D-Q4497: Difference between revisions

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== Commentary ==
== Commentary ==
 
Biographie Bodes, verfasst in der 3. Person wobei Bode immer wieder in die 1. Person verfällt. Beschreibt Kindheit, Ausbildung, drei Ehen und seine Lebensstationen bis zur Ankunft in Weimar




== Transcript ==
== Transcript ==
<poem>
<poem>
Der Bruder Aemilius ist gebohren zu Braunschweig, d 16ten Januar
Der Bruder Aemilius ist gebohren zu Braunschweig, den 16. Januar  
1731. Sein Vater Joh. Georg B. war ein Mann von vielem
1731. Sein Vater Joh. Georg B. war ein Mann von vielem  
Genie, das unterdrückt, und von grossen Anlagen, die ganz falsch
Genie, das unterdrückt, und von vielen grossen Anlagen, die ganz falsch  
entwickelt worden; dabey besaß er viele Ambition und eine
entwickelt worden; dabey besaß er viele Ambition und eine  
bis zur Heftigkeit gehende Lebhafftigkeit des Charackters; dieses
bis zur Heftigkeit gehende Lebhaftigkeit des Charakters; dieses  
alles verleitete ihn zu Unternehmungen, welche ihn in grosse
alles verleitete ihn zu Unternehmungen, welche ihn in grosse  
Armuth stürzten, als Aemilius kaum 9 Jahr alt war. Seine  
Armuth stürzten, als Aemilius kaum 9 Jahre alt war. Seine  
Mutter, <strike>was</strike> eine geborne Knigge, hatte ein edles, und sanftes
Mutter, eine geborne Knigge, hatte ein edles, und sanftes  
Herz, weibliches Herz. Furchtsam, religirus, und im höchsten Grade
Herz, weibliches Herz. Furchtsam, religieus, und im höchsten Grade  
mitleidig und duldend. Die Einflüsse der Vermischung von beyden
mitleidig und duldend. Die Einflüsse der Vermischung von beyden  
Characktern seiner Aeltern fühlt Aemilius noch sehr lebhaft.
Charakteren seiner Aeltern fühlt Aemilius noch sehr lebhaft.  


In der frühesten Kindheit thaten ihn seine Aeltern zu einem
In der frühesten Kindheit thaten ihn seine Aeltern zu einem  
lutherischen Prediger zur Erziehung auf's Land und meinten ihn
lutherischen Prediger zur Erziehung aufs Land, und meinten ihn  
zu einen künftigen Theologen zu bestimmen. Als Anno 1740 die
zu einem künftigen Theologen zu bestimmen. Als Anno 1740 die  
Umstände seines Vaters völlig ruinirt wurden, lies ihm
Umstände seines Vaters völlig ruinirt wurden, ließ ihn
sein Lehrer merken, daß er ihn nicht behalten könne. Der Mann
sein Lehrer merken, daß er ihn nicht behalten könne. Der Mann  
hatte wirklich selbst eine zahlreiche Familie und wenig Einkommen.
hatte wirklich selbst eine zahlreiche Familie und wenig Einkommen.  
So viel erinnert sich Aemilius noch von ihm, daß er redlich, aber
So viel erinnert sich Aemilius noch von ihm, daß er redlich, aber  
hart und streng war. Das Latein ward dem Aem. nicht liblich ge-
hart und streng war. Das Latein ward dem Aem. nicht liblich ge-
macht, in der Religion aber, worin er zugleich mit ein Paar Junckern
macht, in der Religion aber, worin er zugleich mit ein Paar Junkern
und einem Fräulein, einen höchst orthodoxen Unterricht genoß
und einem Fräulein, einen höchst orthodoxen Unterricht genoß,
that er von den Uebrigen starke Schritte, und solcher gestalt ward
that er vor den Uebrigen starke Schritte, und solcher gestalt ward  
er durch öfters Lob darüber, schon damals intolerant gegen
er durch öfteres Lob darüber, schon damals intolerant gegen  
alles, was sein orthodoxer Lehrer verdammte, besonders waren
alles, was sein orthodoxer Lehrer verdammte, besonders waren  
dies die Juden und Menonisten; und sein meistes Bestreben, waren
dies die Juden und Menonisten; und sein meistes Betreben, waren  
[***], obgleich kindische Spekulationen über die Unterscheidungs[***]|<2>
wirkliche, obgleich kindische Spekulationen über die Unterscheidungslehre. /


Da ich nur <u>einige Züge</u> seines Lebens auszeichnen kann, die seinen
Da ich nur ''einige Züge'' seines Lebens aufzeichnen kann, die seinen  
Charakter, ohne die Bescheidenheit zu verletzen, andeuten, und zugleich
Charakter, ohne die Bescheidenheit zu verletzen, andeuten, und zugleich  
darauf führen können, wie dieser sich nach und nach gebildet [mit
darauf führen können, wie dieser sich nach und nach gebildet (mit  
dem Versprechen, so bald ich Zeit habe, eine etwas ausführlichere
dem Versprechen, so bald ich Zeit habe, eine etwas ausführlichere  
treue Biographie voller Vertrauen in das Os Archiv nieder zu
Biographie voller Vertrauen in das O.sArchiv nieder zu  
legen, so kann ich der Kürze der Zeit wegen nur abgebrochen
legen, so kann ich, der Kürze der Zeit wegen nur abgebrochen,
nach chronologischer Ordnung schreiben.
nach der cronologischen Ordnung schreiben.


Als Aemilius 1740 <strike>zu</strike> von seinem alten Plane weg mußte, führte
Als Aemilius 1740 von seinem alten Pfarre[r] weg mußte, führte  
ihn sein Weg über Wolfenbüttel, woselbst er eine ziemlich wohlhabende
ihn sein Weg über Wolfenbüttel, woselbst er eine ziemlich wohlhabende  
Tante besuchte, die ihn einige Wochen bey sich behalten wollte. Aemil
Tante besuchte, die ihn einige Wochen bey sich behalten wollte. Aemil,
ohne Bücher und andre Beschäftigung, erkundigte sich in aller Stille nach
ohne Bücher und andre Beschäftigung, erkundigte sich in aller Stille nach  
der lateinischen Schule und ihren Lectionen in den Klassen. Was
der lateinischen Schule und ihren Lektionen in den Klassen. Was  
wußte er andres, als man dürfe nur hingehen um zu lernen.
wußte er andres, als man dürfe nur hingehen um zu lernen?


