D-Q6547: Difference between revisions

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(Created page with "* '''Metadata:''' Basilius [Johann Joachim Christoph Bode], Reproche for Johann Ernst Christian Haun, Weimar, 1785-12-01 (Q6547) * '''Transcript and Commentary:''' Christian Wirkner == Commentary == == Summary and Transcript == <poem> <i>Ich...")
 
 
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== Commentary ==
== Commentary ==


== Summary and Transcript ==
== Transcript ==
<poem>
<poem>
<i>Ich wünschte den <u>trauten</u> Ton so völlig  
L[ieber] Br[uder] J[acob] T[homasius]
treffen zukönnen, der Sie bis zur höchsten  
 
Evidenz überzeugte, daß ich, in dem,  
Ich wünschte den <u>trauten</u> Ton so völlig
Ihnen bis ans Ende geheimen Verhältnisse,  
treffen zukönnen, der Sie bis zur höchsten
und bey nur einiger menschlichen Gesinnung  
Evidenz überzeugte, daß ich, in dem,
Ihnen bis ans Ende geheimen Verhältnisse,
und bey nur einiger menschlichen Gesinnung
und dem geringsten Grade von vernünf-
und dem geringsten Grade von vernünf-
tiger Besonnenheit, nicht den Vorsatz  
tiger Besonnenheit, nicht den Vorsatz
haben kann, Ihnen nur eine Secunde Ihres  
haben kann, Ihnen nur eine Secunde Ihres
Lebens unangenehm zu machen.</i>
Lebens unangenehm zu machen. Wenn
Wenn dies sein Vorsatz wäre so würde er einem Jungen gleichen, der aus einer dunklen Ecke heraus die Vorübergehenden anriefe, sich aber versteckt hielte.
das mein Vorsatz wäre: so gliche ich
<i>[...] ich wäre  
einem Buben, der aus einem verborgen-
ärger, als ein Bandit, der von hinten  
nen Winkel auf die Vorübergehenden
zu mordet, ohne daß man sich wehren  
mit Koth und Steinen wirft, bloß|<2>
kann. Denn der hat doch noch den zweck
um sich an ihrer Verlegenheit zu ergötzen;
des Blutgeldes; den Basilius nie haben  
und um eine ~~~ verfasten aber
kann, der, wenn er ohne Frucht arbeitet,  
eben so wahren Vergleichung zu machen; ich wäre
gewiß völlig ohne allen Lohn arbeitet.  
ärger, als ein Bandit, der von hinten
Könnten Sie so etwas von einem  
zu mordet, ohne daß man sich wehren
Bruder vermuthen, dem seine Obern,  
kann. Denn der hat doch noch den Zweck
nach vorgängiger Prüfung, by innigern
des Blutgeldes; den Basilius nie haben
Verstande auch Redlichkeit genug zu-
kann, der, wenn er ohne Frucht arbeitet,
getraut haben, bey leichten Fällen nach  
gewiß völlig ohne allen Lohn arbeitet.
seinen eigenen Einsichten, und bey  
Könnten Sie so Etwas von einem
wichtigern, nach Weisung seiner  
Bruder vermuthen, dem seine Obern,
Vorgesetzten, den Bbrn. monatlich  
nach vorgängiger Prüfung, by innige<strike>r</strike>m
Verstand <strike>Einfalt</strike> auch Redlichkeit genug zu-
getraut haben, bey leichten Fällen nach
seinen eigenen Einsichten, und bey
wichtigern, nach Weisung seiner
Vorgesetzten, den B[rüdern] monatlich
eine oder andre nützliche, und womög-
eine oder andre nützliche, und womög-
lich <u>zu eben der Zeit nützliche</u> Wahrheit  
lich <u>zu eben der Zeit nützliche</u> Wahrheit
ins Gedächtnis zu rufen [...]</i>
ins Gedächtnis zu rufen so müßte
Wenn er es dennoch vermute, so müsse er als klar denkender Mensch sofort aus dem Orden austreten.  
Ihnen jeder vernünftige Mensch aufs
Aber auch er als Basilius müsste, wenn Haun wirklich so misstrauisch sei, schweigen, und nicht weitere Zeit in eine vergebliche Konversation investieren.  
angelegentlichste rathen, den ersten
<i>Ich sage es Ihnen also mit alle dem  
deb letzten Tag aus dieser gesellschaft
Vertrauen meiner herzlichen Libe,
herauszutreten, wenn sich solche
die ich gegen meine Bbr nicht nur, sondern gegen alle  
Bösewichter nach ihrer Meinung<ref>''nach ihrer Meinung'' nach Randanweisung eingefügt.</ref> unter den ältesten Gliedern
meine Mitmenschen wahrhaftig halte, und  
befänden. <strike>Und Basilius wenn der
welche der unerschütterliche Grund unsers
wirklich glaubte, so könnten auch</strike>
Ordens ist, daß bey diesen so genannten  
 
