D-Q5060

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Commentary

Lenz schildert zunächst aus einem nicht ermitteltem Aufsatz Herz' mit dem Titel "Aschmodai an die Herrn Dohm, Biester, Gedike u. Consorten" einen Vorfall,
bei dem einem Juden aufgrund seiner Religion durch eine christliche Kaufmannshausbesitzerin eine akut benötigte Hilfeleistung versagt wurde, woran er letztlich verstarb.
Anschließend zitiert er Passagen daraus, die seiner Ansicht nach Anspielungen über die Maurerei enthalten und diese scharf für ihre strukturelle Ausgrenzung von Juden kritisieren.
Er schließt mit einer kritischen Reflektion des Ordens, die die benannten Defizite des Aufsatzes aufgreift, und einer Argumentation für die Aufnahme von Juden in den Orden.

Transcript

Andrus d. 9. Chordad. 1157.

Ich übersende Ihnen hier, Erlauchter Oberer, die beantwortung der mir
aufgegebenen frage. Ich schmeichle mir keinesweges, nur einiger
maßen Ihrer forderung gnüge geleistet zu haben. Es schwebte
mir zwar bey überdenkung dieses wichtigen gegenstandes ein
gewisses ideal vor, aber ich fühlte mich unfähig, diesen bey der
ausarbeitung zu folgen. Ich bitte also nur, mit meinem guten
willen vorlieb zu nehmen.
Erlauben Sie, daß ich Ihnen etwas aus einem mir in der hand-
schrift mitgetheilten aufsatz von Herz, der für die Berl. Monat-
schrift bestimmt war, aber nachher unterdrückt wurde, abschreibe.
Die veranlassung desselben war folgende: Ein Jude wurde auf öf-
fentl. Straaße in Berl. vom frefel befallen, u. lag da, in gefahr
zu sterben. Man schaffte ihn sogleich in das daranstehende kauf-
mannshaus; aber die christl. besitzerin nahm ihn, trotz des
flehens der umstehenden u. der vorgestellten gefahr, nicht auf,
aus reinem haß gegen die Juden. Der unglückliche starb. Der
aufsatz über diesen vorfall ist betitelt: Aschmodai an die
Herrn Dohm, Biester, Gedike u. Consorten
, u. scheint gleich
nach jenem auftritt im größten abseit geschrieben zu seyn,
enthält daher, neben vielen schönen u. wahren stellen, eben
so viel übertriebenes u. halbwahres. Ich führe hier nur
daraus eine anspielung auf Mrerey an: "Urtheilt selbst
(sagt Aschmordai zu Dohm etc.); wie weit habt ihr es, seitdem
euer Lessing mit jenen Jüden auftrat, bis auf eure Schriften|<2>
mit dem duldungsgeschäft gebracht? Habt ihr wohl durch diesen
36jährigen feldzug mir nur einen Schritt abgewonnen? Urtheilt
selbst, habt ihr die Juden nur um eine einzige stufe auf der mensch-
lichen gerechtigkeitsleiter höher gebracht? Haben die sie von jeher
so eng einschließenden schranken nur irgendwo eine erweiterung er-
halten? Hat wohl die thätigkeit einer ihrer kräfte um ein
haar breit mehr raum erlangt? Habt ihr ihre so sehr drückenden,
bürgerliche lasten im mindesten dadurch verringert? Habt ihr
seitdem auch der zugänge zu christl. gesellschaften u. versammlun-
gen noch mehrere eröffnet? Ich rede nicht einmal von jener
eurer feierlichen, uralten u. geheimnißvollen gesellschaft, die, den
gesetzen ihrer ahnen gerade zuwider, die verschneidung weniger
scheuet als die beschneidung
; sondern von denen, die eurer
erfindung sind, die, nach eurer art, auf bildung der men-
schen u. versüßung des lebens abzielen." Diese bittre anspie-
lung auf Mrey scheint also so viel zu verrathen, was ich
auch sonst gehört habe, daß alle Juden vom antheil an
dieser anstalt gänzlich ausgeschlossen sind. Ich glaube, daß man
sonst seine gute, trifftige gründe hiezu mag gehabt haben:
allein sollte man nicht itzt nachgiebiger gegen sie werden,
da unsre aufgeklärtesten u. wohlwollendsten männer sich
bemühen, den Juden gleiche rechte, gleiche vorzüge u. glei-
che cultur, wie unsern religionsverwandten, zu geben?|<3>
Sollte die Mrer, u. die mit ihnen verwandten O., nicht auch
das ihrige dazu beytragen, die fortschritte der Juden in der
aufklärung zu beschleunigen? Und würde nicht dazu ein herr-
liches mittel seyn, wenn man aufgeklärten Juden antheil an
unsern O.verbindungen nehmen ließ? Was hinderts, daß wir
es nicht thun? Unser O. hat es ja mit keiner positiven
religion zu thun; wir können jedem verehrer Gottes, welcher
Seite er auch zugethan sey, den eintritt verstatten. Was wir
Katholiken einräumen, sollten wir das Israeliten ver-
sagen? - Doch, vielleicht bin ich zu blödsinnig, um hierü-
ber urtheilen zu können. Ich sehe daher Ihrer belehrung
mit verlangen entgegen, der ich mit vollkommenster
hochachtung verharre.

Ihr
gehorsamer
Justus Lipsius

Notes