Das that er, bald nach seiner Ankunft in Wolfenb. Er ging hin in
Das that er, bald nach seiner Ankunft in Wolfen. Er ging hin in  
die 4 Classe deren Lectionen er sich gewachsen meinte, und setzte
die 4 Classe, deren Lexionen er sich gewachsen meinte, und setzte  
sich unten hin, noch ehe der Lehrer kam. Dieser verbarg seine
sich unten hin, noch ehe der Lehrer kam. Dieser verbarg seine  
Verwunderung, während der ordentlichen 2 Stunden, und als die
Verwundrung, während der ordentlichen 2 Stunden, und als die  
PrivatStunde anging, und Aem. nicht weggehen, sondern auch da
PrivatStunde anging, und Aem. nicht weggehen, sondern auch da  
lernen wollte, gings an ein Examen über meine Umstände, wohin
lernen wollte, gings an ein Examen über meine Umstände, wohin,
woher? u.s.w. Er antwortete wahr. &mdash; Die Sache ward den Vorge-
woher? u.s.w. Er antwortete wahr. Die Sache ward dem Vorge-
setzten gemeldet, und der Herr Gen Superintend, sah den Knaben
setzten gemeldet, und der Herr Gen Superintend, sah den Knaben  
aus Neugierde, ward ihm ziemlich gewogen, und wollte ihn in
aus Neugierde, ward ihm ziemlich gewogen, und wollte ihn in  
seinen Studiis unterstützen. Es ward für sein kümmerligen
seinen Studiis unterstützen. Es ward für seinen kümmerlichen
Unterhalt gesorgt. Einst kam ein Landprediger nach W. [***] bey
Unterhalt gesorgt. Einst kam ein Landprediger nach W. bey  
dem Gen. Superintedent, der ihm vom Aem. erzählte. Der Prediger
dem Gen. Superintendent, der ihm vom Aem. erzähte. Der Prediger  
hatte keine Kinder und dabey eine einträgliche Stelle. Er machte es
hatte keine Kinder und dabey eine einträgliche Stelle. Er machte es  
mit dem gen. Sup. aus, daß er mich an Kindesstatt annehmen
mit dem Gen. Sup. aus, daß er mich an Kindes statt annehmen  
wolle. Mein Glück schien gemacht. Mein Prediger war ein|<2>
wolle. Mein Glück schien gemacht. Mein Prediger war ein /
übergetretener Mönch und hatte einen übergetretenen Namen die er
übergetretener Mönch und hatte eine übergetretene Nonne, die  
vom Braunschweigischen Hofe mit diser Pfarre dotirt, gefr[***]tet. Aem. zog
vom Braunschweigischen Hofe mit dieser Pfarre dotirt, geheyrathet. Aem. zog  
im Herbste zu ihm. Er hatte versprochen mich zu unterrichten,
im Herbste zu ihm. Er hatte versprochen, Em. zu unterrichten,  
das [***]sirte ihn aber nicht. Bey den Examen der Kinder, die er zur
das amusirte ihn aber nicht. Bey den Examen der Kinder, die er zur  
Confirmation nach AmtsPflicht, bereitete, war Aem zugegen, und
Confirmation, nach Amtspflicht, bereitete, war Aem. zugegen, und  
bald der Unterlehrer. Im Jahr 1741, Ostern, also im 11. Jahre, nahm
bald der Unterlehrer. Im Jahr 1741 Ostern, also im 11 Jahre, nahm  
er ihm zum Abendmahl an; und bis dahin hatte Aem ihn für einen
er ihn zum Abendmahl an; und bis dahin hatte Aem. ihn für einen  
recht guten Christen, der Lehre nach, gehalten. Den Sommer darauf
recht guten Christen, der Lehre nach, gehalten. Den Sommer darauf
ward Er in diesem Glauben irre, als der bekannte het[***] Edel-
ward Em. in diesem Glauben irre, als der bekannte Heterodoxe Edel-
mann, seine Wohnung bey ihm aufschlug, und man so unvorsichtig
mann, seine Wohnung bey dem Pfr. aufschlug, und man so unvorsichtig  
war, nicht nur ihm Gespräche mit anhören zu lassen; sondern
war, nicht nur ihn ihre Gespräche mit anhören zu lassen: sondern  
sondern [sic!] so gar über die Religiosität dises Knabens zu spotten.
sogar über die Religiosität dieses Knabens zu spotten.  


Dieses, und der Umstand, daß der Pfarrer mit der Absicht hervor
Dieses, und der Umstand, daß der Pfarrer mit der Absicht hervor-
ging [Der Gen. Superintendent, war gestorben] als kleinen Lacqaien
ging (der Gen. Superintendent, war gestorben) als kleinen Lacqaien  
zu brauchen, und zu kleiden. Dis machte, daß Aem. nach
zu brauchen, und zu kleiden. Dies machte, daß Aem. nach  
Rücksprache mit seinem Vater, [***] jedes Handwerk, die ihm alle
Rücksprache mit seinem Vater, lieber jedes Handwerk, die ihm alle  
gleich waren, zu lernen, und den Pfarrer verlies. Aemilius ver-
gleich waren, zu lernen, und den Pfarrer verlies. Aemilius ver-
suchte es bey einem Kunstdrechsler, konnte es aber, weil er bis in
suchte es bey einem Kunstdrechsler, konnte es aber, weil er bis in  
sein 14tes Jahr sehr klein und schwach war, nicht aushalten. Ein
sein 14tes Jahr sehr klein und schwach war, nicht aushalten. Ein  
Freund des Vaters Aemils rieth ihm, die Musik zu lernen. Der
Freund des Vaters [...] rieth ihm, die Musik zu lernen. Der  
Rath ward angenommen, obgleich Aem. noch keine Note kannte, und
Rath ward angenommen, obgleich Aem. noch keine Note kannte, und  
sich weder Neigung noch Talente zur Musik fühlte, sondern bloß
sich weder Neigung noch Talente zur Musik fühlte, sondern bloß  
wünschte, seinen Aeltern aus der Unterhaltung zu kommen. Seine
wünschte, seinen Aeltern aus der Unterhaltung zu kommen. Seine  
Lehrjahre, bey einem ordentlichen Kunstpfeifer fingen Himmelfarth
Lehrjahre, bey einem ordentlichen Kunstpfeifer fingen Himmelfarth  
1742 an. Er wart si fleißig in der Musik, als es bey den Haus-
1742 an. Er war so fleissig in der Musik, als es bey de[n] Haus-
arbeiten, dazu manche ihn brauchte seyn konnte, und er musicirte
arbeiten, dazu man ihn brauchte seyn konnte, und er reussirte
so gut, als es sein Meister erlaubten. Sein Herz, das leicht be-
so gut, als es seine Meister erlaubten. Sein Herz, das leicht be-
weglich und sehr empfindlich war, haftete, bey der Folge von  
weglich und sehr empfindlich war, haftete, bey der Folge von  
traurigen Widerwärtigkeiten, voll Hofnung, an die Religion, und|<3>
traurigen Widerwärtigkeiten, voll Hoffnung, an die Religion, /
ward er durch diesen Hang des Herzens, zur [***] eines Predigers
und ward er durch diesen Hang des Herzens zur Parthey eines Predigers  
in Braunschweig geführt, der Privat[***]ungen, und wie man
in Braunschweig geführt, der Privatversammlungen, und, wie man  
sagte, pietistisch, für mich aber rührend predigte. Dieser Prediger war
sagte, pietistisch, für mich aber rührend predigte. Dieser Prediger ward
zwar als ein gottloser Heuchler entdeckt. Aem. aber hatte durch ihn
zwar als ein gottloser Heuchler entdeckt. Aem. aber hatte durch ihn  
den Vortheil, daß er allerley gute Bücher zum Lesen, und
den Vortheil, daß er allerley gute Bücher zum Lesen, und  
mit besseren Leuten, als seinen Cameraden ein [***]
mit besseren Leuten, als seinen Kameraden eine Art Umgang
bekam. Sein Hang zum Nachdenken gewann gleichfalls dabey;
bekam. Sein Hang zum Nachdenken gewann gleichfalls dabey;  
und der kindisch fromme Trieb, etwas zur Privat Erbauung
und der kindisch fromme Trieb, etwas zur PrivatErbauung
beyzutragen, vielleicht aus Ambition, sich hervor zu thun, bewegte
beyzutragen, vielleicht auch Ambition, sich hervorzuthun, bewog
ihn, Lieder mir Melodien zu machen. Zur Poesie hatte er
ihn, Lieder mit Melodien zu machen. Zur Poesie hatte er  
gar keine Anleitung, zur Composition trieb er Bücher auf, die
gar keine Anleitung, zur Composition treib er Bücher auf, die  
er nebst einigen Partituren, die er habhaft werden konnte, studirte.
er nebst einigen Partituren, die er habhaft werden konnte, studirte.  
Er ward bald der beste unter seinen Mitgenossen; und das
Er ward bald der beste unter seinen Mitgenossen, und das  
minderte sein Trübsal um Nichts. Die gütige Aufmunte-
minderte seine Trübsal um Nichts. Die gütige Aufmunte-
rung des Capelldirecktors v. B. erhielt seine Geduld und seinen
rung des Kapelldirektors v. B. erhielt seine Geduld und seinen  
Fließ, da zu mal der damals regierende Herzog ihm versprach,
Fleiß, da zumal der damals regirende Herzog ihm versprach,  
ihn einst auf seine Kosten reisen zu lassen.
ihn einst auf seine Kosten reisen zu lassen.


