D-Q6547: Difference between revisions
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== Commentary == | == Commentary == | ||
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L[ieber] Br[uder] J[acob] T[homasius] | |||
treffen zukönnen, der Sie bis zur höchsten | |||
Evidenz überzeugte, daß ich, in dem, | Ich wünschte den <u>trauten</u> Ton so völlig | ||
Ihnen bis ans Ende geheimen Verhältnisse, | treffen zukönnen, der Sie bis zur höchsten | ||
und bey nur einiger menschlichen Gesinnung | Evidenz überzeugte, daß ich, in dem, | ||
Ihnen bis ans Ende geheimen Verhältnisse, | |||
und bey nur einiger menschlichen Gesinnung | |||
und dem geringsten Grade von vernünf- | und dem geringsten Grade von vernünf- | ||
tiger Besonnenheit, nicht den Vorsatz | tiger Besonnenheit, nicht den Vorsatz | ||
haben kann, Ihnen nur eine Secunde Ihres | haben kann, Ihnen nur eine Secunde Ihres | ||
Lebens unangenehm zu machen. | Lebens unangenehm zu machen. Wenn | ||
das mein Vorsatz wäre: so gliche ich | |||
einem Buben, der aus einem verborgen- | |||
ärger, als ein Bandit, der von hinten | nen Winkel auf die Vorübergehenden | ||
zu mordet, ohne daß man sich wehren | mit Koth und Steinen wirft, bloß|<2> | ||
kann. Denn der hat doch noch den | um sich an ihrer Verlegenheit zu ergötzen; | ||
des Blutgeldes; den Basilius nie haben | und um eine ~~~ verfasten aber | ||
kann, der, wenn er ohne Frucht arbeitet, | eben so wahren Vergleichung zu machen; ich wäre | ||
gewiß völlig ohne allen Lohn arbeitet. | ärger, als ein Bandit, der von hinten | ||
Könnten Sie so | zu mordet, ohne daß man sich wehren | ||
Bruder vermuthen, dem seine Obern, | kann. Denn der hat doch noch den Zweck | ||
nach vorgängiger Prüfung, by | des Blutgeldes; den Basilius nie haben | ||
kann, der, wenn er ohne Frucht arbeitet, | |||
getraut haben, bey leichten Fällen nach | gewiß völlig ohne allen Lohn arbeitet. | ||
seinen eigenen Einsichten, und bey | Könnten Sie so Etwas von einem | ||
wichtigern, nach Weisung seiner | Bruder vermuthen, dem seine Obern, | ||
Vorgesetzten, den | nach vorgängiger Prüfung, by innige<strike>r</strike>m | ||
Verstand <strike>Einfalt</strike> auch Redlichkeit genug zu- | |||
getraut haben, bey leichten Fällen nach | |||
seinen eigenen Einsichten, und bey | |||
wichtigern, nach Weisung seiner | |||
Vorgesetzten, den B[rüdern] monatlich | |||
eine oder andre nützliche, und womög- | eine oder andre nützliche, und womög- | ||
lich <u>zu eben der Zeit nützliche</u> Wahrheit | lich <u>zu eben der Zeit nützliche</u> Wahrheit | ||
ins Gedächtnis zu rufen | ins Gedächtnis zu rufen so müßte | ||
Ihnen jeder vernünftige Mensch aufs | |||
angelegentlichste rathen, den ersten | |||
deb letzten Tag aus dieser gesellschaft | |||
Vertrauen meiner | herauszutreten, wenn sich solche | ||
die ich gegen meine | Bösewichter nach ihrer Meinung<ref>''nach ihrer Meinung'' nach Randanweisung eingefügt.</ref> unter den ältesten Gliedern | ||
meine Mitmenschen wahrhaftig | befänden. <strike>Und Basilius wenn der | ||
