D-Q2759

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Commentary

Transcript

Aemilius Philoni S.

Heropol. den 26. Mermeh. 1153.

Biß heute habe ich noch immer auf Nachricht
von Ihnen geharret, ob die Stimmen über
Ihr Circulare beschloßen, daß die Zusammen-
kunft statt finden solle; Nunmehr aber, da
auch der [***] vorgeschlagenen 4. Nov.
zu nahe heran gerückt ist, muß ich schließen,
sie sey weiter fierus verschoben. Meine
Hofnung und Freude, Sie zu sehen, und über
manche Dinge ganz und der tiefsten Fülle
meines Herzens zu sprechen, sind also dahin!
Wohlan! Klagen hilft nichts, und Fider und
Diete bleibt uns zu einer Nothhülfe. Ich
frage also von Frute an, über die Punkte
zu schreiben, über die ich so gern und so
viel lieber mit Ihnen gesprochen hätte.
Vor allen Dingen muß ich Sie bitten,
mein höchstverehrlicher Freund und sehr
geliebter Br. seyn Sie in überzeugt, daß
ich bey allem, was ich nöthig erachten
möchte zu sagen, hauptsächlich meiner
Pflicht, das Meinige nach Vermögen,
zur Erreichung des edlen Zwecks unserer
Verbindung beyzutragen, vor Augen habe; |<2>
daß ich mich genugsam kenne, um lieber
zu lernen, als zu lehren; daß ich aber
überzeugt bin, ich würde ein schlechter Br.
und ein verdächtiger Freund seyn, wenn ich
in beyden Verhältnißen nicht Vertrauen
genug besäße, das, was ich für wahr und
nüzlich halte, mit voller Offenherzigkeit
zu sagen.
Über Ihren Berathschlagungspunkte werde
ich so bald, als thunlich, das Gutachten der
Bbr. [***]...ten von Jonien[1] einsammeln
und einsenden. Da auch der Bruder William
Pen[2] mir die eventuelle Vollmacht für
Eolien[3] zugesandt hat, und von mir die
Miththeilung meiner Meinung verlangte,
so habe ich ihm meine rohen Gedanken
in der Ebauctie(?) zugeschickt. Zu einer
Sache, die nur durch den auf Überzeu-
gung gegründeten guten Willen und
Eifer der dirigierenden Bbr. befördert
werden kann, muß man ohne Vorliebe
zu seinen eigenen Wünschen, ohne drin-
gende hitzige Eile mit Gedult u. Nachsicht
gegen einander zu Wercke gehen. |<3>
besonders müßen wir, deren natürliche
Activität unsere Lebensgeister leicht
zum Aufflammen treibt, sehr auf unserer
Hut seyn! Denn was uns bloßer löblicher
Eifer dünkt, kann andere in einem
entgegen stehenden Lichte erscheinen, und
ihren als lebhafte Herrschsucht vor-
kommen. Diese Wahrheit, die ich mir
selbst noch sehr oft nöthig finde ins Ge-
dächtniß zu rufen, weil leider! mein
halbgrauer Kopf noch oft mit dem warmen
Herzen fortläuft, oder vielmehr mein
noch ol. abgekühltes Blut mein bißgen
Verstand dahin reißt, bringt mich auf
die Lage, worinn Sie sich mit dem Br.
Spartacus[4] befinden. Ihr lezter Brief,
theuerster Freund, hat mir über ver-
schiedene Stellen deßelben wahre Freunde,
aber auch über andere, herzlichen Kummer
gemacht. Wäre das, was sich zwischen
Sie beyde gedrungen hat, im Primas-
zwist unter Freunden, so würde ich es
[***] bedauern, aber doch mit ziemlicher
Gelaßenheit den, bey lebhaften Persohnen |<4>
eben so leicht eintretenden Zeitpunkt
der Aussöhnung, als des Beleidigthaltens,
erwarten. Aber, theuerster Freund! ich
muß Sie daran erinnern, Sie sind beyde
in unserer Verbindung öffentliche Persohnen.
Sie stehen beyde, als Obere, an der Spitze
einer Gesellschaft, die es mit Vacht von
