D-Q4497

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Commentary

Transcript

Der Bruder Aemilius ist gebohren zu Braunschweig, d 16ten Januar
1731. Sein Vater Joh. Georg B. war ein Mann von vielem
Genie, das unterdrückt, und von grossen Anlagen, die ganz falsch
entwickelt worden; dabey besaß er viele Ambition und eine
bis zur Heftigkeit gehende Lebhafftigkeit des Charackters; dieses
alles verleitete ihn zu Unternehmungen, welche ihn in grosse
Armuth stürzten, als Aemilius kaum 9 Jahr alt war. Seine
Mutter, was eine geborne Knigge, hatte ein edles, und sanftes
Herz, weibliches Herz. Furchtsam, religirus, und im höchsten Grade
mitleidig und duldend. Die Einflüsse der Vermischung von beyden
Characktern seiner Aeltern fühlt Aemilius noch sehr lebhaft.

In der frühesten Kindheit thaten ihn seine Aeltern zu einem
lutherischen Prediger zur Erziehung auf's Land und meinten ihn
zu einen künftigen Theologen zu bestimmen. Als Anno 1740 die
Umstände seines Vaters völlig ruinirt wurden, lies ihm
sein Lehrer merken, daß er ihn nicht behalten könne. Der Mann
hatte wirklich selbst eine zahlreiche Familie und wenig Einkommen.
So viel erinnert sich Aemilius noch von ihm, daß er redlich, aber
hart und streng war. Das Latein ward dem Aem. nicht liblich ge-
macht, in der Religion aber, worin er zugleich mit ein Paar Junckern
und einem Fräulein, einen höchst orthodoxen Unterricht genoß
that er von den Uebrigen starke Schritte, und solcher gestalt ward
er durch öfters Lob darüber, schon damals intolerant gegen
alles, was sein orthodoxer Lehrer verdammte, besonders waren
dies die Juden und Menonisten; und sein meistes Bestreben, waren
[***], obgleich kindische Spekulationen über die Unterscheidungs[***]|<2>

Da ich nur einige Züge seines Lebens auszeichnen kann, die seinen
Charakter, ohne die Bescheidenheit zu verletzen, andeuten, und zugleich
darauf führen können, wie dieser sich nach und nach gebildet [mit
dem Versprechen, so bald ich Zeit habe, eine etwas ausführlichere
treue Biographie voller Vertrauen in das Os Archiv nieder zu
legen, so kann ich der Kürze der Zeit wegen nur abgebrochen
nach chronologischer Ordnung schreiben.

Als Aemilius 1740 zu von seinem alten Plane weg mußte, führte
ihn sein Weg über Wolfenbüttel, woselbst er eine ziemlich wohlhabende
Tante besuchte, die ihn einige Wochen bey sich behalten wollte. Aemil
ohne Bücher und andre Beschäftigung, erkundigte sich in aller Stille nach
der lateinischen Schule und ihren Lectionen in den Klassen. Was
wußte er andres, als man dürfe nur hingehen um zu lernen.

Das that er, bald nach seiner Ankunft in Wolfenb. Er ging hin in
die 4 Classe deren Lectionen er sich gewachsen meinte, und setzte
sich unten hin, noch ehe der Lehrer kam. Dieser verbarg seine
Verwunderung, während der ordentlichen 2 Stunden, und als die
PrivatStunde anging, und Aem. nicht weggehen, sondern auch da
lernen wollte, gings an ein Examen über meine Umstände, wohin
woher? u.s.w. Er antwortete wahr. — Die Sache ward den Vorge-
setzten gemeldet, und der Herr Gen Superintend, sah den Knaben
aus Neugierde, ward ihm ziemlich gewogen, und wollte ihn in
seinen Studiis unterstützen. Es ward für sein kümmerligen
Unterhalt gesorgt. Einst kam ein Landprediger nach W. [***] bey
dem Gen. Superintedent, der ihm vom Aem. erzählte. Der Prediger
hatte keine Kinder und dabey eine einträgliche Stelle. Er machte es
mit dem gen. Sup. aus, daß er mich an Kindesstatt annehmen
wolle. Mein Glück schien gemacht. Mein Prediger war ein|<2>
übergetretener Mönch und hatte einen übergetretenen Namen die er
vom Braunschweigischen Hofe mit diser Pfarre dotirt, gefr[***]tet. Aem. zog
im Herbste zu ihm. Er hatte versprochen mich zu unterrichten,
das [***]sirte ihn aber nicht. Bey den Examen der Kinder, die er zur
Confirmation nach AmtsPflicht, bereitete, war Aem zugegen, und
bald der Unterlehrer. Im Jahr 1741, Ostern, also im 11. Jahre, nahm
er ihm zum Abendmahl an; und bis dahin hatte Aem ihn für einen
recht guten Christen, der Lehre nach, gehalten. Den Sommer darauf
ward Er in diesem Glauben irre, als der bekannte het[***] Edel-
mann, seine Wohnung bey ihm aufschlug, und man so unvorsichtig
war, nicht nur ihm Gespräche mit anhören zu lassen; sondern
sondern [sic!] so gar über die Religiosität dises Knabens zu spotten.