welche der unerschütterliche Grund | wirklich glaubte, so könnten auch</strike> | ||
Ordens ist, daß bey diesen so genannten | |||
R | Und wenn Basilius Sie eines solchen | ||
Mißtrauens fähig hielte, so müßte er | |||
von dem Augenblicke an schweigen. Denn, um | |||
der Gewißheit der Vergeblichkeit arbeiten | |||
wäe wohl nicht die Weise eines <u>Mannes</u>. | |||
der sich vollkommen zu seyn dünkte! | Würde es also keinem Br[uder] anders als durch | ||
Schmeichelei | Schweigen merken lassen, wenn ich bis | ||
< | zur Überzeugung gekommen bin, seine | ||
Hauptgegenstande komme. | Enmpfindlichkeit sey unheilbar geworden | ||
gerne an, daß Sie, wie Sie sagen, sich oft nicht | und in Mißtrauen und Argwohn ausgeartet. --- | ||
bestimmt genug ausdrücken; und, wenn | |||
nach Ihrer | Ich sage es Ihnen also mit alle dem | ||
auf solche | Vertrauen meiner herzich in Liebe <strike>gegen</strike>|<3> | ||
so macht solche Ihre eigne Ueberzeugung, | die ich gegen meine Br[üder] nicht nur, sondern gegen alle | ||
ohne Weitres, von selbst hinfallend. | meine Mitmenschen wahrhaftig fühle, und | ||
welche der unerschütterliche Grund unseres | |||
Ordens ist, daß bey diesen so genannten | |||
< | R[eprochen] Z[etteln] kein andrer Zweck stattfindet, noch | ||
handeln, der Stolz mit Schuld, in so ferne | stattfinden <u>kann</u>, als daß die immer wach- | ||
er den Luxus | sende Vollkommenheit der Br[üder] vom | ||
sagt, der Satan sey aus Stolz gefallen. Aber | jüngsten bis zum Ältesten. Dieser Zweck | ||
ich kann noch nicht anders als glauben, der | setzt Unvollkommenheit voraus. Aber | ||
Hauptbewegungsgrund sey, daß den | wie tief müsße der Mensch gesunken seyn, | ||
durch Unterhaltung und Erziehung <u> | der sich vollkommen zu seyn dünkte! | ||
Kinder, ihrer eigenen Bequemlichkeit | Sein lieblings Trank ist Schmeichelei. Ein | ||
abgehen | Gift mit dem im O[rden] kein Handel ge- | ||
sie würden vielen Kindern zu | tieben werden darf; so wenig als mit | ||
Dölchen[?], wie oben[?]. Denken Sie sich ja | |||
als | bey allem, was uch Ihnen sagen muß, die | ||
sanftest liebreicheste Stimm eines Br[uders] | |||
und besonders diesen Augenblick, da ich | |||
Sie in Gedanken an meine Brust drücke | |||
und halte: <u>Lachen Sie über Ihre Empfin- | |||
dlichleit! und über Ihre Imagination!</u> | |||
Noch Eines vorher, ehe ich zu unserm | |||
Hauptgegenstande komme. -- Ich nehme | |||
gerne an, daß Sie, wie Sie sagen, sich oft nicht | |||
bestimmt genug ausdrücken; und, wenn | |||
nach Ihrer Überzeugung, meine Bemerkun- | |||
gen auf solche Unbestimmtheiten fallen, | |||
so macht solche Ihre eigne Ueberzeugung, | |||
ohne Weitres, von selbst hinfallend. | |||
Nur konnte ich ohne Anspruch | |||
auf Allwissenheit, nicht anders lesen, als | |||
Sie schrieben. Und der menschlichen | |||
Unvollkommenheit Alles eingeräumt | |||
was nur immer verlangt werden kann: | |||
so sind Sie doch mit mir einig, daß man | |||
an einem Manne swe öffentlich lehrt, und | |||
oft uvorbereitet solgar, über die wich- | |||
