sehr theuer gekauft. – Weidenkörbe
imgleichen, welches sogar eine ansehliche
Zunft ist. Zum Weidenbau hat Holstein vor-
züglich viele niedere und feuchte Gründe, die
unsern Viehweiden unbeschadet mit großen
Vortheil hiezu zu gebrauchen stünden – des
so ansehnlichen Landholzes nicht einmal zu
gedencken p – Bey allen diesen diesen arten von
Arbeit, können schwächliche Menschen, Krüppel,
ja selbst Blinde, mit Vortheil gebraucht werden,|<8>
und für denen es ware Lebens-Glückseligkeit
sein würde, unter angemeßener Arbeit
ihre müßige Zeit und Leiden zu vergeßen!
Worunter der größtetheil auch gerne arbeiten
würde, wann nur Gelegenheit dazu gege-
ben, das ist? daß ein jeder Arbeit fände
wozu er Lust habe, und seinen geistes- und
leibes-fähigkeiten angemeßen. Ge-
zwungene Arbeit erfordert strenge Aufsicht,
und geräth dabey fast immer schlecht; hingegen
eine selbst gewählte mit Lust getriebene
Arbeit, braucht weniger Aufsicht, und ge-
räth dabey größtentheil wohl, und ist zugleich
die wahre glückseligkeit des Lebens.

Fast alle Unglückliche und Bettler genau
zergliedert, sind Leute die in ihrer Jugend
vernachläßiget, und entweder nichts ge-
lernet haben, oder etwas wozu sie keine
Lust und Fähigkeiten hatten. Diese Unlust
entziehet ihm der Arbeit, und seiner Unfähig-
keit wegen, wird er allendhalben zurücke
und abgestoßen! – Da nun aber ein
jeder Mensch Beschäftigung haben will und
muß, so wählet er schlecht, oder geräth zum
Betteln, weil er keine andere mehr findet
die seinen Fähigkeiten angemeßen und
seine Muße ausfüllet, um die natürlichen
Bedürfniße zu befriedigen – Werkzeuge|<9>
und rohe Materialien, kann er sich nicht an-
schaffen, und von andern werden ihm solche
nicht anbetrauet – geschloßene Zünfte, und
Freiheiten u.d.g. behindern – einzeln
nimt er Zuflucht zum Betrug etc. und dieses
hat fast alle gute Menschen abgesondert, sich
die Aufhelfung eines Bettlers zu unternehmen.

Diese Arten des Betrugs und Verwarlosung
würden bey allgemeiner Unternehmung
sich auch im Anfange mit finden, da
aber keine weitere Betteley statt fände,
so würden und müsten solche sich dem
Fleiße und Treue ergeben, um nicht
alß öffendliche Bösewichter und Unge-
horsame, in Zwangshäuser eingesperrt
zu werden. – Die Tugend aus Noth
ist zwar der aus Erkenntniß nicht
gleich; es ist aber doch immer Tugend
und Vortheil fürs Ganze, durch Arbeit
Unterhalt erwerben.

Selbst einige Landleute würden die Tage
und Stunden, da sie durch Zeit und Witterung
vom Ackerbau abgehalten werden, sich
gerne mit einige Nebenarbeit beschäftigen
und auch vorzüglich die jugend würde
hier Handarbeiten erlernen, die auf Er-
ziehung in Sitten und Fleiß, einen nicht
geringen Einfluß haben müsten! –|<10>

Daß für Rauch und Schnupftaback, eine
noch größere Summe baar aus dem Lande
gehe, wie die Zollregister etwa zeigen,
wird wohl nicht bezweifelt? Diese gewiß
ansehnlichen Summen stünden warscheinlich
biß zur Helfte im Lande selber zu bauen,
wann dieser Anbau mehr und überall
mit Vorsicht eingeführet würde. – Daß
dieses Kraut auch hier wächset, haben schon
viele Versuche bewiesen; es will aber
besonders behandelt sein, gut verpacket
und einige Jahre Ruhe, werden vorzüglich
erfordert, nur dieses hat man bey hiesige
Versuche nicht genug beobachtet, nicht abge-
wartet: der Anbau gefält daher nicht,
und konnte auch nicht gefallen, da über-
dem die mehrsten Versuche Plantaschen-
mäßig getrieben wurden, welches zu
viele Zeit erfordert, und daher unsere
ländliche Verfaßung nicht angemeßen.

