D-Q5056

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Commentary

  • Bezug, und Kritik, an Schriften Weishaupts.

Transcript

Göttingen den 5. Ader Jzddrgrd 1156

Ihre gütige zuschrift, E. Ob., war für mich zu schmeichelhaft, als
Das ich Ihnen nicht sollte den lebhaftesten dank dafür sagen. Da
Ich hier mitten unter brüdern isolirt und außer nähern O. verbindung
lebe, so war es um so mehr für mich bedürfniß von Ihnen selbst
aufgemuntert zu werden, um nicht zu erschlaffen. Und Ihr zutrau-
en, Ihre aufforderung, wie können Sie anders bey einem jüngling
von meinem alter und denkungsart als gerechten Stolz erzeugen,
ein gewisses selbstvertrauen auf meine Kräfte, und verdoppelte
aufregung zu ausbildung derselben, um, was ich itzt nicht ver-
mag, mit der zeit Ihren erwartungen zu entsprechen! Ich werde
es mir zur pflicht machen, wie ich schon längst in der stille aus neigung
gethan habe, fremde mängel und unvollkommenheiten zu bemerken,
Ihnen anzuzeigen, und meine unmaßgebliche meinung über hebung der-
selben beyzufügen, aber nie will ich darüber die mir noch viel näher
liegende angelegenheit vergessen, meine eignen fehler und mängel auf-
zuspüren und zu verbessern. Um einen großen theil meiner morali-
schen kenntnisse überhaupt als in sonderheit der einsicht in den
geist unsres O hat mich neulich die lesung der zwo neuesten
Weishauptischen Schriften bereichert. Mit diesen im ganzen
vollkommen zufrieden fand ich einzelne mängel, oder, glaubte
sie zu finden, die ich weggewünscht hätte. Gewisse vielleicht
nicht behutsam genung gewählte ausdrücke; eide; drohungen, etc.


die mir itzt nicht gerade vorschweben, würden besser weggeblieben
seyn. Am wenigsten war ich mit der rede über die schrecken des
todes[1] zufrieden, die allerdings von den feinden des Ill. Systems als
dem selbstmord günstig angesehen werden kann, und eine zu einsei-
tige, schwarze schilderung von den qualen des menschs. Lebens; des
gleichen man sich nie erlauben sollte, enthält. Ich fürchte,
daß diese auch einzeln abgedruckte rede mehr unheil als nutzen
stiften wird.
Uebrigens wünsche ich nichts mehr, als einmal aus voller
überzeugung Hn. Drexl nachsagen zu können: dem einfluß
des O verdanke ich vornehmlich die lebhafte überzeugung,
daß überall nichts wahrhaft gut sey, als allein ein guter
wille, seinem unterricht die lehre, daß sittlichkeit allein das
würdigste ziel alles menschlichen bestrebens, der einzige wahre
zweck aller cultur und aufklärung, und der höchste vorzug
der menschheit sey.
Um hiezu zu gelangen, will ich auf meiner seite alles mögli-
che beytragen, und ich verspreche mir auf Ihrer seite un-
terstützung meiner bemühungen, der ich mit unbegränzter
hochachtung verharre, E. Ob.,

Ihr gehorsamster
Justus Lipsius

Notes

  1. Adam Weishaupt, herzogl. Sachsen Gothaischer Hofrath, Über den Schrecken des Todes (Nürnberg: Grattenauer, 1786).