tigsten Angelegenheiten des Lebens zu | |||
reden hat, diese Unbestimmtheit im | |||
Ausdrucke weniger erwarten | |||
darf, weniger wünschen <u>muß</u> als | |||
an einem Andern, der des Redens und | |||
Schreibens eben so wenig gewohnt | |||
ist, als der Hirt d~~d der Waffen.|<4> | |||
-- | |||
Freylich ist an dem Laster, wovon wir handeln, | |||
der <u>Stolz</u> mit Schuld, in so ferne | |||
er den Luxus liebt. Und in so fern, als man | |||
sagt, der Satan sey aus Stolz gefallen. Aber | |||
ich kann noch nicht anders als glauben, der | |||
Hauptbewegungsgrund sey, daß den Ältern | |||
durch Unterhaltung und Erziehung <u>mehrer</u> | |||
Kinder, ihrer eigenen Bequemlichkeit <u>zu- | |||
viel</u> abgehen werden, und die Besorgung | |||
sie würden <u>vielen</u> Kindern zu Ihren Erb- | |||
portionen auflassen können, aber nur | |||
als verstärkender Nebengrund, hinzu kommt. | |||
So viel ist gewißm vey der ärmern Classe | |||
die fast im buchstäbichten Verstande ihr | |||
tägliches Brodt aus der Hand Gottes nimmt, | |||
die also jeden tag due Fürsorge des Himmels | |||
gleichsam fühlt, die einem Kinde nicht | |||
mehr hinterlassen kann, als jedem der Übrigen | |||
wenn sie auch 20 hätten, diese aber lassen | |||
sich dem Triebe der Natur ohne Raffinement. | |||
Wie Sie habe ich die elenden übermüthigen | |||
Vorwürfe reicher Leute gegen Arme mit an- | Vorwürfe reicher Leute gegen Arme mit an- | ||
gehört, <u>was zeugt Ihr Kinder, die Ihr nicht | gehört, <u>was zeugt Ihr Kinder, die Ihr nicht | ||
ernähren könnt</u> Ich habe es aber die | ernähren könnt!</u> Ich habe es aber die | ||
meiste Zeit für <u>dummen | meiste Zeit für <u>dummen Übermuth</u> und | ||
nicht für überlegte Absicht, zur schändlichen | nicht für überlegte Absicht, zur schändlichen | ||
Onanie auszurotten, halten | Onanie auszurotten, halten können; | ||
oft wars auch Geitz, um einen Armen Et- | oft wars auch Geitz, um einen Armen Et- | ||
was zu sagen, dem man Nichts geben wollte. | |||
Als Dummheit muß man es entschuldigen | Als Dummheit muß man es entschuldigen | ||
der | der Übermuth verdiente scharfe Verweise; | ||
wenn aber ein Reicher so etwas zu einem | wenn aber ein Reicher so etwas zu einem | ||
anderen sagt, der nich gerade Bettler | anderen sagt, der nich gerade Bettler | ||
ist: so mag der Grund dazu | ist: so mag der Grund dazu liegen, wo | ||
er wolle, so verdient es die ernsthafte | er wolle, so verdient es die ernsthafte | ||
Ahndung von Lehrern und Obrigkeit | Ahndung von Lehrern und Obrigkeit, ob | ||
ja in der Stille, um selbst nicht durch | ja in der Stille, um selbst nicht durch | ||
Bestrafung ein Laster | Bestrafung ein Laster bekannter zu | ||
machen, das gar nicht bekannt seyn soll. | |||
machen, das gar nicht bekannt seyn soll.</ | |||
Sie sagen, mein geliebter bruder, Sie wünsch- | |||
ten über diesem im Vorwurf enthaltenen | |||
Satz <u>meine</u> Gedanken zu lesen. Ich gebe | |||
vorigen Etwas, das mir wichtig schien, | Ihnen aber anheim zu bedenken, dass ob ich, bey | ||