Der Kornbau und Viehstand, ist besonders
für Holstein eine heilige Sache, die auf
keinerley Weise gestöhret und behindert
werden darf und muß; daher beim
Tabackbau vorzüglich darauf zu sehen,
das solcher ja nicht im Grosen angefangen
werde; hingegen im Kleinen, stöhret|<11>
und behindert er keinen, dieses beweisen
mehrere Provinzen, die Kornbau und Vieh-
Zucht, als erste Nahrungsbetriebe treiben.

Der Kartoffelbau war vor etwa 40 bis
50 Jahre, was jetzo der Tabackbau ist, hin
und wieder Versuche, und zuletzt allge-
mein. – Welcher Landmann wurde jetzo
diese Frucht aus seiner Nahrung entbehren
können? ob sie gleich in Vergleich mit Taback
wohlfeiler – und wenn auch auswärtige
Blätter, wie die einheimischen, gegen Mühe
und Arbeit geschätzet, wohlfeiler wären, so
sind die Selbstgewonnenen doch immer
Vortheil fürm Lande, da bey dem gewöhnl[ichen]
Ackerbau nichts versäumet worden, und
dagegen nichts anderes erworben wäre.

So allbeliebt nun auch der Kartoffelbau
ist, so verfält doch niemand darauf, dem
Kornbau hiermit Abbruch zu thun. – Eben
so, und nicht größer müste der Tabackbau
geordnet und betrieben werden.

Da der Landmann dieses Kraut aber
nicht sogleich wie Kartoffeln, ohne hülfliche
Zubereitung nutzen kann; so wird
sich dieser Anbau auch nie ohne Hülfe
ausbreiten. Wenn aber hin und
wieder eine Art von Fabrike oder|<12>
Niederlage, und dem Landmann, nach
Verhältniß seiner Stelle aufgegeben, einige
hundert Pflanzen im Garten, oder sonsten
eine unbeschadete Stelle zu bauen, und
unter Aufsicht an dem Kirchspielhause zu
liefern; so könnte dieses dem Kornbau
und Viehstand, eben so wenig behindern,
wie der Cartoffel und Flachsbau.

Diese Einrichtung aber so geradehin,
durch Landesherrliche Befehle zu beschaffen,
würde der Sache nicht vortheilhaft sein;
der eine würde diese, ein anderer jene
Sorte bauen – Unreife, oder Überreife
Blätter liefern, und dieses würde nicht
zu verhindern stehen. So sehr es auch
Pflicht ist, Obrigkeitliche Befehle und An-
ordnungen zu gehorchen und zu befolgen,
so bekannt ist es auch, daß die menschliche
Natur sich gegen jeden Zwang sträubt!

Würde dieses aber von der Kirchspiels-
Geselschaft betrieben, so stünde ein wirk-
sameres zu hoffen! – So wie auch
überhaupt ein wünschenswehrter National
Stoltz, sich mehr einförmig, und so
viel thunlich, in einheimische Zeuge zu
kleiden, die etwa in diesen Häusern
oder deßen Betreibung verfertigt würden.|<13>
und vorzüglich den übertriebenen Luxus
der bis zum Verderben in allen Ständen
übergegangen, zu mäßigen, und stolze
freiwillige Gränzen zu setzen. –

Würden nur diese Leute erst gute
Vorgänger sein, so wäre für denen
übrigen, keine weitere Befehle nötig;
die alsdann von selbsten gerne nachfolgen,
um so mehr – durch gute Handlungen
in diese Gesellschaft, auch dereinst aufge-
nommen zu werden.

Die Städte und Flecken, müsten
gleichfals solche Arbeitshäuser haben, um
ihre Armen und Nahrungslosen Einwohner
zu beschäftigen, die jetzo ohne allen
Nutzen auf der Straße, und in Armen-
häuser, mit beschwerlichkeit, und größeren
Kosten, ernährt werden; und wobey
nicht allein die Ausfuhre roher Producte
unterbleiben würde; sondern wohl gar
fremde im Lande gezogen würden.–

Auch da wo die Judenschaft zahlreich, müsten
auch diese gehalten sein, durch ihre Armen,
die so ohnehinß so sehr am Müßiggang ge-
wöhnet (einige Arten von Arbeit, fürs
Ganze, vorzuzeigen p –|<14>
Und hier würden die Bürger -Kapitaine,
Viertel- und Quartiers Männer etc. das
Leisten, was auf dem Lande durch gute
Landleute zu hoffen stehet – da diese mit
der wahren Armuth, häußlichen und
persönlichen Umständen, bedürftiger
Menschen mehr bekannt sind, als die
jetzigen Armen-Vorsteher übers Ganze.