Dieses, und der Umstand, daß der Pfarrer mit der Absicht hervor
ging [Der Gen. Superintendent, war gestorben] als kleinen Lacqaien
zu brauchen, und zu kleiden. Dis machte, daß Aem. nach
Rücksprache mit seinem Vater, [***] jedes Handwerk, die ihm alle
gleich waren, zu lernen, und den Pfarrer verlies. Aemilius ver-
suchte es bey einem Kunstdrechsler, konnte es aber, weil er bis in
sein 14tes Jahr sehr klein und schwach war, nicht aushalten. Ein
Freund des Vaters Aemils rieth ihm, die Musik zu lernen. Der
Rath ward angenommen, obgleich Aem. noch keine Note kannte, und
sich weder Neigung noch Talente zur Musik fühlte, sondern bloß
wünschte, seinen Aeltern aus der Unterhaltung zu kommen. Seine
Lehrjahre, bey einem ordentlichen Kunstpfeifer fingen Himmelfarth
1742 an. Er wart si fleißig in der Musik, als es bey den Haus-
arbeiten, dazu manche ihn brauchte seyn konnte, und er musicirte
so gut, als es sein Meister erlaubten. Sein Herz, das leicht be-
weglich und sehr empfindlich war, haftete, bey der Folge von
traurigen Widerwärtigkeiten, voll Hofnung, an die Religion, und|<3>
ward er durch diesen Hang des Herzens, zur [***] eines Predigers
in Braunschweig geführt, der Privat[***]ungen, und wie man
sagte, pietistisch, für mich aber rührend predigte. Dieser Prediger war
zwar als ein gottloser Heuchler entdeckt. Aem. aber hatte durch ihn
den Vortheil, daß er allerley gute Bücher zum Lesen, und
mit besseren Leuten, als seinen Cameraden ein [***]
bekam. Sein Hang zum Nachdenken gewann gleichfalls dabey;
und der kindisch fromme Trieb, etwas zur Privat Erbauung
beyzutragen, vielleicht aus Ambition, sich hervor zu thun, bewegte
ihn, Lieder mir Melodien zu machen. Zur Poesie hatte er
gar keine Anleitung, zur Composition trieb er Bücher auf, die
er nebst einigen Partituren, die er habhaft werden konnte, studirte.
Er ward bald der beste unter seinen Mitgenossen; und das
minderte sein Trübsal um Nichts. Die gütige Aufmunte-
rung des Capelldirecktors v. B. erhielt seine Geduld und seinen
Fließ, da zu mal der damals regierende Herzog ihm versprach,
ihn einst auf seine Kosten reisen zu lassen.