sich rühmt, Aufklärung und Bildung
des Charakters ihrer Glieder, zur Absicht,
und zur Erreichung dieser Absicht sehr
efficare Mittel zu haben. Beyde sterben
sie, mit gleicher Uneigennützigkeit dieser
Verbindung zu gründen, durch unzer-
reißbare Banden fest zu knüpfen.
Wollten Sie wohl diese Ihre bißherige
redliche Arbeiten dadurch vernichten, daß
Sie, bey der Einleitung un Ausführung
eines großen weitaus sehenden Plans,
zu leicht verkommenden kleinen Miß-
verständnißen, sich lieber der Empfind-
lichkeit überlaßen, die Mißverständ-
niße biß zur Mißfalligkeit [***]ten,
und zur lautbar werden laßen,
als zu dem, bey lautere Absichten |<5>
geben, daß ieder Verdacht, besonders
auch der unverdiente, mehr thut. Aber
so bald man einen unverdienten
Verdacht erfährt, ist er schon so gut
als getilgt, weil die Wahrheit ihre
Evidenz in sich selbst hat. Und was
besonders den Verdacht anbetrift,
als haben Sie die Ill. an die Strikte
Observanz verkaufen oder verrathen
wollen, so war der gar zu leicht
auszulöschen. Ich bin in auch bey der
Aufnahme Aarons[5] und Josephs[6] ge-
[***] worden; nicht nur unsere
persöhnliche Correspondenz könnte
darüber Auskunft geben, sondern
in Bezuge es auf meinen Eid, daß
ich, biß noch vor kurzem geglaubt
habe, Sie hauptsächlich stünden der
von mir gewünschten Coalition
entgegen, und Sie hätten es nach
Ihrer Einsicht vor nöthig erachtet,
auf den gänzlichen Umsturz der
Strikten Observanz zu arbeiten. |<6>
Schon in Mannheim habe ich darüber
Ihren Beyfall gehabt, daß, wenn das
Publicum uns in gewiße Arten von
Verdacht nimmt, unsere Ehre es erhei-
schen kann, solchen Verdacht mit Still-
schweigen zu verachten; daß aber
der Fall ganz anders sey unter BBrn
die wir schuldig sind uns dem Ir-
thum zu ziehen, und wenn wir auf
eine Anzahl Menschen würden fallen,
woozu ein verdachtstreger Charakterer
erfordert wird.
Was Sie vom Eigensinn und der
Herrschsucht des Br. Spartacus sagen,
das habe ich mit aller mir möglichen
Aufmerksamkeit überdacht, und
ganz offenherzig will ich es hier
sagen, wie es mir mit diesen Um-
ständen zu stehen scheint. Erstlich
habe ich ihn in seiner Correspondenz
mit mir, nichts weniger, als eigen-
sinnig oder herrschsüchtig befunden.
Ich hatte vielmehr mit weniger Nach-
gebenheit von ihm vermuthet. So |<7>
viel dünckt mich indeßen mehr zu
seyn, daß er seine eigene Meinung
eben so wohl liebt, als ein ieder
die seine, aber doch auch Gründen
dagegen Gehör giebt; daß er seine
Sätze nicht, ohne sie von mehr als
einer Seite geprüft zu haben, annimmt
und also, wenn er sie auch zuweilen
aufzugeben scheint, solche gleichwohl
unter eine andere Gestalt wieder
geltend zu machen sucht; das aber
schreibe ich gröstentheils auf die Kunst-
fertigkeit in der Logik des Profeßoors.
Vielleicht liegt der Grund hier von
auch in seiner gelehrten Erziehung,
die er, wie ich erfahren, bey großen
Sophisten genoßen hat, weswegen ich es
ihm sehr hoch anrechne, daß er so wenig
Sophist ist. Er hält auch weit mehr auf
die Hierarchie, als Os vehiculum,
als Sie und ich und die meisten Pro-
testanten es können. Aber außerdem
daß er nicht unbedingter Weiße darauf |<8>
besteht, so kann ich sehr wohl begreifen,
wie ihm diese Art zu denken, als dem
Profeßor, dem alles, was ihn umgibt,
die durch die Hierarchie so sehr erleichterte