Einem Bedürftigen, gelegenheit zum
Verdienste zu geben, die ihm, seiner
Familie und Umständen angemeßen
ist weit mehr Wohlthat, als einige wenige
Armengelder! – Und deswegen be-
dürften gute Armen-Versorgungen, eben
keinen so grosen Font, welcher oftmalen
sogar schädlich, und zu gewinsüchtiger
unvortheilhaften Verwaltung, und par-
theyischer Vertheilung anlaß geben,
und überdem bey vielen ein unthätiges
Leben unterhalten und befördern.
Die zum theil zu Prächtig gebaueten
Armenhäuser, und innerer Mangel –
die Beyspiele, daß auch der redlichste
Vorsteher, durch theuschende Vorstellungen
verleitet worden, nicht immer nach
ware Bedürfniß zu vertheilen, sind
offenbar, und allbekannt.|<15>

Die weniger Kranken, und zu aller
Arbeit unfähigen Menschen, würden leichte,
leichte zu unterhalten sein, da die Armen-
Cassen, bey so einleuchtender Nutzbarkeit
durch freywillige Beyträge und Gaben,
ohnfehlbar vermögender, wie jetzo sein
sein [!] würden, da die Einwohner zum Theil
gezwungen geben müssen, ohne dem
Übel gemindert zu haben! – Und auch
hiebey stände in der Folge eine wünschens-
wehrte Wittwen- Verpflegungs-Casse zu stiften,
für geringe Leute, die der großen
Landes-Wittwen-Casse nicht vermögend sind,
beyzutreten. – Diese wäre gleichfals
Verstopfung einer wichtigen Nebenquelle
vieler Bettler.

Die Lasten zu Anlegung und Einrichtung
dieser Häuser, scheinen für den Landesherren
zu beträchtlich zu sein. Für die Gemeine
eines Kirchspiel, würde solche aber ohne
unbedeutend sein; um so mehr, da alß
dann ein jedes Kirchspiel gesichert sey, nur
bloß seine eigenen Kirchspiel-Armen,
Unterhalt und Beschäftigung zu geben.
Und selbst in einigen Kirchspielen, be-
dürfte es keine besondere Gebäude: nur
der Nahme. – Die Geselschaft würde ohne|<16>
diese schon Dach schaffen, Flachs, Wolle, etc.
aufzuheben; da nicht die Arbeiter
in diesen Häusern, sondern von solchen
in ihren Wohnungen, Arbeit erhielten,
wo etwa keine besondere Fabrike beliebig.

Die schon vorrätigen Armenhäuser,
die bey ihrer Stiftung das waren, was
sie sein sollten, jetzo aber da alle Lebens-
bedürfniße gesteigert und vervielfältiget
sind, sind sie das nicht mehr!– In
Umschaffung zu Arbeitshäuser, könnten
solche aber leichte das werden was sie
jetzo sein sollten und müsten. – –

So wie nun ein jeder guter Hauß-
hälter nach seinem Verhältniß, sich zeitig
mit den unentbehrlichsten Lebensbedürfnißen
versorget; so würde auch die Kirchspiel-
Gesellschaft, als Vater des Ganzen, auf
Aufhebung dieser Sachen, zeitigen Be-
dacht nehmen, und dadurch einen ge-
mäsigten Preiß, und viele Familien
erhalten, deren Umstände diese zeitige
Anschaffung nicht erlauben, und nun
bey Mangel oder gesteigerten Preißen
vollende zu Grunde gehen müssen!–!
Der gewöhnliche Handel mit diesen Waaren
bliebe deswegen; nur das zu starke Gewinn|<17>
würde gemäßiget werden.