Anno 1747 schickte Braunschweig Truppen zur allirten Armee
nach Holland. Es fehlte dabey an Oboisten. Aemilius liß sich
bewegen, als solcher Dienste zu nehmen, und ging mit, voll
täuschender Freude, über seine Erlösung aus seinem sklavi-
schen Lehrjahre, bey einem harten geizigen Ehrgeiz und
[***]schen boßhaften Gesellen. Er hatte Umgang gehabt
bey dem obgedachten Freunde seines Vaters, der auch Musik
lebte, und hatte eine aufkeimende Neigung gegen dessen
sehr hübsche 13Jährige Tochter empfunden. In Holland, in
den Winterquartiren ward Aemilius in seinem Quartir
bey Menoniten, sehr krank. Die ausserordentlich gütige Pflege, |<4>
die ihm von der ältesten Tochter des begüterten
Hauses widerfurh, machten ihn erst sehr dankbar, und nach und
nach, ward dise Dankbarkeit heftige Libe, welche Gegenlibe erweckte.
Die Aeltern, die ihre Tochter sehr zärtlich libten, willigten mit der
Bedingung ein, wenn ich die Einwillig der Meinigen herbey schafte.
IchAem zweifelte daran nicht, weil es eine reiche Verbindung, auf
die arme Aeltern gerne zu sehen pflegten. Er betrog sich. Sein
Vater hatte andere Plane auf das Versprechen des Herzogs gebaut,
an der seine Ambition Theil hatte. Und bey seiner Zurückkunft
Anfangs 1749, drohte er ihm mit dem Väterlichen Fluche, wenn
Er nicht einer Verbindung mit einer Menonitin versagte.

Er gehorchte. Der Freund seines Vater war während seiner Abwesen-
heit gestorben und hatte die Seinigen in traurigen Umständen
hinterlassen. Aemils blutendes Herz fühlte mit ihnen herzlich
Mitleiden. Bey seiner verlornen Hofnung auf Holland reichte
dies Mitleiden zu einer Empfindung, die ein 17Jähriger jun-
ger Mensch für Libe halten kann. Der Capelldirecktor war ein
Freund diser Nachgelaßenen. Aemils Aeltern sahen diese
Neigung gerne, weil solche dem Sohn an sein Vaterland fesseln
würden. Solchergestalt von Innen und aussen aufgemuntert
heyratete er mit 17 Jahren ein schönes Mädchen, die kaum 15 war,
und mit der er, alles ge[***], ein festes Einkommen von
etwas 70 bis 80 Rthl. hatte. Aber reich an Hofnung, durch
Fleiß ein bedeutender Musikus zu werden. Er hatte zugestanden
reiche Talente zur Musik. Er fühlte sich aber, daß es ihm
an Hülfs Wissenschaften fehlte, um aus der gemeinen Classe
heraus zu gehen. Mit einer [***] zu Vorsichtigkeit aufs Glück
oder Gott und sich selbst, ging er im Herbst 1749 nach Helmstädt
um zu studiren, Musik zu üben, und sich durch Unterricht geben|<5>
durchzuhelfen. Hier nahm sich seiner der jezige Superintendent
Stockhausen, in Hanau der damals Magister Leges war, mit Güte
und freundschaftlichem Rathe an. Wie kümmerlich seine Umstände
waren, indem er ausser sich selbst, von 70 bis 80 Thalern das folgende
Jahr schon eine Frau nebst einem Kinde zu nähren hatte, läßt
sich schliessen. Indessen that er was er konnte, bey seiner gezwungen
einsamen Lebensart, seine Kunst und sich selbst immer besser
kennen zu lernen. Stockhausen entdeckte an ihm Fähigkeiten,
die er sich selbst nie zugetrauet hatte; und diese Entdeckung
war ihm Trost. Indessen erlaubten ihm seine Mittel nicht
von Professoren Hülfe zu deren Ausbildung zu erwarten.
Jedoch blieb er in Helmstädt bis 52, um sich der Gelegenheit
Bücher, die ihm Stockhausen vorschlug, zu erhalten, zu bedienen.
Welche er in Braunschweig nicht haben konnte. Diser 3 Jährige
Aufenthalt, der selten durch eine kleine Reise zu Fuß nach
Braunschweig zu seiner Frau, und zur R[***] unterbrochen ward,
machte eine grosse Aenderung in der Denkart Aemils. Er war
sehr wißbegierig, mußte aber zu allen, was er wissen
wollte, durch selbst gesuchte Wege, durch Lesen gelangen,
die dann sehr krumm und mühsam waren. Sein Herz gewann
indessen dabey mehr, als sein Kopf. So viel erinnert Aemil
sich noch, daß er die Musik nach der Poesie und Beredsamkeit
studirte. Als er 1752 Helmstädt ganz verließ, war es
natürlich, daß er am Umgange mit seinen Baueroden keinen
Geschmack fand, um desto mehr, da die



Notes