D-Q6712: Difference between revisions

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== Commentary ==
Von der Rede Rudorfs ist dessen eigene handschriftliche Fassung nicht mehr überliefert. Die in Band 14 der Schwedenkiste vorliegenden beiden Kopien divergieren nur in der Rechtschreibung und sind hier miteinander verglichen worden ohne einen Variantenapparat zu erhalten.


== Transcript ==
== Transcript ==
<poem>
<poem>
N:VII
N: VII
______
 
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Es sind nunmehro zwey Jahre, da ich aus einer Lage ging, in der Hofnung, zu einem
Es sind nunmehro zwei Jahre, da ich aus einer Lage gieng, in der ich die Hofnung, zu einem  
besseren Glück zu gelangen, beynahe aufgegeben hatte. Denn einige Hofnungen muß man nicht zu
besseren Glück zu gelangen, beinahe aufgegeben hatte. Denn einige Hofnungen muß man nicht zu  
lange nähren, um sich nicht eine Otter im Busen zu erziehen! Der Zirkel, der mich umschloß,
lange nären, um sich nicht eine Otter im Busen zu erziehen! Der Zirkel, der mich umschloß,  
war eng, aber auch der engste gewähret Platz genug, um thätig und nüzlich zu werden.
war eng, aber auch der engste gewähret Platz genug, um thätig und nüzlich zu werden.  
Die Erfüllung dieser Pflicht, verschafte mir eib zureichendes obschon ungewisses Auskommen.
Die Erfüllung dieser Pflicht, verschafte mir ein zureichendes obschon ungewisses Auskommen.  
Ich kante keinen, oder doch keinen anngenehmern Überschuß, als den des Bewußtseyns, das
Ich kannte keinen, oder doch keinen angenehmern Überschuß, als den des Bewußtseyns, das  
mir mögliche Gute ausgerichtet, und keine Unzufriedenheit meiner Nebenmenschen wider mich
mir mögliche Gute ausgerichtet, und keine Unzufriedenheit meiner Nebenmenschen wider mich  
<<>> zu haben. Auf den Muth und die Stärke, große Tugend zu üben, machte ich nie  
erregt zu haben. Auf den Muth und die Stärke, große Tugend zu üben, machte ich nie
Ansprüche, sondern dankte Gott, der mir einige Güte des Herzens verlieh, und das Wenige
Ansprüche, sondern dankte Gott, der mir einige Güte des Herzens verlieh, und das Wenige  
selbst gut mit niemanden]?] half, was von mir in der allgemeinen Ausstattung zugetheilt
selbst gut mit anwenden half, was er mir in der allgemeinen Ausstattung zugetheilt  
hatte. Da das kleinste Licht nicht ohne Schatten ist, so mag unter meinen
hatte. Da das kleinste Licht nicht ohne Schatten ist, so mag unter meinen  
Fehlern dieß vielleicht der größte seyn, und ich auf eine höhere Fürsorge
Fehlern dies vielleicht der größte gewesen seyn, wenn ich auf eine höhere Fürsorge  
im Alter zu wenig baute. Daher ich damahls auf eine gewisse Aengstlichkeit Mittel
in allen zu wenig baute. Daher ich damahls auf eine gewisse Aengstlichkeit Mittel  
zur Verbesserung meiner Umstände suchte, deshalb Aeusserung that, biß denn eine
zur Verbesserung meiner Umstände suchte, deshalb Aeusserung that, biß dann eine  
solche <<>>ssinnung aufgefaßt, weiter geführt. in der Schnelle eines der <<>>atesten|<2>
solche Aeusserung aufgefaßt, weiter geführt, an der Schwelle eines der erhabensten|<2>  
edelsten Menschenfreunde niedergelegt wurde, und ---- --doch meine devoteste dankbarste Empfindung
edelsten Menschenfreunde<ref>Johann Joachim Christoph Bode [[Item:Q133]], der Rudorfs Berufung nach Gotha 1782/83 in die Wege leitete.</ref> niedergelegt wurde, und &mdash;&mdash; &mdash; doch meine devoteste dankbarste Empfindung  
ist zu groß, zu voll, als daß sie sich in Worten sark und würdig genug hierüber auszudrücken
ist zu groß, zu voll, als daß sie sich in Worten stark und würdig genug hierüber auszudrücken  
vermöchte.
vermöchte.


