D-Q4499

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Commentary

Transcript

Ich bin zu Ende des Julius 1746 zu Herzberg im
Hannöverschen geboren. Vom sechsten bis zum fünf-
zehnten Jahre bin ich in meiner Vaterstadt durch
sechs nach einander erhaltene Privatlehrer und mit
etlichen jungen Leuten zugleich, unterrichtet worden,
bis zum dreyzehnten Jahre der Theologie und hierauf
der Rechtsgelehrtheit bestimmet gewesen. Im fünf-
zehnten Jahre wurde ich auf das Gymnasiums zu Han-
nover geschickt, konnte aber wegen eines erhaltenen
Freytisches auf der Universität Göttingen, nur ein Jahr
in Hannover zubringen. Im J. 1764 gieng ich auf dise
Universität, besuchte Vorlesungen über die gantze Ju-
risprudenz und etliche Theile der Philosophie, Mathe-
matik und schönen Wißenschaften. Diser Aufenthalt
dauerte 3 1/2 Jahr. Nach einem Zwischenna[***] von drey-
zehn Monaten, die ich theils bey meinen Aeltern, theils
bey einem kranken Freunde auf dem Lande zubrachte,
trat ich die Hofmeisterstelle bey dem Churhannöverschen
Intendent von Dankwarth zu Bremen an, unterrichtete
vier Kinder deßelben 1 1/2 Jahre und wurde hierauf
Hofmeister des jüngern Herrn von dem Bussche aus Han-
nover[1], jetzigen holländischen Hauptmannes. Mit diesem|<2>

gieng ich nach Leipzig, gab aber nach 2 Jahren die
Stelle auf und wurde einige Monate nachher Hofmeister
des ältern Grafen von Schönburg-Wechselburg[2]. In
Verbindung mit diesem E[***] habe ich zuerst drey
Jahre zu Leipzig, als denn ein Jahr zu Göttingen, dar-
auf wiederum ein Jahr zu Leipzig und nachher etliche
Monate zu Berlin zugebracht. Durch des jungen Gra-
fen und seiner Verwandten Vermittlung erhielt ich
im J. 1777 den Access beym Ober-Postamte zu Leip-
zig und bin seit 1780 Ober-Postcommißarius.

Mein Vater hatte den besten Willen, in mir
einen tugendhaften, geschickten und arbeitsamen Menschen
zu erziehen. Er sparte kein Geld und kein Mittel, das
er für zweckmäßig hielt und in seiner Gewalt hatte.
Aber, ob er gleich meine Fähigkeiten überhaupt prüfen
konnte: so hatte er doch nicht selbst studiert und muste
also bey Einrichtung meiner Studien Rathgebern folgen.