bereits gesagt, und dabey Sie gebeten, | meiner monatlichen Unterhaltung mit | ||
Sie möchten mir die Ihrigen sagen. | einer gar nicht kleinen Anzahl an Brüdern | ||
zu ordentlichen Abhandlungen duie Zeit|<5> | |||
gewinnen könne, wenn ich mir auch, iie | |||
nicht der Fall ist, nur Einsicht genug zutraute, | |||
alle an mich gerichteten zu wieder Etwas | |||
flüchtig hingeworfenen Fragen, in aller | |||
verlangten Ausdehnung zu beantworten. | |||
Übrigens meine ich, hätte ich in meinem | |||
vorigen Etwas, das mir wichtig schien, | |||
bereits gesagt, und dabey Sie gebeten, | |||
Sie möchten mir die Ihrigen sagen. Wir | |||
der | wollten arbeten (das kann ich nie anders | ||
verstehen, als verhältnißmässig, und zwar | |||
so, daß der Fragende die Materie bereits die | |||
Sache von mehr als einer Seite durchdacht | |||
hat, <u>ehe</u> er sie in Anrege bringt) immer so | |||
weit zu bringen, daß es eine öffentliche | |||
Ordensaufgabe werden könnte. Bey | |||
dieser Bitte muß ich beharren, --- | |||
Über die trostreichen Aussichten für | |||
Ihre Gegenden, daß Sie bald ein zweckmä- | |||
ßiges Lesebuch für die Schulen, besonders | |||
auffem Lande bekommen werden, muß | |||
sich jeder Menschenfreund innig freuen. | |||
Wenn Sie auch mit dem h[och] E[hr]würdigen G[eistlichen] Superint[endent] K[oppe] über unsren Vorwurf im Vertrauen | |||
reden: so wird <u>der</u> eine so wichtige Sache | |||
gewiß beherzigen, und den Antheil, den | |||
der Lehrstand, besonders über diesen Punkt | |||
an der Sittenwandlung zu nehmen verpflichtet | |||
ist, durch die diensamsten Vorschläge zu | |||
bewirken suchen. | |||
Was Sie über den Bruder Thuanus so güthig | |||
gewenden sind anzumerken, soll nicht ver- | |||
lohren gehen! Leben Sie wohl! geliebter | |||
Bruder! Beruhigen Sie ihr Herz mit der | |||
Versicherung meiner ungefälschtesten Liebe! | |||
Ich bin in der reinsten Absicht | |||
Ihr | |||
treuer Br[uder] | |||
Basilius | |||
</poem> | </poem> | ||
== Notes == | == Notes == | ||
<references/> | <references/> |
Latest revision as of 10:00, 10 October 2019
- Metadata: Item:Q6547
- Transcript and Commentary: Christian Wirkner
Commentary
Transcript
L[ieber] Br[uder] J[acob] T[homasius]
Ich wünschte den trauten Ton so völlig
treffen zukönnen, der Sie bis zur höchsten
Evidenz überzeugte, daß ich, in dem,
Ihnen bis ans Ende geheimen Verhältnisse,
und bey nur einiger menschlichen Gesinnung
und dem geringsten Grade von vernünf-
tiger Besonnenheit, nicht den Vorsatz
haben kann, Ihnen nur eine Secunde Ihres
Lebens unangenehm zu machen. Wenn
das mein Vorsatz wäre: so gliche ich
einem Buben, der aus einem verborgen-
nen Winkel auf die Vorübergehenden
mit Koth und Steinen wirft, bloß|<2>
um sich an ihrer Verlegenheit zu ergötzen;
und um eine ~~~ verfasten aber
eben so wahren Vergleichung zu machen; ich wäre
ärger, als ein Bandit, der von hinten
zu mordet, ohne daß man sich wehren
kann. Denn der hat doch noch den Zweck
des Blutgeldes; den Basilius nie haben
kann, der, wenn er ohne Frucht arbeitet,
gewiß völlig ohne allen Lohn arbeitet.