Anno 1747 schickte Braunschweig Truppen zur allirten Armee
Anno 1747 schickte Braunschweig Truppen zur alli[ie]rten Armee  
nach Holland. Es fehlte dabey an Oboisten. Aemilius liß sich
nach Holland. Es fehlte dabey an Hoboisten. Aemilius ließ sich  
bewegen, als solcher Dienste zu nehmen, und ging mit, voll
bewegen, als solcher Dienste zu nehmen, und ging mit, voll  
täuschender Freude, über seine Erlösung aus seinem sklavi-
täuschender Freude, über seine Erlösung aus seinen sklavi-
schen Lehrjahre, bey einem harten geizigen Ehrgeiz und  
schen Lehrjahren, bey einem harten geizigen [Cho]prinz und  
[***]schen boßhaften Gesellen. Er hatte Umgang gehabt  
neidischen boßhaften Gesellen. Er hatte Umgang gehabt  
bey dem obgedachten Freunde seines Vaters, der auch Musik
bey dem obgedachten Freunde seines Vaters, der auch Musik  
lebte, und hatte eine aufkeimende Neigung gegen dessen
liebte, und hatte eine aufkeimende Neigung gegen dessen  
sehr hübsche 13Jährige Tochter empfunden. In Holland, in
sehr hübsche 13 jährige Tochter empfunden. In Holland, in  
den Winterquartiren ward Aemilius in seinem Quartir
den Winterquartieren ward Aemilius in seinem Quartier
bey Menoniten, sehr krank. Die ausserordentlich gütige Pflege, |<4>
bey Menoniten, sehr krank. Die ausserordentlich gute /
die ihm von der ältesten Tochter des begüterten
Pflege, die ihm von der ältesten Tochter des begüterten  
Hauses widerfurh, machten ihn erst sehr dankbar, und nach und
Hauses widerfuhr, machten ihn erst sehr dankbar, und  
nach, ward dise Dankbarkeit heftige Libe, welche Gegenlibe erweckte.
nach und nach, ward diese Dankbarkeit heftige Liebe, welche Gegenliebe erweckte.  
Die Aeltern, die ihre Tochter sehr zärtlich libten, willigten mit der
Die Aeltern, die ihre Tochter sehr zärtlich liebten, willigten mit der  
Bedingung ein, wenn ich die Einwillig der Meinigen herbey schafte.
Bedingung ein, wenn ich die Einwillig[ung] der Meinigen herbeyschafte.  
<strike>Ich</strike>Aem zweifelte daran nicht, weil es eine reiche Verbindung, auf
Aem. zweifelte daran nicht, weil es eine reiche Verbindung, auf  
die arme Aeltern gerne zu sehen pflegten. Er betrog sich. Sein
die arme Aeltern gerne zu sehen pflegen. Er betrog sich. Sein  
Vater hatte andere Plane auf das Versprechen des Herzogs gebaut,
Vater hatte andre Plane auf das Versprechen des Herzogs gebauet,  
an der seine Ambition Theil hatte. Und bey seiner Zurückkunft
an der seine Ambition Theil hatte. Und bey seiner Zurückkunft  
Anfangs 1749, drohte er ihm mit dem Väterlichen Fluche, wenn
Anfangs 1749, drohete er mit dem Väterlichen Fluche, wenn  
Er nicht einer Verbindung mit einer Menonitin versagte.
er nicht einer Verbindung mit einer Menonitinn entsagte.  


Er gehorchte. Der Freund seines Vater war während seiner Abwesen-
Er gehorchte. Der Freund seines Vaters war während seiner Abwesen-
heit gestorben und hatte die Seinigen in traurigen Umständen
heit gestorben und hatte die Seinigen in traurigen Umständen  
hinterlassen. Aemils blutendes Herz fühlte mit ihnen herzlich
hinterlassen. Aemils blutendes Herz fühlte mit ihnen herzliches
Mitleiden. Bey seiner verlornen Hofnung auf Holland reichte
Mitleiden. Bey seiner verlornen Hofnung auf Holland reichte  
dies Mitleiden zu einer Empfindung, die ein 17Jähriger jun-
dies Mitleiden zu einer Empfindung, die ein 17jähriger jun-
ger Mensch für Libe halten kann. Der Capelldirecktor war ein
ger Mensch für Liebe halten kann. Der Kapelldirektor war ein  
Freund diser Nachgelaßenen. Aemils Aeltern sahen diese
Freund der Nachgelassenen. Aemils Aeltern sahen diese  
Neigung gerne, weil solche dem Sohn an sein Vaterland fesseln
Neigung gerne, weil solche den Sohn an sein Vaterland fesseln  
würden. Solchergestalt von Innen und aussen aufgemuntert
würde. Solcher gestallt von Innen und Aussen aufgemuntert  
heyratete er mit 17 Jahren ein schönes Mädchen, die kaum 15 war,
heyrathete er mit 17 Jahren ein schönes Mädchen, die kaum 15 war,  
und mit der er, alles ge[***], ein festes Einkommen von
und mit der er, alles gerechnet, ein festes Einkommen von  
etwas 70 bis 80 Rthl. hatte. Aber reich an Hofnung, durch
etwas 70 bis 80 Rtl hatte. Aber reich an Hofnung, durch  
Fleiß ein bedeutender Musikus zu werden. Er hatte zugestanden
Fleiß ein bedeutender Musikus zu werden. Er hatte zugestandner
reiche Talente zur Musik. Er fühlte sich aber, daß es ihm
Weise Talente zur Musik. Er fühlte sich aber, daß es ihm  
an Hülfs Wissenschaften fehlte, um aus der gemeinen Classe
an HülfsWissenschaften fehlte, um aus der gemeinen Klasse
heraus zu gehen. Mit einer [***] zu Vorsichtigkeit aufs Glück
heraus zu gehen. Mit einer Knabenzuversichtigkeit aufs Glück  
oder Gott und sich selbst, ging er im Herbst 1749 nach Helmstädt
oder Gott und sich selbst, ging er im Herbst 1749 nach Helmstädt  
um zu studiren, Musik zu üben, und sich durch Unterricht geben|<5>
um zu studieren, Musik zu üben, und sich durch Unterricht geben /
durchzuhelfen. Hier nahm sich seiner der jezige Superintendent
durchzuhelfen. Hier nahm sich seiner der jezige Superintendent  
Stockhausen, in Hanau der damals Magister Leges war, mit Güte
Stockhausen, in Hanau, der damals Magister lagers war, mit Güte  
und freundschaftlichem Rathe an. Wie kümmerlich seine Umstände
und freundschaftlichen Rathe an. Wie kümmerlich seine Umstände  
waren, indem er ausser sich selbst, von 70 bis 80 Thalern das folgende
waren, indem er ausser sich selbst, von 70 bis 80 Thalern das folgende  
Jahr schon eine Frau nebst einem Kinde zu nähren hatte, läßt
Jahr schon eine Frau nebst einem Kinde zu ernähren hätte, läßt  
sich schliessen. Indessen that er was er konnte, bey seiner gezwungen
sich schliessen. Indessen that er war er konnte, bey seiner gezwungenen
einsamen Lebensart, seine Kunst und sich selbst immer besser
einsamen Lebensart, seine Kunst und sich selbst immer besser  
kennen zu lernen. Stockhausen entdeckte an ihm Fähigkeiten,
kennen zu lernen. Stockhausen entdeckte an ihm Fähigkeiten,  
die er sich selbst nie zugetrauet hatte; und diese Entdeckung
die er sich selbst nie zugetrauet hatte, und diese Entdeckung  
war ihm Trost. Indessen erlaubten ihm seine Mittel nicht
war ihm Trost. Indessen erlaubten ihm seine Mittel nicht  
von Professoren Hülfe zu deren Ausbildung zu erwarten.
von Professoren Hülfe zu deren Ausbildung zu erwarten.  