R.Z. kein andrer Zweck stattfindet, noch  
Und wenn Basilius Sie eines solchen
statt finden <u>kann</u>, als die immer
Mißtrauens fähig hielte, so müßte er
wachsense Vollkommenheit der Bbr. vom  
von dem Augenblicke an schweigen. Denn, um
Jüngsten bis zum Aeltesten.</i>
der Gewißheit der Vergeblichkeit arbeiten
Dieser zweck setzte natürlich Unvollkommenheit voraus.  
wäe wohl nicht die Weise eines <u>Mannes</u>.
<i>Aber wie tief müsste der Mensch gesunken seyn,  
 
der sich vollkommen zu seyn dünkte!</i>
Würde es also keinem Br[uder] anders als durch
Schmeichelei dürfte im Orden nicht getrieben werden.  
Schweigen merken lassen, wenn ich bis
<i>Noch Eines vorher, ehe ich zu unserm  
zur Überzeugung gekommen bin, seine
Hauptgegenstande komme. _ Ich nehme  
Enmpfindlichkeit sey unheilbar geworden
gerne an, daß Sie, wie Sie sagen, sich oft nicht  
und in Mißtrauen und Argwohn ausgeartet. ---
bestimmt genug ausdrücken; und, wenn  
 
nach Ihrer Ueberzeugung, meine Bemerkungen
Ich sage es Ihnen also mit alle dem
auf solche Unstimmigkeiten fallen,  
Vertrauen meiner herzich in Liebe <strike>gegen</strike>|<3>
so macht solche Ihre eigne Ueberzeugung,  
die ich gegen meine Br[üder] nicht nur, sondern gegen alle
ohne Weitres, von selbst hinfallend.</i>
meine Mitmenschen wahrhaftig fühle, und
Als nicht Allwissender könne er sich nur auf das beziehen, was Haun schreibe. Er erwarte also, dass Haun sich klarer ausdrücke.
welche der unerschütterliche Grund unseres
Die Reproche erscheint hier zweigeteilt, das Thema wechselt:
Ordens ist, daß bey diesen so genannten
<i>#'Freylich ist an dem Laster, woran wir  
R[eprochen] Z[etteln] kein andrer Zweck stattfindet, noch
handeln, der Stolz mit Schuld, in so ferne  
stattfinden <u>kann</u>, als daß die immer wach-
er den Luxus libt. und in so fern, als man  
sende Vollkommenheit der Br[üder] vom
sagt, der Satan sey aus Stolz gefallen. Aber  
jüngsten bis zum Ältesten. Dieser Zweck
ich kann noch nicht anders als glauben, der  
setzt Unvollkommenheit voraus. Aber
Hauptbewegungsgrund sey, daß den Aeltern
wie tief müsße der Mensch gesunken seyn,
durch Unterhaltung und Erziehung <u>mehr</u>  
der sich vollkommen zu seyn dünkte!
Kinder, ihrer eigenen Bequemlichkeit #
Sein lieblings Trank ist Schmeichelei. Ein
abgehen werde, und die Besorgung  
Gift mit dem im O[rden] kein Handel ge-
sie würden vielen Kindern zu ##
tieben werden darf; so wenig als mit
nachlassen können, aber nur  
Dölchen[?], wie oben[?]. Denken Sie sich ja
als versterkender Nebengrund, hinzu komme.</i>
bey allem, was uch Ihnen sagen muß, die
Sicher sei, dass sich die Ärmsten der gnade Gottes überließen und kaum ihre Kinder versorgen könnten.  
sanftest liebreicheste Stimm eines Br[uders]
<i>Wie Sie habe ich die elenden übermüthigen  
und besonders diesen Augenblick, da ich
Sie in Gedanken an meine Brust drücke
und halte: <u>Lachen Sie über Ihre Empfin-
dlichleit! und über Ihre Imagination!</u>
 