Könnten Sie so Etwas von einem
Bruder vermuthen, dem seine Obern,
nach vorgängiger Prüfung, by innigerm
Verstand Einfalt auch Redlichkeit genug zu-
getraut haben, bey leichten Fällen nach
seinen eigenen Einsichten, und bey
wichtigern, nach Weisung seiner
Vorgesetzten, den B[rüdern] monatlich
eine oder andre nützliche, und womög-
lich zu eben der Zeit nützliche Wahrheit
ins Gedächtnis zu rufen so müßte
Ihnen jeder vernünftige Mensch aufs
angelegentlichste rathen, den ersten
deb letzten Tag aus dieser gesellschaft
herauszutreten, wenn sich solche
Bösewichter nach ihrer Meinung[1] unter den ältesten Gliedern
befänden. Und Basilius wenn der
wirklich glaubte, so könnten auch
Und wenn Basilius Sie eines solchen
Mißtrauens fähig hielte, so müßte er
von dem Augenblicke an schweigen. Denn, um
der Gewißheit der Vergeblichkeit arbeiten
wäe wohl nicht die Weise eines Mannes.
Würde es also keinem Br[uder] anders als durch
Schweigen merken lassen, wenn ich bis
zur Überzeugung gekommen bin, seine
Enmpfindlichkeit sey unheilbar geworden
und in Mißtrauen und Argwohn ausgeartet. ---
Ich sage es Ihnen also mit alle dem
Vertrauen meiner herzich in Liebe gegen|<3>
die ich gegen meine Br[üder] nicht nur, sondern gegen alle
meine Mitmenschen wahrhaftig fühle, und
welche der unerschütterliche Grund unseres
Ordens ist, daß bey diesen so genannten
R[eprochen] Z[etteln] kein andrer Zweck stattfindet, noch
stattfinden kann, als daß die immer wach-
sende Vollkommenheit der Br[üder] vom
jüngsten bis zum Ältesten. Dieser Zweck
setzt Unvollkommenheit voraus. Aber
wie tief müsße der Mensch gesunken seyn,
der sich vollkommen zu seyn dünkte!
Sein lieblings Trank ist Schmeichelei. Ein
Gift mit dem im O[rden] kein Handel ge-
tieben werden darf; so wenig als mit
Dölchen[?], wie oben[?]. Denken Sie sich ja
bey allem, was uch Ihnen sagen muß, die
sanftest liebreicheste Stimm eines Br[uders]
und besonders diesen Augenblick, da ich
Sie in Gedanken an meine Brust drücke
und halte: Lachen Sie über Ihre Empfin-
dlichleit! und über Ihre Imagination!
Noch Eines vorher, ehe ich zu unserm
Hauptgegenstande komme. -- Ich nehme
gerne an, daß Sie, wie Sie sagen, sich oft nicht
bestimmt genug ausdrücken; und, wenn
nach Ihrer Überzeugung, meine Bemerkun-
gen auf solche Unbestimmtheiten fallen,
so macht solche Ihre eigne Ueberzeugung,
ohne Weitres, von selbst hinfallend.
Nur konnte ich ohne Anspruch
auf Allwissenheit, nicht anders lesen, als
Sie schrieben. Und der menschlichen
Unvollkommenheit Alles eingeräumt
was nur immer verlangt werden kann:
so sind Sie doch mit mir einig, daß man
an einem Manne swe öffentlich lehrt, und
oft uvorbereitet solgar, über die wich-
tigsten Angelegenheiten des Lebens zu
reden hat, diese Unbestimmtheit im
Ausdrucke weniger erwarten
darf, weniger wünschen muß als
an einem Andern, der des Redens und
Schreibens eben so wenig gewohnt
ist, als der Hirt d~~d der Waffen.|<4>
--
Freylich ist an dem Laster, wovon wir handeln,
der Stolz mit Schuld, in so ferne
er den Luxus liebt. Und in so fern, als man
sagt, der Satan sey aus Stolz gefallen. Aber
ich kann noch nicht anders als glauben, der
Hauptbewegungsgrund sey, daß den Ältern
durch Unterhaltung und Erziehung mehrer
Kinder, ihrer eigenen Bequemlichkeit zu-
viel abgehen werden, und die Besorgung
sie würden vielen Kindern zu Ihren Erb-
portionen auflassen können, aber nur
als verstärkender Nebengrund, hinzu kommt.