Er war in eine Menge schwerer, sorgenvoller Arbeiten
verwickelt und muste mich auser dem Hause unterrichten
laßen, also konnte er die Anwendung meiner Zeit und
Kräfte nicht übersehen. Er war strenge und jähzornig - Sohn
und Lehrer fürchteten ihn und suchten immer durch meinen|<3>
scheinbar guten Erfolg meiner Beschäftigungen, ihn
bey guter Launge zu erhalten. In acht Jahren sechs
verschiedene Lehrer, der öftere Wechsel der Metho-
den, der Mangel der Nacheiferung in den leztern
Jahren, wo ich unter den wenigen Schülern der älteste
und geschickteste war, Mangel an genauer Aufsicht
zu Hause, der geänderte Entschluß, mich der Theologie
zu widmen, ein gesunder, geschmeidiger Körper, mit
welchem ich in dem Zirkel meiner Jugendfreunde eine
Rolle spielen konnte, ohne daß ich durch Wißenschaft
mich hervor zu thun brauchte __ dieses alles hat bey-
getragen, daß nicht der rechte Grund zu meinen
Studien gelegt wurde, daß ich mich mit dem, was ich
würklich leisten sollte, abfinden konnte, daß mein Geist
bey Zeitvertreiben thätiger war, als bey ernsthaften
Beschäftigungen. Auf der Schule zu Hannover wäre
vieles versäumte nachgeholt worden, denn ich fand
da Nacheiferung, gute Beyspiele und vortrefliche Me-
thoden und hatte das Glück, von dem damaligen Pi-
rector, einem der besten Schulmänner, die mir bekannt
geworden sind, bemerkt zu werden; allein mein Aufent-
halt dauerte zu kurtze Zeit. Bevor ich zu der Rechtswis-
senschaft, für die mich nicht aus Liebhaberey sondern aus|<4>
Ehrgeiz und in Hofnung größere Freyheit, geword bestim-
met hatte, die nöthigen Vorerkenntniße einsammeln,
mich in der lateinischen Sprache recht festsetzen konnte
und meine eben ausbrechenden Leidenschaften einiger-
maßen beherrschen lernte, kam ich ohne alle Aufsicht
auf die Universität, in Hörsääle, wo die Trockenheit
der Materie und die Unverständlichkeit des Vortra-
ges mir lange Weile machten, unter einen Haufen
junger Leute, die meinen Hang zu Beschäftigungen, wel-
che keine Anstrengung kosten und zu Zerstreuungen, die
an sich unschuldig sind, begünstigten. Schöne Wißenschaf-
ten undwas damit verwandt ist, trieb ich als Studium
und die Rechte, als Nebensache. So wurde ich denn am
Ende gewahr, daß ich als Richter oder Advocat nicht fort-
kommen würde; und da gleichwohl mein Vater, deßen
Vermögensumstände sich in dieser Periode merklich ver-
schlimmert hatten, mich nicht weiter unterstützen konnte:

so suchte ich als Hofmeister unter zu kommen. Hier fand
ich zwar Gelegenheit, viele Lücken in meinen Studien
auszufüllen; allein der Fehler war schon zu tief einge-
meizelt, und die Verbindlichkeit des Hofmeisters, immer
um den [***] zu seyn, und den Nebenzweck, sich selbst
zu unterrichten, dem Hauptzweck unterzuordnen, hat be-
würkt, daß ich aus dieser Periode nicht viel mehr aufweisen|<5>
kann, als eine mäßige Kenntniß der englischen Sprache,
mehr Fertigkeit in der französischen, etwas Geschicklich-
keit und Geschmack in den zeichnenden Künsten und die
Bekanntschaft etlicher vortreflicher, aufgeklärter Männer,
deren Umgang ich das, was ich ich [sic!] von Menschenkenntniß,
Selbstkenntniß und practischer Philosophie besitzen mag,
am meisten zu danken habe. Dieses alles wird bewei-
sen, daß der Umfang meiner Kenntniße in wißen-
schaftlichen Dingen geringe und ziemlich seicht ist. Zum
Glücke für mich und andere, habe ich nicht den Ehrgeitz
gehabt, eine glänzende Stelle in der Welt zu spielen,
oder mich Aemtern aufzudringen, die einen gelehrten
Mann erfordern. Ich scheue mich nicht zu sagen: dieses
oder jenes weiß ich nicht, dieses oder jenes kann ich nicht;
aber das, was ich weiß, möchte ich gern gut einkleiden,
und das was ich kann, mit Beyfall verrichten. Ich
genieße das Glück des Mittelstandes und lebe in Frieden
mit meinen Vorgesetzten, Collegen und Untergebenen.

Im J. 1769 bin ich zu Bremen in den Freymaurer-
Orden getreten und habe 1773 zu Leipzig den vierten
Grad erhalten. Die Neugier, zu wißen, was in dem Orden
vorgehe, hat mich dazu getrieben; und in der Folge habe
ich kein anderes Geheimniß geglaubt oder gesucht, als die
Geschäfte des Ordens. Von allen Schwärmern, Wunderthätern|<6>
und An[***] habe ich mich abgewandt und daher [***]
ren Schritt der Leichtgläubigkeit zu benennen. Freund-
schaft, Geselligkeit und das Würken im verborgenen ha[ben]
mir die Verbindung angenehm gemacht; aber von den [***]
sten Triebfedern der grosen Maschine habe ich einmal
eine hohe Meinung faßen können.


Notes