Noch Eines vorher, ehe ich zu unserm
Hauptgegenstande komme. -- Ich nehme
gerne an, daß Sie, wie Sie sagen, sich oft nicht
bestimmt genug ausdrücken; und, wenn
nach Ihrer Überzeugung, meine Bemerkun-
gen auf solche Unbestimmtheiten fallen,
so macht solche Ihre eigne Ueberzeugung,
ohne Weitres, von selbst hinfallend.
Nur konnte ich ohne Anspruch
auf Allwissenheit, nicht anders lesen, als
Sie schrieben. Und der menschlichen
Unvollkommenheit Alles eingeräumt
was nur immer verlangt werden kann:
so sind Sie doch mit mir einig, daß man
an einem Manne swe öffentlich lehrt, und
oft uvorbereitet solgar, über die wich-
tigsten Angelegenheiten des Lebens zu
reden hat, diese Unbestimmtheit im
Ausdrucke weniger erwarten
darf, weniger wünschen <u>muß</u> als
an einem Andern, der des Redens und
Schreibens eben so wenig gewohnt
ist, als der Hirt d~~d der Waffen.|<4>
 
--
 
Freylich ist an dem Laster, wovon wir handeln,
der <u>Stolz</u> mit Schuld, in so ferne
er den Luxus liebt. Und in so fern, als man
sagt, der Satan sey aus Stolz gefallen. Aber
ich kann noch nicht anders als glauben, der
Hauptbewegungsgrund sey, daß den Ältern
durch Unterhaltung und Erziehung <u>mehrer</u>
Kinder, ihrer eigenen Bequemlichkeit <u>zu-
viel</u> abgehen werden, und die Besorgung
sie würden <u>vielen</u> Kindern zu Ihren Erb-
portionen auflassen können, aber nur
als verstärkender Nebengrund, hinzu kommt.
 
So viel ist gewißm vey der ärmern Classe
die fast im buchstäbichten Verstande ihr
tägliches Brodt aus der Hand Gottes nimmt,
die also jeden tag due Fürsorge des Himmels
gleichsam fühlt, die einem Kinde nicht
mehr hinterlassen kann, als jedem der Übrigen
wenn sie auch 20 hätten, diese aber lassen
sich dem Triebe der Natur ohne Raffinement.
 
Wie Sie habe ich die elenden übermüthigen
Vorwürfe reicher Leute gegen Arme mit an-
Vorwürfe reicher Leute gegen Arme mit an-
gehört, <u>was zeugt Ihr Kinder, die Ihr nicht  
gehört, <u>was zeugt Ihr Kinder, die Ihr nicht
ernähren könnt</u> Ich habe es aber die  
ernähren könnt!</u> Ich habe es aber die
meiste Zeit für <u>dummen Uebermuth</u> und  
meiste Zeit für <u>dummen Übermuth</u> und
nicht für überlegte Absicht, zur schändlichen  
nicht für überlegte Absicht, zur schändlichen
Onanie auszurotten, halten könne;  
Onanie auszurotten, halten können;
oft wars auch Geitz, um einen Armen Et-
oft wars auch Geitz, um einen Armen Et-
was was zu sagen, dem man Nichts geben wollte.  
was zu sagen, dem man Nichts geben wollte.
Als Dummheit muß man es entschuldigen  
Als Dummheit muß man es entschuldigen
der Uebermuth verdiente scharfe Verweise;  
der Übermuth verdiente scharfe Verweise;
wenn aber ein Reicher so etwas zu einem  
wenn aber ein Reicher so etwas zu einem
anderen sagt, der nich gerade Bettler  
anderen sagt, der nich gerade Bettler
ist: so mag der Grund dazu legen, wo  
ist: so mag der Grund dazu liegen, wo
er wolle, so verdient es die ernsthafte  
er wolle, so verdient es die ernsthafte
Ahndung von Lehrern und Obrigkeit.ob  
Ahndung von Lehrern und Obrigkeit, ob
ja in der Stille, um selbst nicht durch  
ja in der Stille, um selbst nicht durch
Bestrafung ein Laster bekannter zu
Bestrafung ein Laster bekannter zu
machen, das gar nicht bekannter zu  
machen, das gar nicht bekannt seyn soll.
machen, das gar nicht bekannt seyn soll.</i>
 