Dieser Weg war für mich, in allem Betracht neu, fremd, und hätte mein Herz nicht mehr  
Dieser Weg war für mich, in allem Betracht neu, fremd, und hätte mein Herz nicht mehr  
Rechnung, als meine vieljährige Gewohnheit, dabey gefunden, so wäre er vielleicht nach vier
Rechnung, als meine vieljährige Gewohnheit, dabei gefunden, so wär er vielleicht nach vier  
Wochen wider geendigt gewesen. [...]
Wochen wider geendigt gewesen. Wer legt menschliche Handlungen aus? Doch wohl jeder
ehrliche Mann, die seinigen am besten, weil er die Materie derselben am besten kennt. Aber
wie gesagt, mein Herz fand Befriedigung; und fand eine der schönsten zu gleich, durch den mir
vergönnten Eintritt in diese ehrwürdige Verbindung.
 
Sie ist mir so teuer als mein Leben, aber sie erlaubt mir auch, diesen Satz umgekehrt zu behaupten,
und hier auf jene Pflicht zu kommen, welche ganz allein die Ursachen in sich faßt,
die mich bewogen haben, mit höherem Vorbewußt, mit Genehmigung meiner erh. Oberen, und mit
dem Gott bekannten Vorsatz, daß dadurch an meiner anhänglichen Treue nichts geändert werden soll
wieder ins Vaterland zurückzukehren, in der Hofnung, einiger Lebensvortheile zu genießen, die
ich bey meinen Jahren und Gesundheits-Umständen als solche anzusehen gerechtiget zu seyn glaube.


Er vergelte Ihnen insbesondere jede an <<>>
Das Grundgesetz der Selbsterhaltung, welches durch die physische und moralische Welt
<<>> Freundschaft, und lasse meinen, für die Sache dieses Worts empfindlichen
gleich aus läuft, ist selbst Ihnen heilig, und klänge dies ein wenig hart, so lasse es theil-|<3> 
nehmende Freunde, wie Sie, Hoch- und Verehrungswürdige Brüder! auf den Umriß meines bißherigen
Häußlichen schließen! Die Überzeugung von Ihrer Herzesgüte, der Trost, Ihnen anzugehören, waren
die alleinigen Pfeiler, an denen ich mich unter diesen unausstehlichen Unvollkommenheiten aufrecht
erhielt. Ihre Zufriedenheit mit meinem Verhalten, und daß Sie meine geringen Arbeiten nicht miß-
billigten, sondern einen alltäglichen Kopf, gleichsam in Ihren bessern Galerie aufgestellt, mit hingehen
ließen; daß hat mich überzeugt, daß durch solche Freunde, auch große Unannehmlichkeiten des Lebens,
biß zu einem gewissen Grade der Erträglichkeit erhöhet werden können.
 
Dafür bringe ich Ihnen jetzt meinen gerührtesten verbindlichsten Dank, welchen ich, zugleich mit
einigen Wünschen und Bitten begleite.
 
Haben vorzügliche Ämter insgemein auch den Vorzug größerer Sorge, und ist besonders
das Amt eines vorsitzenden O<sup>s</sup>-Oberen, der mit Gelindigkeit herrschen und mit Vater-Güte regieren
soll, eines der schwersten und wichtigsten; was kann, was darf ich Ihnen, erlauchter, vortrefflicher
Herr Superior<ref>Christian Georg von Helmolt [[Item:Q474]]‎.</ref> neben Ihrem fernern  langen beglückte Leben, mehr wünschen, als standhaften Eifer
für die gute und große Sache Ihres Geschäfts, das seinen Beförderer nicht ohne Belohnung läßt!
Wir, Ihre untergebenen Brüder, erlauchter Superior, kennen unsere Obliegenheit, Ihnen dabey
entgegen zu kommen, zu gut, als daß wir Ihnen eine in unserer Absicht gewiß schwere Bürde, zu er-
leichtern, nicht das Unserige willig beytragen, und uns selbst der Belohnung des beförderten Guten|<4>
dadurch teilhaftig machen sollten. Wir kennen ja unser Gelübde! Ein so wahr mir Gott helfe
hat es kräftig und verbindend gemacht! Wir werden ja auch so behandelt, so durch sanfte Güte
aufgemuntert, daß uns dür laue Unthätigkeit in einem Werck, das unser und der Welt
Interesse betrifft, fast keine Entschuldigung übrig bleibt. Scheinen unsere Bemühungen oft wie die
verschiedenen Arbeits-Stücke des Künstlers vor der Zusammensetzung, ohne Absicht eines
Ganzen, durch einander zu liegen, so werden sie doch gewiß zusammengefügt, und welch
ein Vergnügen für den Pflanzer, sagen zu können: dieß Bäumchen hab ich gesezt, &mdash;
meine Nachkommen werden die Früchte davon genießen!
 