Jedoch blieb er in Helmstädt bis 52, um sich der Gelegenheit
Jedoch blieb er in Helmstädt bis 52, um sich der Gelegenheit  
Bücher, die ihm Stockhausen vorschlug, zu erhalten, zu bedienen.
Bücher, die ihm Stockhausen vorschlug, zu erhalten, zu bedienen,
Welche er in Braunschweig nicht haben konnte. Diser 3 Jährige
welche er in Braunschweig nicht haben konnte. Dieser 3jährige
Aufenthalt, der selten durch eine kleine Reise zu Fuß nach
Aufenthalt, der selten durch eine kleine Reise zu Fuß nach  
Braunschweig zu seiner Frau, und zur R[***] unterbrochen ward,
Braunschweig zu seiner Frau, und zur Revue unterbrochen ward,  
machte eine grosse Aenderung in der Denkart Aemils. Er war
machte eine grosse Aendrung in der Denkart Aemils. Er war  
sehr wißbegierig, mußte aber zu allen, was er wissen
sehr wißbegierig; mußte aber zu allem, was er wissen  
wollte, durch selbst gesuchte Wege, durch Lesen gelangen,
wollte, durch selbst gesuchte Wege, durch Lesen gelangen,  
die dann sehr krumm und mühsam waren. Sein Herz gewann
die dann sehr krumm und mühsam waren. Sein Herz gewann  
indessen dabey mehr, als sein Kopf. So viel erinnert Aemil
indessen dabey mehr, als sein Kopf. Soviel erinnert Aemil  
sich noch, daß er die Musik nach der Poesie und Beredsamkeit
sich noch, daß er die Musik nach der Poesie und Beredsamkeit  
studirte. Als er 1752 Helmstädt ganz verließ, war es
studirte. Als er 1752 Helmstädt ganz verließ, war es  
natürlich, daß er am Umgange mit seinen Baueroden keinen
natürlich, daß er am Umgange mit seinen Kameraden keinen  
Geschmack fand, um desto mehr, da die[***] Gärtner, Zaekoria
Geschmack fand, um desto mehr, da die Herrn Gärtner, Zachariae,
ebers und andre ihres Standes Zutritt erlaubten.
Ebert und andre ihres Standes [Zutritt erlaubten].  
Seine Cameraden neideten, haßten verfolgten ihn, und
Seine Kameraden neideten, haßten, verfolgten ihn, und  
selbst seine Vorgesetzten Regiments Officire spotteten|<6>
selbst seine vorgesetzten RegimentsOfficiere spotteten /
über den Buchgrübler. Seine Gönner, der Capeldirecktor
über den Buchgrübler. Sein Gönner, der Kapelldirektor,
gestorben, der Herzog schien sein Versprechen vergessen zu h[aben]
war gestorben, der Herzog schien sein Versprechen vergessen zu haben,
und Blödigkeit hinderten Aemilius, ihn daran zu erinnern.
und Blödigkeit hinderte Aemilius, ihn daran zu erinnern.  


Alles das, wozu noch kam, daß seine Frau gar kein Haushalter
Alles das, wozu noch kam, daß seine Frau gar keine Haushälterin
zu seinem geringen Einkommen war, bewegten ihn, zu-
zu seinem geringen Einkommen war, bewegte ihn, zu-
mal auch sein Vater gegen den er immer eine furchtsam
mal auch sein Vater, gegen den er immer eine furchtsame
ehrerbitige Folgsamkeit, auch noch als freyer Mann behielt,
ehrerbietige Folgsamkeit, auch noch als freyer Mann behielt,  
gestorben war, und es nicht hindern konnte, sein Vaterland
gestorben war, und es nicht hindern konnte, sein Vaterland  
zu verlassen, und in Zelle, bey einem Regiment, die
zu verlassen und in Zelle, bey einem Regiment, die  
Stelle als Premier-Hautboue, mit ungefähr dreymal so viel
Stelle als Premier-Hautbois, mit ungefehr dreymal soviel
Gehalt, als in Braunschweig anzunehmen. Diese merkliche
Gehalt, als in Braunschweig anzunehmen. Diese merkliche  
VErbesserung, die nach nach [sic!] und nach dreymal erhöht ward,
Verbesserung, die noch nach und nach dreymahl erhöht ward,  
und die Nebeneinnahmen, die er durch Unterricht, und Di-
und die Nebeneinnahmen, die er durch Unterricht, und Di-
rection der Concerte erhielt, beruhigten seine Besorgnisse,
rektion der Concerte erhielt, beruhigten seine Besorgnisse,  
und erleichterten ihm die Mittel, sich Bücher anzuschaffen.
und erleichterten ihm die Mittel, sich Bücher anzuschaffen.  
Sein Hauptfach was die Composition, in dem er mit Beyfall
Sein Hauptfach war die Composition, in dem er mit Beyfall  
arbeitete, und Kirchenmusik, wäre seine Stärke geworden.
arbeitete, und Kirchenmusik, wäre seine Stärke geworden.  