Für einen warmen Menschenfreund
ist es höchst traurig, zu sehen, das in
einem Lande welches mit Überfluß an
unentbehrlichen Nahrungs Mittel gesegnet
durch Vernachläßigung, und einige un-
gebundene Wucherer, so ofte in Mangel
und unnatürliche Preiße derselben,
gesetzet wird !!! – –

Die ware Quelle, fast der mehrsten
Bettler, stünde durch obgedachte Gesellschaften
sogleich durch zeitige Hülfe gänzlich
zu verstopfen; wann der Kranke,
der Unglückliche unter ihren Augen
eine schnelle Unterstützung fände, ehe
er das seinige Verpfänden und Verkauf-
fen müste! – Und diese Unterstützung
stünde um so mehr zu erwarten,
da einige Mitglieder der Gesellschaft,
die Noth der Bedürftigen bekannt,
sondern auch hinlänglich Kenntniße
haben, auf welche Art solche am
leichtesten zu helfen sey. Was bey
dem einen Hülfe und Wohlthat ist, ist
es nicht allemal bey einem andern,
und von dießen häußlichen und persöhnl[ichen]
Umständen, ist nicht ein jeder unterrichtet.|<18>
Behält der Kranke seine Werkzeuge, seine Geräthe,
so fängt er bey wiedererlangter Gesundheit,
seine vorigen Geschäfte mit verdoppelten
Fleisse wieder an. Wird aber dem Unglückl[ichen]
dieses, und Vieh und Acker genommen, gehen
Werkzeuge und Wirkung verlohren;
so sind es sogleich offenbare unaufhelfl[iche]
Bettler, und nothgedrungene Müßiggänger!

Auch eine mehr philosophische Aufklährung
stünde durch diese Geselschaften zu bewirken,
als durch Schriften, die größtentheil nur
nur [!] bloß gelesen werden. Hier würde
durch vernünftige, vorgängige Vorstel-
lungen, den so ganz übertriebenen
und vielen Haushaltungen verderbenden
Luxus, in seiden Zeuge und Tücher
auch denn dem Landmann so ganz
unangemessenen, Leben und Wohlergehen
schädlichen Gebrauch der Gewürze, als:
Kaffe, Tee, Wein etc. bey Hochzeiten,
Kindtauffen, u[nd] d[er]gleichen abzustellen. –
Die hierüber bereits oft ergangnen
Landesherl[ichen] Befehle, sind nicht hinreichend,
diesem Übel zu wehren; wann auch gleich
einige öffentliche Unfuge abgestellet worden,
so vermehren sich die heimlichen nur desto
mehr. – Da aber für diese Geselschaften
keine Heimlichkeiten sein können, so stünde|<19>
auch hier ein wirksameres zu erwarten.

So wie es dieser Geselschaft auch gerne
aufzugeben sey, die kleinen Zänkereyen
und Mißverständniße ihrer Dorfschaften
in Güte zu vergleichen, ehe solche in den
Händen gewinnsüchtiger Advocaten gerathen:
die mehrmalen die kleinste Sache (und ofte
aus Unwissenheit der Land- und Dorfs-
Gewohnheiten) so verwickkeln, und in
der länge ziehen, daß, wann nicht beide,
doch eine Parthey, oftmalen mit einer
ganzen Familie zu Grunde gehen! –
Die gewöhnliche verordnete Gerichten
blieben deswegen in ihren Ansehen,
und Entscheiden nur dann, wann die
Partheyen mit dem Vergleiche, ihrer
Kirchspiels-Väter nicht zufrieden wären.

Andere Zeiten, auch andere Sitten;
vorhin konnte ein gesundes Paar, von
einer kleinen Landstelle leben. Der
Ackerbau und die Viehzucht, bringen
noch daßelbe, und verbeßert, mehr auf,
aber eine ganze Familie, bey so ver-
vielfältigen Lebensbedürfnißen, noch
dazu in fremde Zeuge zu kleiden,
vermehrte Haußgeräthe, Kaffe, Tee etc. zu
unter halten; dieses bringet der Landbau|<20>
im Kleinen, ohne neue Nahrungsbe-
triebe, nicht auf! – Selbst größere
fühlen dieses, und nicht wenige können
mit Gewißheit ihr Verderben, vom
übertriebenen Luxus herleiten! –

Auch die Bevölkerung, welche Glück-
seeligkeit des Landes genannt wird,
ist ohne neue Nahrungsbetriebe, und
verminderten Luxus, so schädlich, alß
auch unmöglich. An hinlängliche
Hände zum gewöhnlichen Ackerbau, fehlet
es keiner Provinze; aber ohne neue
Nahrungs-Gewerbe, sind hunderte Müßig,
und genötigt aus dem Lande zu gehen,
wo alle gute Grundstücke, vertheilet
und beeigenthumiget sind.