Der Höchste bemerke jede Ihrer treuen Absichten, Hoch- und Verehrungswürdiger Bruder
mit Wohlgefallen! Er begründe den Standpunct, auf welchen Sie verschiedent-
lich stehen, mit wahrem zufriedenem Wohl. Er eröfne Ihnen von selbigem eine ange-
nehme Aussicht über die andere! &mdash; Mache Sie sehr glücklich in Theils Ihren Familien,
und in allen ihren überigen Verhältnissen! Er vergelte Ihnen insbesondere jede an mir
bewiesene Freundschaft, und lasse meinem, für die Sache dieses Worts empfindlichen
Herzen, das Recht, auf Ihre allerseitige Gewogenheit auch in der Entfernung
Herzen, das Recht, auf Ihre allerseitige Gewogenheit auch in der Entfernung
rechnen zu dürfen.
rechnen zu dürfen.
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</poem>
</poem>
== Notes ==
<references/>

Latest revision as of 16:22, 31 October 2019

Commentary

Von der Rede Rudorfs ist dessen eigene handschriftliche Fassung nicht mehr überliefert. Die in Band 14 der Schwedenkiste vorliegenden beiden Kopien divergieren nur in der Rechtschreibung und sind hier miteinander verglichen worden ohne einen Variantenapparat zu erhalten.

Transcript

N: VII

_______


Es sind nunmehro zwei Jahre, da ich aus einer Lage gieng, in der ich die Hofnung, zu einem
besseren Glück zu gelangen, beinahe aufgegeben hatte. Denn einige Hofnungen muß man nicht zu
lange nären, um sich nicht eine Otter im Busen zu erziehen! Der Zirkel, der mich umschloß,
war eng, aber auch der engste gewähret Platz genug, um thätig und nüzlich zu werden.
Die Erfüllung dieser Pflicht, verschafte mir ein zureichendes obschon ungewisses Auskommen.
Ich kannte keinen, oder doch keinen angenehmern Überschuß, als den des Bewußtseyns, das
mir mögliche Gute ausgerichtet, und keine Unzufriedenheit meiner Nebenmenschen wider mich
erregt zu haben. Auf den Muth und die Stärke, große Tugend zu üben, machte ich nie
Ansprüche, sondern dankte Gott, der mir einige Güte des Herzens verlieh, und das Wenige
selbst gut mit anwenden half, was er mir in der allgemeinen Ausstattung zugetheilt
hatte. Da das kleinste Licht nicht ohne Schatten ist, so mag unter meinen
Fehlern dies vielleicht der größte gewesen seyn, wenn ich auf eine höhere Fürsorge
in allen zu wenig baute. Daher ich damahls auf eine gewisse Aengstlichkeit Mittel
zur Verbesserung meiner Umstände suchte, deshalb Aeusserung that, biß dann eine
solche Aeusserung aufgefaßt, weiter geführt, an der Schwelle eines der erhabensten|<2>
edelsten Menschenfreunde[1] niedergelegt wurde, und —— — doch meine devoteste dankbarste Empfindung
ist zu groß, zu voll, als daß sie sich in Worten stark und würdig genug hierüber auszudrücken
vermöchte.

Dieser Weg war für mich, in allem Betracht neu, fremd, und hätte mein Herz nicht mehr
Rechnung, als meine vieljährige Gewohnheit, dabei gefunden, so wär er vielleicht nach vier
Wochen wider geendigt gewesen. Wer legt menschliche Handlungen aus? Doch wohl jeder
ehrliche Mann, die seinigen am besten, weil er die Materie derselben am besten kennt. Aber
wie gesagt, mein Herz fand Befriedigung; und fand eine der schönsten zu gleich, durch den mir
vergönnten Eintritt in diese ehrwürdige Verbindung.