Da Haun seine Meinung zu dieser Thematik wissen wolle, müsse dieser aber auch bedenken, dass er (Basilius) jeden Monat eine Vielzahl von Quibus Licet beantworte,  
Sie sagen, mein geliebter bruder, Sie wünsch-
und daher keine Zeit habe sich in jede Materie intensiv einzuarbeiten.  
ten über diesem im Vorwurf enthaltenen
<i>Uebrigens meine ich, hätte ich in meinem  
Satz <u>meine</u> Gedanken zu lesen. Ich gebe
vorigen Etwas, das mir wichtig schien,  
Ihnen aber anheim zu bedenken, dass ob ich, bey
bereits gesagt, und dabey Sie gebeten,  
meiner monatlichen Unterhaltung mit
Sie möchten mir die Ihrigen sagen.</i>
einer gar nicht kleinen Anzahl an Brüdern
Haun solle die Thematik soweit bearbeiten, dass eine Ordensaufgabe daraus entstehen könne.
zu ordentlichen Abhandlungen duie Zeit|<5>
<i>Ueber die trostreichen Aussichten für
gewinnen könne, wenn ich mir auch, iie
Ihre Gegenden, daß Sie bald ein zweckmassiges
nicht der Fall ist, nur Einsicht genug zutraute,
Lesebuch für die Schulen, besonders aufm
alle an mich gerichteten zu wieder Etwas
Lande bekommen werden, muß
flüchtig hingeworfenen Fragen, in aller
sich jeder Menschenfreund innig freuen.
verlangten Ausdehnung zu beantworten.
wenn Sie auch mit dem hEw. G. Superint. K.
Übrigens meine ich, hätte ich in meinem
über unsren Vorwurf im Vertrauen
vorigen Etwas, das mir wichtig schien,
reden: so wird der eine so wichtige Sache
bereits gesagt, und dabey Sie gebeten,
gewiß beherzigen, und den Antheil, den
Sie möchten mir die Ihrigen sagen. Wir
der Lehrstand, besonders über diesen ##
wollten arbeten (das kann ich nie anders
an der Sittenwandlung zu nehmen verpflichtet
verstehen, als verhältnißmässig, und zwar
ist, durch die diensamsten Vorschläge zu
so, daß der Fragende die Materie bereits die
bewirken suchen.</i>
Sache von mehr als einer Seite durchdacht
Was Haun über Mereau (Thuanus) berichtet habe, solle berücksichtig werden.
hat, <u>ehe</u> er sie in Anrege bringt) immer so
weit zu bringen, daß es eine öffentliche
Ordensaufgabe werden könnte. Bey
dieser Bitte muß ich beharren, ---


Über die trostreichen Aussichten für
Ihre Gegenden, daß Sie bald ein zweckmä-
ßiges Lesebuch für die Schulen, besonders
auffem Lande bekommen werden, muß
sich jeder Menschenfreund innig freuen.
Wenn Sie auch mit dem h[och] E[hr]würdigen G[eistlichen] Superint[endent] K[oppe] über unsren Vorwurf im Vertrauen
reden: so wird <u>der</u> eine so wichtige Sache
gewiß beherzigen, und den Antheil, den
der Lehrstand, besonders über diesen Punkt
an der Sittenwandlung zu nehmen verpflichtet
ist, durch die diensamsten Vorschläge zu
bewirken suchen.
Was Sie über den Bruder Thuanus so güthig
gewenden sind anzumerken, soll nicht ver-
lohren gehen! Leben Sie wohl! geliebter
Bruder! Beruhigen Sie ihr Herz mit der
Versicherung meiner ungefälschtesten Liebe!
Ich bin in der reinsten Absicht
Ihr
treuer Br[uder]
Basilius
</poem>
</poem>
== Notes ==
== Notes ==
<references/>
<references/>

Latest revision as of 10:00, 10 October 2019

Commentary

Transcript

L[ieber] Br[uder] J[acob] T[homasius]