Der sorgfältig, ohne Luxus betriebene
Ackerbau, mit Manufacturen und
angemeßener Handlung verbunden,
kann Bevölkerung und Reichthum der
Staaten werden. – Aber übertriebener
Luxus, und die Menge müßiger
Menschen, richtet dieses alles nieder!–
Allemhalben wo Bevölkerung bewirket,
sind übertriebener Luxus, durch strenge
Verbothe dergleichen Sachen einzuführen,
und starck erhöhte Zölle, gemindert worden,|<21>
neue Nahrungsbetriebe eingeleitet,
und durch gute Pollizey, die unentbehrl[ichen]
Lebensbedürfniße, im gemäßigte Preiße
erhalten. Ein zu freier, unein-
geschränkter Handel, mit den unent-
behrlichen Lebensbedürfnißen, muß einem
Lande bey allem Überfluß in Mangel
setzen, so bald nur einige vermögende
Kaufleute, große Versendungen haben,
oder nur bloß Auflegen. – Kömmt
nun der freie Handel mit Luxus Waaren
vollends hinzu, so gehet das baare Geld
strömweise zum Lande hinaus, und
innere Armuth bleibet zurücke!! –
Sollten auch einige dabey Reich geworden
sein; so ist es doch nicht in genugsamer
nützlichen Vertheilung. – Es sey denn
der Landesherr habe es zurücke gelegt,
um dorten helfen zu können, wo Hülfe
nötig. – und wodurch warscheinlich
zum Beispiel Preußens-Staaten so
Groß und Volkreich geworden sind.

Ein neuer Lobredner der Holsteinischen
Handlung[5] saget: daß die Handlung
alleine einem Staate Reich und blühend
mache p. und Trägdumheit verdrenge p.
daß der Luxus der Handlung zu träglich,|<22>
den Fleiß vermehre p. – und der Mensch
als Weltbürger zu allem Genuße
berechtigt sey p. Nur der Mißbrauch
verdiene Tadel etc.
Hievon können einige Warheiten
sein; aber auch zugleich in unrichtiger
Anwendung, offenbare Übel, und
schädliche Folgen für einem Staate,
und deßen einzelne Einwohner.

Träge Dumheit kann man den guten
Holsteinern wohl eben nicht beschuldigen,
aber verderblichen Luxus! – ohne eigen-
thümliche Handlung mit selbst veredelten
Landesproducten.

Engeland, und auch theils Holland,
welche gewöhnlich bey Vergleichungen
angeführet werden, sind nicht allein
durch Handlung und Schiffahrt, so scheinend
blühend und Reich geworden: – Innere
Betriebsamkeit verschiedener Nahrungs-
Zweige, und einförmige Lebensart,
in Absicht des Luxus mit ausländischen
Sachen, haben gewiß ebensoviel, wo
nicht mehr, dazu beigetragen.–

Dieße einförmige, oder stolze National
Gesinnung, fehlet uns vorzüglich, und
der größte Tadel fält hier auf den Reichen|<23>
und Begüterten des Landes, deren
Mobilien, Geräthe, Wagen und Reit-
Geschirre pp alles von Engeland – von
englischen und fremder Arbeit sein muß!

Diese gewiß großen Summen, und
deren verlohrne Wirkung, gehören
nach Vaterlandsbilligkeit, nicht dem
luxuösen Besitzer zum wilkürlichen
Gebrauchen; sondern dem Lande wor-
innen sie Leben, und solche erworben.


War ist es, daß diese und dergleichen
Sachen, hier im Lande nicht so gut, und
wohlfeil zu haben sind, aber Vorurtheil
ist es, daß solche nicht auch hier, eben
so gut und wohlfeil gemacht werden
könnten, wann nur geschickte Künstler
und Handwerker, von denen Reichen
des Landes, mit solcher Vaterlandsliebe
unterstützet und gebraucht würden,
wie dorten, wo man alles liebet was
Einheimisch, und thadelt was fremder
Zubereitung ist. – Sie genießen
die glückseeligkeit ihres Landes, und
die Producte der ganzen Welt; aber
sie gebrauchen und genießen solche
unter allgemeinen selbst zubereitenden
Fleiß – und unter diesem Fleiße,|<24>
ist ihnen Handlung und Schiffahrt
so begünstigend gewesen.

Diese Veredlung unserer und auch
fremder Producte, ist aber ohne Vater-
landsliebe nicht möglich. – der Väterliche
Wunsch, und selbst Unterstützung der
besten Regierung, ist nicht zureichend.
wird getäuschet! wird gemißbraucht!!!