Dabey legte er sich <u>jezt</u> auf Sprachen, als Italiänisch, Französisch
Dabey legte er sich jezt auf Sprachen, als Italiänisch, Französisch  
und Englisch. Stockhausen, welcher derweile nach Bamberg
und Englisch. Stockhausen, welcher derweilen nach Lüneburg
als Recktor gezogen war, war sein Vertrauter Correspondent
als Rektor gezogen war, war sein vertrauter Correspondent  
und Rathgeber seines Studirens. Wider dessen Rath trieb er
und Rathgeber seines Studierens. Wider dessen Rath trieb er  
so viel auf einmal; Indessen war es das Schicksal
so viel auf einmal; Indessen war es das Schicksal  
Aemils, grössern Schwierigkeiten, nicht nur von Aussen,
Aemils, grössere Schwierigkeiten, nicht nur von Aussen,  
sondern auch, da er sich Selbst, als eigene [***]
sondern, auch die er sich Selbst, als eigener blinder Leiter
selbst machte, zu überwinden. Er würde in dieser ausser
selbst machte, zu überwinden. Er würde in dieser ausser  
der schlechten H[+++]haltungsKunst, ganz [***]sorgen sorgen
der schlechten HaushaltungsKunst, ganz Brodsorgen
lage, sein Studiren bis zu einem Punckt fortgetriben
freyen Lage, sein Studieren bis zu einem Punkte fortgetrieben
haben, um mit einem Mahle mit Vortheile aufzutreten,
haben, um mit einem Mahle, mit Vortheile aufzutreten,  
denn er hatte schon einige Beförderungen ausgeschlagen, die ihm|<7>
denn er hatte schon einige Beförderungen ausgeschlagen, die ihm /
dadurch zugekommen waren, daß er einige Reisen
dadurch zugekommen waren, daß er einige Reisen  
gethan, um grosse Leute zu hören und auch eine OpernGesell-
gethan, um grosse Leute zu hören, und auch eine OpernGesell-
schaft, mit Bewilligung seines Obern, in Lübeck 1754 dirigirt
schaft, mit Bewilligung seiner Obern, in Lübeck 1754 dirigirt  
hatte. Aber das Schicksal wollte es anders.
hatte. Aber das Schicksal wollte es anders.


Anno 1756 war für ihn durch eine schwere Krankheit, durch die
Anno 1756 war für ihn durch eine schwere Krankheit, durch die  
Krankheit seiner beyden Kinder, wovon der älteste erst an
Krankheit seiner beyden Kinder, wovon der älteste erst an  
den Blattern, darauf sein Frau, in einem schweren Wochen
den Blattern, drauf seine Frau, in einem schweren Wochen-
bette nebst dem Neugebornen, und bald darauf das
bette nebst dem Neugebornen, und bald darauf das  
noch übrige Kind an der Auszehrung starb. In Zeit  
noch übrige Kind an der Auszehrung starb. In Zeit  
von ein paar Monaten war er also nur allein noch
von ein Paar Monathen war er also nur allein noch  
übrig, und sein empfindliches Herz ward von schwarzer
übrig, und sein empfindliches Herz ward von schwarzer  
Melancholey gedrücket. Der Ort ward ihm zuwider, wo er
Melancholey gedrückt. Der Ort war ihm zuwider, wo er  
so viel Verlust erlitten hatte. Er fand, bey genauer Untersuchung
so viel Verlust erlitten hatte. Er fand, bey genauer Untersuchung,
daß er etwa 100Rthl. schuldig blibe. Er nahm auf etliche
daß er etwa 100 Rt. schuldig bliebe. Er nahm auf etliche  
Monate Urlaub, verschloß sich bey einem Freunde im Hause;
Monate Urlaub, verschloß sich bey einem Freunde im Hause.
komponirte und schrieb für[***] so viele Noten, bis er das
Komponirte und schrieb für Liebhaber so viele Noten, bis er das  
Geld verdient hatte, wobey er wenig verzehrte, und noch weniger
Geld verdient hatte, wobey er wenig verzehrte, und noch weniger  
schlief. Da um diese ZEit der Krieg zwischen England und Frank-
schlief. Da um diese Zeit der Krieg zwischen England und Frank-
reich losbrach, wobey es wahrscheinlich ward, daß das Regiment
reich losbrach, wobey es wahrscheinlich ward, daß das Regiment,
worunter er stand, gleichfalls würde zu Felde zihen müssen,
worunter er stund, gleichfalls würde zu Felde ziehen müssen,  
so wollte er dies ihm bekannte Leben nicht noch Einmal
so wollte er dies ihm bekannte Leben nicht noch Einmal  
versuchen, und nahm seinen Abschied, zur Verwunderung
versuchen, und nahm seinen Abschied, zur Verwundrung
seines Chefs, der meinte ein so grosses Gehalt, der wirklich
seines Chefs, der meinte ein so grosser Gehalt, der wirklich  
monatlich an 20Rthl. lief, wäre schwerlich widerzufinden.
monatlich an 20 Rt. lief, wäre schwerlich wiederzufinden.  


Aemil reiste zu seinem Freunde Stockhausen, Anfangs 17[+++]
Aemil reisete zu seinem Freunde Stockhausen, Anfangs 175[7]  
der in dem 2 Monatlichen Aufenthalte bey ihm, sein
der in dem 2 Monatlichen Aufenthalte bey ihm, sein  
Herz, wie seine Aussichten aufzuheitern suchte. Er machte
Herz wie seine Aussichten aufzuheitern suchte. Er machte  
mit Aemil den Plan, daß er über Hamburg nach England
Aemil den Plan, daß er über Hamburg nach England  
gehen sollte, und gab ihm Address Briefe nach Hamburg|<8>
gehen sollte, und gab ihm Adress Briefe nach Hamburg /
an einige Kaufleute und Gelehrte mit. Aemil, der durch
an einige Kaufleute und Gelehrte mit. Aemil, der durch  
den Zustand seiner Börse gar nicht zuversichtlich war, gab
den Zustand seiner Börse gar nicht zuversichtlich war, gab  
ein paar von den Briefen ab, an Leute, die, ob sie gleich Musik-
ein Paar von den Briefen ab, an Leute, die, ob sie gleich Musik-
libhaber waren, doch sonst wohl etwas zu thun hatten, als sich
liebhaber waren, doch sonst wohl etwa zu thun hatten, als sich  
um einen Musikum zu bekümmern, der in keinem reichen
um einem Musikum zu bekümmern, der in keinem reichen  
Kleide, und von keinem grossen Hofe kam. Er behielt die
Kleide, und von keinem grossen Hofe kam. Er behielt die  
übrigen Briefe in der Tasche, und nahm die Direction der Musik
übrigen Briefe in der Tasche, und nahm die Direction der Musik  
[***] schönemanischen Theater<ref>[[Category:Fußnote setzen]]</ref> an. Ein Freund, Name Olde<ref>[[Category:Fußnote setzen]]</ref>,
beym schönemannischen Theater an. Ein Freund, Namen[s] Olde,  
Dr. med. dem Stockhausen über meine Ankunft geschrieben
Dr. Med. den Stockhausen über meine Ankunft geschrieben  
hatte, suchte den Aemil auf, und machte ihm die gütigsten
hatte, suchte den Aemil auf, und machte ihm die gütigsten  
Vorwürfe über sein allgemeines Mißtrauen in die Menschheit.
Vorwürfe über sein allgemeines Mißtrauen in die Menschheit.  


