D-Q4719

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Commentary

Transcript

Fortsetzung.[1]

Indem ich bißher über Justiz-Verfaßung das Ein- und Andere ver-
handelte, so schien des Basilius leztere Reprosche durch den übersxhribenen
vers des Martials:

       Liberior sub Partho vivere rege potes[2]

Mir einige Mäßigung zu rathen, ohne mich von der Betrachtung
selbst abbringen zu wollen.

Ich erkenne das Wohlthätige einer guten Justiz, vor andern als
Glückseeligkeitm laße auch meine Handlungen und mein ganzes
Leben reden, ob darinn der mindste Hang nach Freyheit, wie
sie in den angezogenen Worten genommen seyn mag, ie
sichtbar gewesen ist; Abneigung aber gegen Mißbrauch einer
heiligen Sache, als Justiz ist, darf und werde ich äußern, im
Angesicht eines Ob[eren] äußern, der das Gute über das Böse siegen
zu machen zum Endzweck hat.

Unwillkürlich und in der besten Absicht so gar, gelangte das
Justiz-Wesen dahin, wo es nun ist. Die Gesetzgeber wollten
weder noch vermutheten auch einmahl, daß das Laster sich an
eine Sache anschleichen und Gemeinschaft mit ihr haben könnte,
die Bestimmt wäre zu brechen. Sie prüften, aucktorisierten
die Gesetze und formten sie nach dem iedesmahligen Be-
dürfen der Zeiten, Völcker und Länder, wie daran die besomdern
Provinzial-Rechte zeugen. Sie warteten, beschnitten den Baum;
nahmen Zweige heraus, setzen Zweige hinein; wählten die Aufseher|<2>
mit weißer Sorgfalt; machten die übertragene Pflicht und
Bürde ihnen durch Ehre und ein angemeßenes Brod, leichter
wohnten selbst denen Gerichts-Stätten bey, und es konnte
wenigstens einem Plato nicht beyfallen, zu glauben,
daß alles, was der Mensch hat, nicht aufs Vollkommenste
gesichert seyn sollte.

Die Gerichts-Geschäfte gehen öffentlich. Kein sichtbarer
Fehler ist so leicht in den Actis; alles ist vielmehr darinne
nach Vorschrift, und sie werden zur Einsicht vorgelegt.
Nichts scheint legaler und des allgemeinen Vertrauens
würdiger, als die Justiz-Pflege.

Und doch, bey Gott! Leidenschaften, verborgene Einflüsterungen
Sportel-Sicht, beherrschen so wohl höhere als niedere, geist
und weltliche Tribunale, die den geliehenen Arm nicht
brauchen, um den Fürsten, sondern sich selbst gut zu
bedienen. Picenz den 30 Cor[dad] 1157.

Ali.

Die Fortsetzung folgt.[3]

Notes

  1. Siehe Item:Q10008
  2. Martial II 53:
    Vis fieri liber? Mentiris, Maxime, non vis:
    sed fieri si vis, hac ratione potes.
    Liber eris, cenare foris si, Maxime, nolis,
    Veientana tuam si domat uva sitim,
    si ridere potes miseri chrysendeta, Cinnae,
    Contentius nostra si potes esse toga
    se plebeian Venus gemino tibi iungitur asse,
    si tua non rectus tecta subire potes,
    haec tibi si vis est, mentis tanta potestas,
    liberior Partho vivere rege potes.

    Falls du mit Wein vom westlichem Ufer deinen Durst stillen kannst,/ wenn du über Goldgefäße des erbärmlichen Cinna lachen kannst;/ wenn du zufrieden mit einem Kleidungsstück seinen kannst;/ wenn die Dirne von dir mit einem As übertroffen wird,/ wenn du gebückt unter deinem Dach liegen kannst./ Falls dies dir eine Kraft ist, wenn dein Geist so viel kann,/ kannst du freier als ein Parthischer König leben.
  3. Siehe Item:Q10002