Sie ist mir so teuer als mein Leben, aber sie erlaubt mir auch, diesen Satz umgekehrt zu behaupten,
und hier auf jene Pflicht zu kommen, welche ganz allein die Ursachen in sich faßt,
die mich bewogen haben, mit höherem Vorbewußt, mit Genehmigung meiner erh. Oberen, und mit
dem Gott bekannten Vorsatz, daß dadurch an meiner anhänglichen Treue nichts geändert werden soll
wieder ins Vaterland zurückzukehren, in der Hofnung, einiger Lebensvortheile zu genießen, die
ich bey meinen Jahren und Gesundheits-Umständen als solche anzusehen gerechtiget zu seyn glaube.

Das Grundgesetz der Selbsterhaltung, welches durch die physische und moralische Welt
gleich aus läuft, ist selbst Ihnen heilig, und klänge dies ein wenig hart, so lasse es theil-|<3>
nehmende Freunde, wie Sie, Hoch- und Verehrungswürdige Brüder! auf den Umriß meines bißherigen
Häußlichen schließen! Die Überzeugung von Ihrer Herzesgüte, der Trost, Ihnen anzugehören, waren
die alleinigen Pfeiler, an denen ich mich unter diesen unausstehlichen Unvollkommenheiten aufrecht
erhielt. Ihre Zufriedenheit mit meinem Verhalten, und daß Sie meine geringen Arbeiten nicht miß-
billigten, sondern einen alltäglichen Kopf, gleichsam in Ihren bessern Galerie aufgestellt, mit hingehen
ließen; daß hat mich überzeugt, daß durch solche Freunde, auch große Unannehmlichkeiten des Lebens,
biß zu einem gewissen Grade der Erträglichkeit erhöhet werden können.

Dafür bringe ich Ihnen jetzt meinen gerührtesten verbindlichsten Dank, welchen ich, zugleich mit
einigen Wünschen und Bitten begleite.

Haben vorzügliche Ämter insgemein auch den Vorzug größerer Sorge, und ist besonders
das Amt eines vorsitzenden Os-Oberen, der mit Gelindigkeit herrschen und mit Vater-Güte regieren
soll, eines der schwersten und wichtigsten; was kann, was darf ich Ihnen, erlauchter, vortrefflicher
Herr Superior[2] neben Ihrem fernern langen beglückte Leben, mehr wünschen, als standhaften Eifer
für die gute und große Sache Ihres Geschäfts, das seinen Beförderer nicht ohne Belohnung läßt!
Wir, Ihre untergebenen Brüder, erlauchter Superior, kennen unsere Obliegenheit, Ihnen dabey
entgegen zu kommen, zu gut, als daß wir Ihnen eine in unserer Absicht gewiß schwere Bürde, zu er-
leichtern, nicht das Unserige willig beytragen, und uns selbst der Belohnung des beförderten Guten|<4>
dadurch teilhaftig machen sollten. Wir kennen ja unser Gelübde! Ein so wahr mir Gott helfe
hat es kräftig und verbindend gemacht! Wir werden ja auch so behandelt, so durch sanfte Güte
aufgemuntert, daß uns dür laue Unthätigkeit in einem Werck, das unser und der Welt
Interesse betrifft, fast keine Entschuldigung übrig bleibt. Scheinen unsere Bemühungen oft wie die
verschiedenen Arbeits-Stücke des Künstlers vor der Zusammensetzung, ohne Absicht eines
Ganzen, durch einander zu liegen, so werden sie doch gewiß zusammengefügt, und welch
ein Vergnügen für den Pflanzer, sagen zu können: dieß Bäumchen hab ich gesezt, —
meine Nachkommen werden die Früchte davon genießen!

Der Höchste bemerke jede Ihrer treuen Absichten, Hoch- und Verehrungswürdiger Bruder
mit Wohlgefallen! Er begründe den Standpunct, auf welchen Sie verschiedent-
lich stehen, mit wahrem zufriedenem Wohl. Er eröfne Ihnen von selbigem eine ange-
nehme Aussicht über die andere! — Mache Sie sehr glücklich in Theils Ihren Familien,
und in allen ihren überigen Verhältnissen! Er vergelte Ihnen insbesondere jede an mir
bewiesene Freundschaft, und lasse meinem, für die Sache dieses Worts empfindlichen
Herzen, das Recht, auf Ihre allerseitige Gewogenheit auch in der Entfernung
rechnen zu dürfen.

Ali

Notes

  1. Johann Joachim Christoph Bode Item:Q133, der Rudorfs Berufung nach Gotha 1782/83 in die Wege leitete.
  2. Christian Georg von Helmolt Item:Q474‎.