Art, iede Verbindung zu denken, na-
türlich machen muß. Der helleste Kopf
in Constantinopel muß sich dennoch
iede republikanische Form als ein Un-
geheuer vorstellen, so lange, biß er
durch palpable Beweiße eines Beßern
überzeugt wird. Und warum wollten
wir es ihm übel nehmen, daß er für
seine Sätze und Meinungen streitet?
[***] wir nicht eben das? Für denkende
Köpfe gewinnt immer die Wahrheit
durch Wiedersprüche; für nicht denkende
ist Seyn und Schein [***]. Herrschen
kann Spartacus in einer Verbindung
nicht zur Absicht haben, die so sichtbarlich
auf die Aufklährung ihrer Mitglieder
geht; oder er müßte die Würkung
alle Aufklährung gar ot. kommen,
und den Sinn unsers Odens nicht ver-
stehen, den er doch studiert zu haben
scheint. Doch mein theurster, liebster |<9>
Freund und Bruder! ich glaube den deli-
catesten Punkt, und der Ihre Empfind-
lichkeit am mehrsten rege gemacht hat,
und unterhält, zu errathen. Und, so
delicat er ist, glaube ich doch mit dem
innig vertrautem Freunde, Hand in Hand,
Arm in Arm, und Brust an Brust, dar-
über sprechen zu können.
Aus ihren Briefen sehe ich so viel,
daß man, ohne Ihr Zuthun, an den
höhere Graden geändert hat, nach dem
sie eine Anzahl Bbr. nach der alten
Ausgabe initiiert hatten, und das,
meynen Sie, werde Ihnen bey diesen
Brüdern den Verdacht zuziehen, als hätten
Sie der Urausgabe veränderten lesarten
und Sätze untergeschoben. Aber, liebster
Freund, wenn die ge[***] Manier
der ersten Stifter, daß ihre Nahmen
nie bekannt werden sollen,
beständig
befolgt wird; wenn nach dem ich weiß
eben nicht in welchem Grade positio
gesagten Grund hatzu, der Orden nie
als höchst vollkommen angenommen
werden, sondern es eines ieden Brs |<10>
Pflicht seyn soll, solchen als seine eigene
Erfindung anzusehen, und die ihm nöthig
und nüzlich scheinende Verbeßerungen
vorzuschlagen; so kann durch diese lezte
Veränderung eben Ihnen kein nachtheiliger
Verdacht zu machen; dann, bleiben die
Erfinder unbekannt | und daß ist eine
höchst weise Manier | so müßen auch
die Veränderer und Verbeßerer unbe-
kannt bleiben. Also! Überdem sind in
die Veränderungen nur in den höheren
Graden vorgenommen, welche mit dem
ganzen Zusammenhange vertrautere
Brüder voraussetzen. Sollte von denen
einer oder der andere etwas muthmaßen,
so wird er nur mit Bbrn. von höhern
Claßen darüber sprechen, wo die höchste
Einigkeit und das unumschränkteste
Vertrauen herrschen sollte. Allerdings
fühle ich es wohl, daß es wenigstens
eine unterlaßene Höflichkeit ist, wenn
die ältesten Obern (deren einer, wie
Sie mir nicht undeutlich in Eisenach
zu verstehen gegeben, Spartacus ist.)
Aenderungen in der Struktur der
Grade machen, ohne einen solchen |<11>
Br. der so lange und so nützlich würksam
geworden ist, mit dazu zu ziehen. Aber,
liebster Herr Br. wie oft ist man nicht
in der Welt in dem Falle, eine versäumte
Höflichkeit übersehen zu müßen! Und
Freunden (welches wir Bbr. in vollen Sinn
des worts seyn müßen, oder wir sind
noch weniger verbunden. als die übrigen
Menschen) verzeihet man in so gern, ohne
andere Rücksicht. Hier aber kommt noch
die höhere Rücksicht hinzu: das Wohl, in
selbst der Bestand einer Verbindung, die
wir für werth genug gehalten haben,
ihr allerley Opfer von Zeit, Mühe, Ver-