Obgedachten Geselschaften würden
aber auch hier im Kleinen, hoffendlich
das beste Mittel werden, dem Luxus
und geringschätzung einheimischer
Arbeiten, stolze und freiwillige Grenzen
zu setzen; und geschickte, und müßige
Hände Beschäftigung zu geben.

Die Ehre, dereinst in diese Geselschaft
aufgenommen zu werden, und
von selbigen ein beyfälliges Lob
zu erhalten (vorausgesetzt, daß
ein solcher das Zeugniß und Beweiß
ein vom Luxus entfernder guter
Haußhälter sey, durch Anbauung
nützlicher Gewächse, alß: Fruchtbäume
Weiden etc. – sich vorzüglich ausgezeichnet)
müste durchaus fürs Ganze große
Wirkungen hervor bringen. –

Giebt so der Acker durch beßere|<25>
Bestellung gleich mehr Geträude, die Viehzucht
vergrößert, die Preise gesteigert – so
hilft dieses alles dem Landmann zu nichts,
selbst dem Staate nicht, so lange diese Producte
bloß gegen Luxus-Waaren, ohne Überschuß,
vertauscht werden – und dieses ist bey
Kenntniß des Landes – auffallend! –

So entfernet es auch zu sein scheinet –
so haben die unproportionirten Gehalte
der Civilbediente, bey unbefangener
Beleuchtung, einen großen und wichtigen
Einfluß auf die Sitten und Lebensart, des
Ortes im Lande. – Der arbeitende Bediente
gehöret für sein bestimtes Gehalt, mit Zeit
und Kräfte, ganz seinem Dienst. – Kann
er mehr wie ein Amt abwarten, und
richtig und gut abwarten; so ist es mehr
Beweiß, daß diese Ämter durch Zeit und
Umstände, für einen ganzen Bedienten
zu klein geworden, als das deßen Kräfte
und Geschicklichkeit, so viel über andere
erhaben sind. – Fähigkeit muß ein jeder
zu seinem Dienst haben. – Und das Gehalt
muß der Bedienung und dem Orte, nährend [nähernd]
angemeßen sein. Bey doppelten, und
zu starken Gehalten, wird in luxiöser
Möbelierung, Kleidung, und üppigen|<26>
Leben, denen übrigen Bedienten, und
ersten Einwohnern, ein verderbendes
Beyspiel gegeben; oder Habsucht wird zur
herschenden Leidenschaft, und Ehre und
Pflicht, die stärksten Stützen des Glückes,
werden nur zu ofte wankend!! so wie
bey zu niederen Gehalte, der nicht hin-
reichend, die gesteigerten Lebensbedürfniße
abzuhalten.

Gute Beyspiele, der im Ansehen stehenden
Bedienten und ersten Einwohner – sind
mehr wie Befehle; mehr alß alle lehr-
und predigende Morale!! –

Da nun oftgedachte Geselschaften
hauptsächlich überall, alle Vorurtheile
zu verdrengen, Menschenaufklährung
und Vaterlandsliebe, zu erzeugen und
zu erweken, zum besonderen Gegen-
stande: So stünde auch hiedurch, neben
vielen andern, ein wichtiger Gegen-
stand in Erspahrung an Holz und Feurung
durch Einführung beßerer Öfen, zu
erwarten.

So geseegnet auch Holstein hierin
ist, so stehet bey so gewaltsamer ver-
tilgung, für den Nachkommen, doch der-
einst Mangel zu fürchten; da schon|<27>
jetzo, ohne fremde Zufuhrn, Gränz-
städte Mangel haben würden.

Künstliche Öfen, deren Nutzen zwar
Mathematisch gezeiget worden, sind schwerl[ich]
einzuführen, und allgemein beliebt
zu machen; aber eine einfache Art
von Öfen, die selbst guten Zimmern
nicht verunziehren, und auch den kleinsten
Hütten angemeßen, würde so heilsam
alß thunlich sein. Die Schwelkraft und
Einpreßung des Feuers durch einen
gemeinen Töpferofen, für einen jeden
begreiflich, wurde vor einigen Jahren
von einem geschickten Manne ausge-
probet und dargethan. die Versuche
durch öftere Umsetzung der Ofen, kosteten
zwar baares Geld; aber durch würkliche
Einspahrung gewann er gleichwohl, und
dergestalt, daß er nach zwey Jahren, seine
Öfen frey hatte, und in der Folge beinahe
mit der Helften Feuerung auskam.
Dieses war aber an einem Orte, wo
die Feuerung wohlfeil, und Aufklährung
im allgemeinen, noch nicht üblich war.
die mehrsten der gewöhnlichen Ofen,
sind teurer, und die so gar bey allem
Aufwande die erwartende Wärme nicht|<28>
geben, und geben können.