Ich wünschte den trauten Ton so völlig
treffen zukönnen, der Sie bis zur höchsten
Evidenz überzeugte, daß ich, in dem,
Ihnen bis ans Ende geheimen Verhältnisse,
und bey nur einiger menschlichen Gesinnung
und dem geringsten Grade von vernünf-
tiger Besonnenheit, nicht den Vorsatz
haben kann, Ihnen nur eine Secunde Ihres
Lebens unangenehm zu machen. Wenn
das mein Vorsatz wäre: so gliche ich
einem Buben, der aus einem verborgen-
nen Winkel auf die Vorübergehenden
mit Koth und Steinen wirft, bloß|<2>
um sich an ihrer Verlegenheit zu ergötzen;
und um eine ~~~ verfasten aber
eben so wahren Vergleichung zu machen; ich wäre
ärger, als ein Bandit, der von hinten
zu mordet, ohne daß man sich wehren
kann. Denn der hat doch noch den Zweck
des Blutgeldes; den Basilius nie haben
kann, der, wenn er ohne Frucht arbeitet,
gewiß völlig ohne allen Lohn arbeitet.
Könnten Sie so Etwas von einem
Bruder vermuthen, dem seine Obern,
nach vorgängiger Prüfung, by innigerm
Verstand Einfalt auch Redlichkeit genug zu-
getraut haben, bey leichten Fällen nach
seinen eigenen Einsichten, und bey
wichtigern, nach Weisung seiner
Vorgesetzten, den B[rüdern] monatlich
eine oder andre nützliche, und womög-
lich zu eben der Zeit nützliche Wahrheit
ins Gedächtnis zu rufen so müßte
Ihnen jeder vernünftige Mensch aufs
angelegentlichste rathen, den ersten
deb letzten Tag aus dieser gesellschaft
herauszutreten, wenn sich solche
Bösewichter nach ihrer Meinung[1] unter den ältesten Gliedern
befänden. Und Basilius wenn der
wirklich glaubte, so könnten auch


Und wenn Basilius Sie eines solchen
Mißtrauens fähig hielte, so müßte er
von dem Augenblicke an schweigen. Denn, um
der Gewißheit der Vergeblichkeit arbeiten
wäe wohl nicht die Weise eines Mannes.

Würde es also keinem Br[uder] anders als durch
Schweigen merken lassen, wenn ich bis
zur Überzeugung gekommen bin, seine
Enmpfindlichkeit sey unheilbar geworden
und in Mißtrauen und Argwohn ausgeartet. ---

Ich sage es Ihnen also mit alle dem
Vertrauen meiner herzich in Liebe gegen|<3>
die ich gegen meine Br[üder] nicht nur, sondern gegen alle
meine Mitmenschen wahrhaftig fühle, und
welche der unerschütterliche Grund unseres
Ordens ist, daß bey diesen so genannten
R[eprochen] Z[etteln] kein andrer Zweck stattfindet, noch
stattfinden kann, als daß die immer wach-
sende Vollkommenheit der Br[üder] vom
jüngsten bis zum Ältesten. Dieser Zweck
setzt Unvollkommenheit voraus. Aber
wie tief müsße der Mensch gesunken seyn,
der sich vollkommen zu seyn dünkte!
Sein lieblings Trank ist Schmeichelei. Ein
Gift mit dem im O[rden] kein Handel ge-
tieben werden darf; so wenig als mit
Dölchen[?], wie oben[?]. Denken Sie sich ja
bey allem, was uch Ihnen sagen muß, die
sanftest liebreicheste Stimm eines Br[uders]
und besonders diesen Augenblick, da ich
Sie in Gedanken an meine Brust drücke
und halte: Lachen Sie über Ihre Empfin-
dlichleit! und über Ihre Imagination!


Noch Eines vorher, ehe ich zu unserm
Hauptgegenstande komme. -- Ich nehme
gerne an, daß Sie, wie Sie sagen, sich oft nicht
bestimmt genug ausdrücken; und, wenn
nach Ihrer Überzeugung, meine Bemerkun-
gen auf solche Unbestimmtheiten fallen,
so macht solche Ihre eigne Ueberzeugung,
ohne Weitres, von selbst hinfallend.
Nur konnte ich ohne Anspruch
auf Allwissenheit, nicht anders lesen, als
Sie schrieben. Und der menschlichen
Unvollkommenheit Alles eingeräumt
was nur immer verlangt werden kann:
so sind Sie doch mit mir einig, daß man
an einem Manne swe öffentlich lehrt, und
oft uvorbereitet solgar, über die wich-
tigsten Angelegenheiten des Lebens zu
reden hat, diese Unbestimmtheit im
Ausdrucke weniger erwarten
darf, weniger wünschen muß als
an einem Andern, der des Redens und
Schreibens eben so wenig gewohnt
ist, als der Hirt d~~d der Waffen.|<4>

--

Freylich ist an dem Laster, wovon wir handeln,
der Stolz mit Schuld, in so ferne
er den Luxus liebt. Und in so fern, als man
sagt, der Satan sey aus Stolz gefallen. Aber
ich kann noch nicht anders als glauben, der
Hauptbewegungsgrund sey, daß den Ältern
durch Unterhaltung und Erziehung mehrer
Kinder, ihrer eigenen Bequemlichkeit zu-
viel
abgehen werden, und die Besorgung
sie würden vielen Kindern zu Ihren Erb-
portionen auflassen können, aber nur
als verstärkender Nebengrund, hinzu kommt.