Seine Bekanntschaft, und nachherige warme Freundschaft waren
Seine Bekanntschaft, und nachherige warme Freundschaft waren  
höchst ersprießlich. Er und der [***] Seherbaek <ref>[[Category:Fußnote setzen]]</ref>, bewogen
höchst ersprießlich. Er und der Sindicus Schuback, bewogen  
mich die Direction des Schonemannischen Orquesters zu
mich, die Direction des Schonemannischen Orquesters zu  
verlassen und in Sprachen zu unterrichten, wozu sie mir
verlassen, und in Sprachen zu unterrichten, wozu sie mir  
beyde Gelegenheit in ihrer Verwandschaft gaben. Und so sehr
beyde Gelegenheit in ihrer Verwandschaft gaben. Und so sehr  
schwer es felt, <strike>mich</strike> Aemil zu überzeugen, daß ich dazu fähig
schwer es hielt, Aemil zu überzeugen, daß ich dazu fähig  
sey, so sehr gut glückte es ihm, ihren Empfehlungen keine
sey, so sehr glückte es ihm, ihren Empfehlungen keine  
Schande zu machen; Indem sich Aemil  
Schande zu machen; Indem sich Aemil verpflichtet hielt,
fast jede Nacht vorher auf die Lectionen des folgenden
Tages zu praepariren, lernte er hierduch am meisten,
erwarb sich reichliches Auskommen, eines guten Lehrers und
redlichen Mannes. Madame Olde, eine der besten
und klügsten Frauen, rieth dem Aemil, Eintritt in die
Fr. Mrey. zu erhalten. Er erhielt ihn, und ist seit 1759 immer ein
sehr thätiges Mitglied des Ordens gewesen, den er
gerne zu dem wohlthätigen Endzwecke längst hätte [...] bringen /
helfen, wozu, andre weisere und einsichtsvolle
Männer selbigen, zu seiner höchsten Zufriedenheit gebracht
haben.
Aemils Leben in Hamburg ist reich genug an Begebenheiten,
die aber mehr Einfluß auf sein zeitliches Glück, als auf die
''Bildung'' seines Charakters gehabt haben. Bey der Voraus-
setzung , daß er einst hierüber selbst ausführlicher seyn
wird, und bey der wenigen Zeit, die ich bey meiner
vorstehenden Reise habe, kann ich nur noch ''kurz'' folgendes
anführen.


Anno 1765 verheyrathete er sich mit der Tochter
eines Rathsherrn in Hamburg, die ihm ein ''grosses'' Ver-
mögen zubrachte, von dem er aber nach ihrem Tode
der 1766 im Jenner, Kinderlos erfolgte, nicht mehr als
circa 10000 Rt. für sich behielt, und das Uebrige
ihren Schwestern wieder auskehrte. Worüber er
von einigen getadelt, von einigen gelobt, von
seinen Schwägern mit Undank belohnt, von
seinem Herzen aber mit beständigen Beyfall bezahlt
wurde.


1768 verheyrathete er sich zum 3 Mahle, nachdem
er eine Buchdruckerey errichtet hatte, mit der Tochter
des Buchhändlers Carl Bohn, die ihm ''Nichts'' zubrachte
und die Anno 1777 wieder starb, ohne ihm Kinder zu
hinterlassen. Nachdem Aem. dergestallt drey Gattinnen
und zehn Kinder verloren hatte, nahm er, so trieb und kinderlos, /
das Anerbieten der Frau Gräfinn von
Bernstorf an, welches ihn Logis und Tisch auf einem schönen
Landguthe bestand. wogegen ich ihre Geldgeschäfte und ihre
Haushaltung zu übersehen übernahm, und also die Buch-
druckerey, und den damit verknüpften Buchhandel aufgab.


Anno 1778 ernannte ihn der Herzog von Meynungen
zum Hofrath, und 1782 Sr. Durchl. von Gotha zum Legations
Rath. Als Anno 1779 die Frau Gräfinn von Bernstorff
zu ihrer Niece nach Weimar reisete, begleitete er sie dahin,
und ist seit dort geblieben, woselbst er sich die ersten
Jahre mit Uebersetzen fürs Publikum, seit ein Paar Jahren
bloß mit Ordensarbeiten beschäftigt. Dabey hat er
seit einem Jahre verschiedene Anfälle von Schwindel
gehabt, daher ihm verboten ist, des Nachmittags zu schreiben.


Sein Lieblings Zeitvertreib, ausser dem Lesen, ist Musik und
Blumengärtnerey.
Seinen Charakter ganz zu entwerfen, möchte nur zu
schwer werden. Hier einige Züge davon.
Er hat ein sehr empfindliches Herz, und starke Leidenschaften,
ist mehr zur Melancholey, als zur Fröhlichkeit geneigt; von
Natur dem Jaehzürnen unterworfen, ist aber nach und
nach darüber ziemlich Meister geworden; anhaltend
zu hassen ist ihm unmöglich. Sein Geist ist sehr activ; seine
Imagination kann grosse Ideen fassen, ''jedoch'' ob er gleich
mehr Witz hat als Verstand, nur wenig poetisch schön hervorbringen.


</poem>
</poem>

Latest revision as of 18:23, 25 January 2022

Commentary

Biographie Bodes, verfasst in der 3. Person wobei Bode immer wieder in die 1. Person verfällt. Beschreibt Kindheit, Ausbildung, drei Ehen und seine Lebensstationen bis zur Ankunft in Weimar


Transcript

Der Bruder Aemilius ist gebohren zu Braunschweig, den 16. Januar
1731. Sein Vater Joh. Georg B. war ein Mann von vielem
Genie, das unterdrückt, und von vielen grossen Anlagen, die ganz falsch
entwickelt worden; dabey besaß er viele Ambition und eine
bis zur Heftigkeit gehende Lebhaftigkeit des Charakters; dieses
alles verleitete ihn zu Unternehmungen, welche ihn in grosse
Armuth stürzten, als Aemilius kaum 9 Jahre alt war. Seine
Mutter, eine geborne Knigge, hatte ein edles, und sanftes
Herz, weibliches Herz. Furchtsam, religieus, und im höchsten Grade
mitleidig und duldend. Die Einflüsse der Vermischung von beyden
Charakteren seiner Aeltern fühlt Aemilius noch sehr lebhaft.

In der frühesten Kindheit thaten ihn seine Aeltern zu einem
lutherischen Prediger zur Erziehung aufs Land, und meinten ihn
zu einem künftigen Theologen zu bestimmen. Als Anno 1740 die
Umstände seines Vaters völlig ruinirt wurden, ließ ihn
sein Lehrer merken, daß er ihn nicht behalten könne. Der Mann
hatte wirklich selbst eine zahlreiche Familie und wenig Einkommen.
So viel erinnert sich Aemilius noch von ihm, daß er redlich, aber
hart und streng war. Das Latein ward dem Aem. nicht liblich ge-
macht, in der Religion aber, worin er zugleich mit ein Paar Junkern
und einem Fräulein, einen höchst orthodoxen Unterricht genoß,
that er vor den Uebrigen starke Schritte, und solcher gestalt ward
er durch öfteres Lob darüber, schon damals intolerant gegen
alles, was sein orthodoxer Lehrer verdammte, besonders waren
dies die Juden und Menonisten; und sein meistes Betreben, waren
wirkliche, obgleich kindische Spekulationen über die Unterscheidungslehre. /

Da ich nur einige Züge seines Lebens aufzeichnen kann, die seinen
Charakter, ohne die Bescheidenheit zu verletzen, andeuten, und zugleich
darauf führen können, wie dieser sich nach und nach gebildet (mit
dem Versprechen, so bald ich Zeit habe, eine etwas ausführlichere
Biographie voller Vertrauen in das O.sArchiv nieder zu
legen, so kann ich, der Kürze der Zeit wegen nur abgebrochen,
nach der cronologischen Ordnung schreiben.