Unsere Forsten, besonders die vor-
treflichen Eichen, der bisher heimliche
Schatz des Landes, schwimmen größtentheil
auf dem Meere! – die buchnen Wälder
sind düner geworden, und viele
ganz verschwunden! – die künstlichen
und theils unnatürlichen Behandlungen
vieler Forsten, wiederstehen deren
Wiederaufkommen –

Die alten Bewohner des Landes
arbeiteten sich im Schatten dieser Wälder
satt und Reich – und hinterließen
ihren Nachkommen diese ungeschätzten
Schätze, und baare Gelder. –

Die jetzigen Bewohner vergrößerten
Ländereyen, können kaum Unterhalt
erwerben! – Die Schätze sind verschwun-
den, und mehrere hinterlaßen
baare Schulden!! Aber was ist
jetzo Unterhalt und Bedürfniß?
und was war es vordem? –

Noch vor wenigen Jahren, konnte
man den biederen Landmann,
von dem üppigen Städter, – dem
fleißigen Handwerker, von dem|<29>
luxiösen handelten Bürger, durch
äußerliche Zeichen und Kleidung
unterscheiden. – Jetzo giebt kein
Stand dem andern nach, bis Ver-
derben entscheidet! – !

Hat der Landmann bey gehorigen Fleiße
einige geseegnete Jahre, so setzet er
deßen Gewinn, allein auf seinen vor-
züglichen Fleiß, und vermehret so-
gleich seinen Aufwand. – Der Kaufmann
hat zufällige Verdienste, und stolz
schreibet er diese auf Rechnung seiner
Geschicklichkeit, und glaubet deßen Dauer:
vermehret seinen Staat und Aufwand.

Nun kommen einige weniger
geseegnete Jahre; weniger zufällige
Gewinste! – so gehet das erworbene
in den ersten, und dann das geborgte,
in den folgenden Jahren, darauf. –
Hauß und Acker werden verkauft. –
Banckerotte sind nicht mehr Entehrend,
sie sind zu einem neuen Handlungs-
zweige geworden! – Es gehen hiebey
zwar viele kleinere Familien, Künstler
und Handwerker u[nd] d[er]gleichen zu Grunde;
aber was ist dieß? Der große Mann|<30>
hat ja nicht gestohlen; er hat nur
banckerott gemacht! – die kleinen
mögen Betteln wo sie wollen!! –

Und werden nicht warscheinlich
in der Folge mehrere gute Häuser,
Familien – Communen und ganze
Provinzen, immer mehr und tiefer
im Verfall gerathen, wann die
Menschen – und Landverderbliche, un-
proportionirten Aufwande, nicht durch
zusammen tretung edler und guter
Geselschaften, gehemmet werden?

Wer wird es verkennen, das
nicht schon vorhandene Beispiele, die
Folgen eines übertriebenen Luxus
sind. – man mag die Sache be-
mänteln wie man will; so beweist
doch fast jeder Mensch, oder der größte
Theil – das er an fremden Kleidungs-
stücken, Mobilien, Victualien, und
Spielzeugen etc. mehr ausgegeben,
alß er für sich an Inländisches
Gewerbe, erworben habe! p –

Notes

  1. Offensichtlich war der Andrang von Bettlern in Residenzstädten wegen der luxuriösen Hofhaltung besonders stark. Vgl. Helmut Bräuer,
  2. Kirch(en)(ge)schworene, aus der Kirche gewähltes oder bestimmtes Gemeindemitglied, das bei der Verwaltung des Kirchengemeinde tätig ist (Vermögens- und Personalverwaltung, Sendgericht) und vereidigt wird. Deutsches Rechtswörterbuch (DRW), Heidelberger Akademie der Wissenschaften
  3. Vorsteher der Bauerschaft, Deutsches Rechtswörterbuch (DRW), Heidelberger Akademie der Wissenschaften.
  4. „reifschläger sind diejenigen seiler, welche die schweren schiffstaue verfertigen.“ Grimms Wörterbuch.