säumniß und Geldaufwande zu machen.
Warum ihr nicht auch noch das Opfer unsere
Empfindlichkeiten?
Ich beschwöre Sie, liebster bester Br.
bey der Hochachtung, die ich für Ihre wahren
Verdienste um den Orden, habe, suchen
Sie diesen Funcken des Mißverständ-
nißes zu zertreten, ehe er weiter
glimmt. Er könnte unser ganzes Gebäude
in Asche legen, und alle Arbeit, die sie
selbst bißher daran verwendet haben,
vereiteln. Sie sind der einzige von |<12>
den ältern Brüdern dieses Systems,
den ich wißentlich, persöhnlich, und so
vertraulich kenne. Also kann ich nur
Sie so vertraulich bitten | und daß ich
keine selbstsüchtige Ursachen zu dieser
Bitte haben kann, wißen Sie, | selbst,
wofern es, wie ich nicht fürchten darf,
nöthig wäre, alle Schritte zu dieser
herzustellenden Einigkeit zu thun.
Vielleicht ist es Ihnen nicht unwichtig,
wenn ich noch hinzufüge, daß sonst
Sie mit Ursach wären, daß ich und
andere Bbr. abermals ein Jahr umsonst
gelebt und gearbeitet hätten.
Die Nachricht, welche Sie über die
Oberiägermeisterin von Nostiz verlangen,
werde ich nechstens im Stande seyn, Ihnen
zu senden.
An den Br. Schmerber[7] in Frankfurth,
habe ich in der Meße in Leipzig ein solches
unvorsichtiges, voreiliges, und so gar eitles
Os Mitglied gefunden, daß ich dem O.
nicht viele von seines Gleichen wünsche.
Sie werden es mir hier auf mein
Wort glauben, (weil ich das Ausführlichen
darüber an den Hsr. Insp. Campanelle[8] |<13>
berichten muß) daß es nöthig sey, mit
seiner Beförderung zu einer Directions-
stelle, sehr behutsam zu Werke zu gehen.
Vor allen Dingen müßte er erst Beweiße
von seiner Verschwiegenheit und Bruderliebe
gegeben habe.
Nachstehende Bitte eines Bruders be-
fördere ich zwar auch an Campanelle, aber
weil Sie in der Nähe dort wohnen, wage
ichs im Vertrauen auf Ihre besondere
brüderliche Freundschaft, sie auch Ihnen
aufs Angelegentlichste zu empfehlen.
Die Erfüllung von Os-wegen, wird eine
gute Würkung auf die hiesige Provinz
thun.
Ein gewißer Mosdorff von Eckartsburg
hält sich seit einiger Zeit in Grünstadt
in der Pfalz, drey Stunden von Worms
auf. Man giebt ihm Schuld, er sey
ein Verächter der Religion, spiele, und
debauchire; gebe sich vor einen Freymau-
rer aus; habe sich der Gunst des Erbgra-
fen von Leinigen-Westerburg, zu be-
meistern gewußt, und gebe diesem Herrn |<14>
höchstschädliche Anleitung; stifte Miß-
helligkeiten zwischen ihm und seiner
Gemahlin. etc. Wohlgesinnte, die
hiervon entfernte Nachrichten erhalten,
wünschten durch unpartheyische Menschen-
kenner von dem wahren Charakter
des gedachten Mosdorffs und von seiner
Aufführung, auf das baldigste unter-
richtet zu werden.
Gott befehlen, höchstgeschäzter Freund
und Bruder! Laßen Sie durch diesen
langen Brief, und durch seinen vertrau-
lichen Inhalt, die gütige Liebe und Gewo-
genheit nicht verringern, womit Sie
bißher erfreuet haben
      Ihren

           ganz ergebensten
              Aemilius.

Notes

  1. Thüringen/ Obersachsen.
  2. Georg Ernst von Rüling Item:Q973
  3. Niedersachsen.
  4. Johann Adam Weishaupt Item:Q1308
  5. Carl von Hessen-Kassel Item:Q494
  6. Ferdinand von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel Item:Q155
  7. Matthias Schmerber Item:Q1043
  8. Johann Martin Graf zu Stolberg-Roßla Item:Q1170