Als Aemilius 1740 von seinem alten Pfarre[r] weg mußte, führte
ihn sein Weg über Wolfenbüttel, woselbst er eine ziemlich wohlhabende
Tante besuchte, die ihn einige Wochen bey sich behalten wollte. Aemil,
ohne Bücher und andre Beschäftigung, erkundigte sich in aller Stille nach
der lateinischen Schule und ihren Lektionen in den Klassen. Was
wußte er andres, als man dürfe nur hingehen um zu lernen?

Das that er, bald nach seiner Ankunft in Wolfen. Er ging hin in
die 4 Classe, deren Lexionen er sich gewachsen meinte, und setzte
sich unten hin, noch ehe der Lehrer kam. Dieser verbarg seine
Verwundrung, während der ordentlichen 2 Stunden, und als die
PrivatStunde anging, und Aem. nicht weggehen, sondern auch da
lernen wollte, gings an ein Examen über meine Umstände, wohin,
woher? u.s.w. Er antwortete wahr. – Die Sache ward dem Vorge-
setzten gemeldet, und der Herr Gen Superintend, sah den Knaben
aus Neugierde, ward ihm ziemlich gewogen, und wollte ihn in
seinen Studiis unterstützen. Es ward für seinen kümmerlichen
Unterhalt gesorgt. Einst kam ein Landprediger nach W. Aß bey
dem Gen. Superintendent, der ihm vom Aem. erzähte. Der Prediger
hatte keine Kinder und dabey eine einträgliche Stelle. Er machte es
mit dem Gen. Sup. aus, daß er mich an Kindes statt annehmen
wolle. Mein Glück schien gemacht. Mein Prediger war ein /
übergetretener Mönch und hatte eine übergetretene Nonne, die
vom Braunschweigischen Hofe mit dieser Pfarre dotirt, geheyrathet. Aem. zog
im Herbste zu ihm. Er hatte versprochen, Em. zu unterrichten,
das amusirte ihn aber nicht. Bey den Examen der Kinder, die er zur
Confirmation, nach Amtspflicht, bereitete, war Aem. zugegen, und
bald der Unterlehrer. Im Jahr 1741 Ostern, also im 11 Jahre, nahm
er ihn zum Abendmahl an; und bis dahin hatte Aem. ihn für einen
recht guten Christen, der Lehre nach, gehalten. Den Sommer darauf
ward Em. in diesem Glauben irre, als der bekannte Heterodoxe Edel-
mann, seine Wohnung bey dem Pfr. aufschlug, und man so unvorsichtig
war, nicht nur ihn ihre Gespräche mit anhören zu lassen: sondern
sogar über die Religiosität dieses Knabens zu spotten.

Dieses, und der Umstand, daß der Pfarrer mit der Absicht hervor-
ging (der Gen. Superintendent, war gestorben) als kleinen Lacqaien
zu brauchen, und zu kleiden. Dies machte, daß Aem. nach
Rücksprache mit seinem Vater, lieber jedes Handwerk, die ihm alle
gleich waren, zu lernen, und den Pfarrer verlies. Aemilius ver-
suchte es bey einem Kunstdrechsler, konnte es aber, weil er bis in
sein 14tes Jahr sehr klein und schwach war, nicht aushalten. Ein
Freund des Vaters [...] rieth ihm, die Musik zu lernen. Der
Rath ward angenommen, obgleich Aem. noch keine Note kannte, und
sich weder Neigung noch Talente zur Musik fühlte, sondern bloß
wünschte, seinen Aeltern aus der Unterhaltung zu kommen. Seine
Lehrjahre, bey einem ordentlichen Kunstpfeifer fingen Himmelfarth
1742 an. Er war so fleissig in der Musik, als es bey de[n] Haus-
arbeiten, dazu man ihn brauchte seyn konnte, und er reussirte
so gut, als es seine Meister erlaubten. Sein Herz, das leicht be-
weglich und sehr empfindlich war, haftete, bey der Folge von
traurigen Widerwärtigkeiten, voll Hoffnung, an die Religion, /
und ward er durch diesen Hang des Herzens zur Parthey eines Predigers
in Braunschweig geführt, der Privatversammlungen, und, wie man
sagte, pietistisch, für mich aber rührend predigte. Dieser Prediger ward
zwar als ein gottloser Heuchler entdeckt. Aem. aber hatte durch ihn
den Vortheil, daß er allerley gute Bücher zum Lesen, und
mit besseren Leuten, als seinen Kameraden eine Art Umgang
bekam. Sein Hang zum Nachdenken gewann gleichfalls dabey;
und der kindisch fromme Trieb, etwas zur PrivatErbauung
beyzutragen, vielleicht auch Ambition, sich hervorzuthun, bewog
ihn, Lieder mit Melodien zu machen. Zur Poesie hatte er
gar keine Anleitung, zur Composition treib er Bücher auf, die
er nebst einigen Partituren, die er habhaft werden konnte, studirte.
Er ward bald der beste unter seinen Mitgenossen, und das
minderte seine Trübsal um Nichts. Die gütige Aufmunte-
rung des Kapelldirektors v. B. erhielt seine Geduld und seinen
Fleiß, da zumal der damals regirende Herzog ihm versprach,
ihn einst auf seine Kosten reisen zu lassen.

Anno 1747 schickte Braunschweig Truppen zur alli[ie]rten Armee
nach Holland. Es fehlte dabey an Hoboisten. Aemilius ließ sich
bewegen, als solcher Dienste zu nehmen, und ging mit, voll
täuschender Freude, über seine Erlösung aus seinen sklavi-
schen Lehrjahren, bey einem harten geizigen [Cho]prinz und
neidischen boßhaften Gesellen. Er hatte Umgang gehabt
bey dem obgedachten Freunde seines Vaters, der auch Musik
liebte, und hatte eine aufkeimende Neigung gegen dessen
sehr hübsche 13 jährige Tochter empfunden. In Holland, in
den Winterquartieren ward Aemilius in seinem Quartier
bey Menoniten, sehr krank. Die ausserordentlich gute /
Pflege, die ihm von der ältesten Tochter des begüterten
Hauses widerfuhr, machten ihn erst sehr dankbar, und
nach und nach, ward diese Dankbarkeit heftige Liebe, welche Gegenliebe erweckte.
Die Aeltern, die ihre Tochter sehr zärtlich liebten, willigten mit der
Bedingung ein, wenn ich die Einwillig[ung] der Meinigen herbeyschafte.
Aem. zweifelte daran nicht, weil es eine reiche Verbindung, auf
die arme Aeltern gerne zu sehen pflegen. Er betrog sich. Sein
Vater hatte andre Plane auf das Versprechen des Herzogs gebauet,
an der seine Ambition Theil hatte. Und bey seiner Zurückkunft
Anfangs 1749, drohete er mit dem Väterlichen Fluche, wenn
er nicht einer Verbindung mit einer Menonitinn entsagte.