So viel ist gewißm vey der ärmern Classe
die fast im buchstäbichten Verstande ihr
tägliches Brodt aus der Hand Gottes nimmt,
die also jeden tag due Fürsorge des Himmels
gleichsam fühlt, die einem Kinde nicht
mehr hinterlassen kann, als jedem der Übrigen
wenn sie auch 20 hätten, diese aber lassen
sich dem Triebe der Natur ohne Raffinement.

Wie Sie habe ich die elenden übermüthigen
Vorwürfe reicher Leute gegen Arme mit an-
gehört, was zeugt Ihr Kinder, die Ihr nicht
ernähren könnt!
Ich habe es aber die
meiste Zeit für dummen Übermuth und
nicht für überlegte Absicht, zur schändlichen
Onanie auszurotten, halten können;
oft wars auch Geitz, um einen Armen Et-
was zu sagen, dem man Nichts geben wollte.
Als Dummheit muß man es entschuldigen
der Übermuth verdiente scharfe Verweise;
wenn aber ein Reicher so etwas zu einem
anderen sagt, der nich gerade Bettler
ist: so mag der Grund dazu liegen, wo
er wolle, so verdient es die ernsthafte
Ahndung von Lehrern und Obrigkeit, ob
ja in der Stille, um selbst nicht durch
Bestrafung ein Laster bekannter zu
machen, das gar nicht bekannt seyn soll.

Sie sagen, mein geliebter bruder, Sie wünsch-
ten über diesem im Vorwurf enthaltenen
Satz meine Gedanken zu lesen. Ich gebe
Ihnen aber anheim zu bedenken, dass ob ich, bey
meiner monatlichen Unterhaltung mit
einer gar nicht kleinen Anzahl an Brüdern
zu ordentlichen Abhandlungen duie Zeit|<5>
gewinnen könne, wenn ich mir auch, iie
nicht der Fall ist, nur Einsicht genug zutraute,
alle an mich gerichteten zu wieder Etwas
flüchtig hingeworfenen Fragen, in aller
verlangten Ausdehnung zu beantworten.
Übrigens meine ich, hätte ich in meinem
vorigen Etwas, das mir wichtig schien,
bereits gesagt, und dabey Sie gebeten,
Sie möchten mir die Ihrigen sagen. Wir
wollten arbeten (das kann ich nie anders
verstehen, als verhältnißmässig, und zwar
so, daß der Fragende die Materie bereits die
Sache von mehr als einer Seite durchdacht
hat, ehe er sie in Anrege bringt) immer so
weit zu bringen, daß es eine öffentliche
Ordensaufgabe werden könnte. Bey
dieser Bitte muß ich beharren, ---

Über die trostreichen Aussichten für
Ihre Gegenden, daß Sie bald ein zweckmä-
ßiges Lesebuch für die Schulen, besonders
auffem Lande bekommen werden, muß
sich jeder Menschenfreund innig freuen.
Wenn Sie auch mit dem h[och] E[hr]würdigen G[eistlichen] Superint[endent] K[oppe] über unsren Vorwurf im Vertrauen
reden: so wird der eine so wichtige Sache
gewiß beherzigen, und den Antheil, den
der Lehrstand, besonders über diesen Punkt
an der Sittenwandlung zu nehmen verpflichtet
ist, durch die diensamsten Vorschläge zu
bewirken suchen.

Was Sie über den Bruder Thuanus so güthig
gewenden sind anzumerken, soll nicht ver-
lohren gehen! Leben Sie wohl! geliebter
Bruder! Beruhigen Sie ihr Herz mit der
Versicherung meiner ungefälschtesten Liebe!

Ich bin in der reinsten Absicht

Ihr
treuer Br[uder]
Basilius

Notes

  1. nach ihrer Meinung nach Randanweisung eingefügt.