So viel ist gewißm vey der ärmern Classe
die fast im buchstäbichten Verstande ihr
tägliches Brodt aus der Hand Gottes nimmt,
die also jeden tag due Fürsorge des Himmels
gleichsam fühlt, die einem Kinde nicht
mehr hinterlassen kann, als jedem der Übrigen
wenn sie auch 20 hätten, diese aber lassen
sich dem Triebe der Natur ohne Raffinement.
Wie Sie habe ich die elenden übermüthigen
Vorwürfe reicher Leute gegen Arme mit an-
gehört, was zeugt Ihr Kinder, die Ihr nicht
ernähren könnt! Ich habe es aber die
meiste Zeit für dummen Übermuth und
nicht für überlegte Absicht, zur schändlichen
Onanie auszurotten, halten können;
oft wars auch Geitz, um einen Armen Et-
was zu sagen, dem man Nichts geben wollte.
Als Dummheit muß man es entschuldigen
der Übermuth verdiente scharfe Verweise;
wenn aber ein Reicher so etwas zu einem
anderen sagt, der nich gerade Bettler
ist: so mag der Grund dazu liegen, wo
er wolle, so verdient es die ernsthafte
Ahndung von Lehrern und Obrigkeit, ob
ja in der Stille, um selbst nicht durch
Bestrafung ein Laster bekannter zu
machen, das gar nicht bekannt seyn soll.
Sie sagen, mein geliebter bruder, Sie wünsch-
ten über diesem im Vorwurf enthaltenen
Satz meine Gedanken zu lesen. Ich gebe
Ihnen aber anheim zu bedenken, dass ob ich, bey
meiner monatlichen Unterhaltung mit
einer gar nicht kleinen Anzahl an Brüdern
zu ordentlichen Abhandlungen duie Zeit|<5>
gewinnen könne, wenn ich mir auch, iie
nicht der Fall ist, nur Einsicht genug zutraute,
alle an mich gerichteten zu wieder Etwas
flüchtig hingeworfenen Fragen, in aller
verlangten Ausdehnung zu beantworten.
Übrigens meine ich, hätte ich in meinem
vorigen Etwas, das mir wichtig schien,
bereits gesagt, und dabey Sie gebeten,
Sie möchten mir die Ihrigen sagen. Wir
wollten arbeten (das kann ich nie anders
verstehen, als verhältnißmässig, und zwar
so, daß der Fragende die Materie bereits die
Sache von mehr als einer Seite durchdacht
hat, ehe er sie in Anrege bringt) immer so
weit zu bringen, daß es eine öffentliche
Ordensaufgabe werden könnte. Bey
dieser Bitte muß ich beharren, ---
Über die trostreichen Aussichten für
Ihre Gegenden, daß Sie bald ein zweckmä-
ßiges Lesebuch für die Schulen, besonders
auffem Lande bekommen werden, muß
sich jeder Menschenfreund innig freuen.
Wenn Sie auch mit dem h[och] E[hr]würdigen G[eistlichen] Superint[endent] K[oppe] über unsren Vorwurf im Vertrauen
reden: so wird der eine so wichtige Sache
gewiß beherzigen, und den Antheil, den
der Lehrstand, besonders über diesen Punkt
an der Sittenwandlung zu nehmen verpflichtet
ist, durch die diensamsten Vorschläge zu
bewirken suchen.
Was Sie über den Bruder Thuanus so güthig
gewenden sind anzumerken, soll nicht ver-
lohren gehen! Leben Sie wohl! geliebter
Bruder! Beruhigen Sie ihr Herz mit der
Versicherung meiner ungefälschtesten Liebe!
Ich bin in der reinsten Absicht
Ihr
treuer Br[uder]
Basilius
Notes
- ↑ nach ihrer Meinung nach Randanweisung eingefügt.