Er gehorchte. Der Freund seines Vaters war während seiner Abwesen-
heit gestorben und hatte die Seinigen in traurigen Umständen
hinterlassen. Aemils blutendes Herz fühlte mit ihnen herzliches
Mitleiden. Bey seiner verlornen Hofnung auf Holland reichte
dies Mitleiden zu einer Empfindung, die ein 17jähriger jun-
ger Mensch für Liebe halten kann. Der Kapelldirektor war ein
Freund der Nachgelassenen. Aemils Aeltern sahen diese
Neigung gerne, weil solche den Sohn an sein Vaterland fesseln
würde. Solcher gestallt von Innen und Aussen aufgemuntert
heyrathete er mit 17 Jahren ein schönes Mädchen, die kaum 15 war,
und mit der er, alles gerechnet, ein festes Einkommen von
etwas 70 bis 80 Rtl hatte. Aber reich an Hofnung, durch
Fleiß ein bedeutender Musikus zu werden. Er hatte zugestandner
Weise Talente zur Musik. Er fühlte sich aber, daß es ihm
an HülfsWissenschaften fehlte, um aus der gemeinen Klasse
heraus zu gehen. Mit einer Knabenzuversichtigkeit aufs Glück
oder Gott und sich selbst, ging er im Herbst 1749 nach Helmstädt
um zu studieren, Musik zu üben, und sich durch Unterricht geben /
durchzuhelfen. Hier nahm sich seiner der jezige Superintendent
Stockhausen, in Hanau, der damals Magister lagers war, mit Güte
und freundschaftlichen Rathe an. Wie kümmerlich seine Umstände
waren, indem er ausser sich selbst, von 70 bis 80 Thalern das folgende
Jahr schon eine Frau nebst einem Kinde zu ernähren hätte, läßt
sich schliessen. Indessen that er war er konnte, bey seiner gezwungenen
einsamen Lebensart, seine Kunst und sich selbst immer besser
kennen zu lernen. Stockhausen entdeckte an ihm Fähigkeiten,
die er sich selbst nie zugetrauet hatte, und diese Entdeckung
war ihm Trost. Indessen erlaubten ihm seine Mittel nicht
von Professoren Hülfe zu deren Ausbildung zu erwarten.

Jedoch blieb er in Helmstädt bis 52, um sich der Gelegenheit
Bücher, die ihm Stockhausen vorschlug, zu erhalten, zu bedienen,
welche er in Braunschweig nicht haben konnte. Dieser 3jährige
Aufenthalt, der selten durch eine kleine Reise zu Fuß nach
Braunschweig zu seiner Frau, und zur Revue unterbrochen ward,
machte eine grosse Aendrung in der Denkart Aemils. Er war
sehr wißbegierig; mußte aber zu allem, was er wissen
wollte, durch selbst gesuchte Wege, durch Lesen gelangen,
die dann sehr krumm und mühsam waren. Sein Herz gewann
indessen dabey mehr, als sein Kopf. Soviel erinnert Aemil
sich noch, daß er die Musik nach der Poesie und Beredsamkeit
studirte. Als er 1752 Helmstädt ganz verließ, war es
natürlich, daß er am Umgange mit seinen Kameraden keinen
Geschmack fand, um desto mehr, da die Herrn Gärtner, Zachariae,
Ebert und andre ihres Standes [Zutritt erlaubten].
Seine Kameraden neideten, haßten, verfolgten ihn, und
selbst seine vorgesetzten RegimentsOfficiere spotteten /
über den Buchgrübler. Sein Gönner, der Kapelldirektor,
war gestorben, der Herzog schien sein Versprechen vergessen zu haben,
und Blödigkeit hinderte Aemilius, ihn daran zu erinnern.

Alles das, wozu noch kam, daß seine Frau gar keine Haushälterin
zu seinem geringen Einkommen war, bewegte ihn, zu-
mal auch sein Vater, gegen den er immer eine furchtsame
ehrerbietige Folgsamkeit, auch noch als freyer Mann behielt,
gestorben war, und es nicht hindern konnte, sein Vaterland
zu verlassen und in Zelle, bey einem Regiment, die
Stelle als Premier-Hautbois, mit ungefehr dreymal soviel
Gehalt, als in Braunschweig anzunehmen. Diese merkliche
Verbesserung, die noch nach und nach dreymahl erhöht ward,
und die Nebeneinnahmen, die er durch Unterricht, und Di-
rektion der Concerte erhielt, beruhigten seine Besorgnisse,
und erleichterten ihm die Mittel, sich Bücher anzuschaffen.
Sein Hauptfach war die Composition, in dem er mit Beyfall
arbeitete, und Kirchenmusik, wäre seine Stärke geworden.

Dabey legte er sich jezt auf Sprachen, als Italiänisch, Französisch
und Englisch. Stockhausen, welcher derweilen nach Lüneburg
als Rektor gezogen war, war sein vertrauter Correspondent
und Rathgeber seines Studierens. Wider dessen Rath trieb er
so viel auf einmal; Indessen war es das Schicksal
Aemils, grössere Schwierigkeiten, nicht nur von Aussen,
sondern, auch die er sich Selbst, als eigener blinder Leiter
selbst machte, zu überwinden. Er würde in dieser ausser
der schlechten HaushaltungsKunst, ganz Brodsorgen
freyen Lage, sein Studieren bis zu einem Punkte fortgetrieben
haben, um mit einem Mahle, mit Vortheile aufzutreten,
denn er hatte schon einige Beförderungen ausgeschlagen, die ihm /
dadurch zugekommen waren, daß er einige Reisen
gethan, um grosse Leute zu hören, und auch eine OpernGesell-
schaft, mit Bewilligung seiner Obern, in Lübeck 1754 dirigirt
hatte. Aber das Schicksal wollte es anders.

Anno 1756 war für ihn durch eine schwere Krankheit, durch die
Krankheit seiner beyden Kinder, wovon der älteste erst an
den Blattern, drauf seine Frau, in einem schweren Wochen-
bette nebst dem Neugebornen, und bald darauf das
noch übrige Kind an der Auszehrung starb. In Zeit
von ein Paar Monathen war er also nur allein noch
übrig, und sein empfindliches Herz ward von schwarzer
Melancholey gedrückt. Der Ort war ihm zuwider, wo er
so viel Verlust erlitten hatte. Er fand, bey genauer Untersuchung,
daß er etwa 100 Rt. schuldig bliebe. Er nahm auf etliche
Monate Urlaub, verschloß sich bey einem Freunde im Hause.
Komponirte und schrieb für Liebhaber so viele Noten, bis er das
Geld verdient hatte, wobey er wenig verzehrte, und noch weniger
schlief. Da um diese Zeit der Krieg zwischen England und Frank-
reich losbrach, wobey es wahrscheinlich ward, daß das Regiment,
worunter er stund, gleichfalls würde zu Felde ziehen müssen,
so wollte er dies ihm bekannte Leben nicht noch Einmal
versuchen, und nahm seinen Abschied, zur Verwundrung
seines Chefs, der meinte ein so grosser Gehalt, der wirklich
monatlich an 20 Rt. lief, wäre schwerlich wiederzufinden.

Aemil reisete zu seinem Freunde Stockhausen, Anfangs 175[7]
der in dem 2 Monatlichen Aufenthalte bey ihm, sein
Herz wie seine Aussichten aufzuheitern suchte. Er machte
Aemil den Plan, daß er über Hamburg nach England
gehen sollte, und gab ihm Adress Briefe nach Hamburg /
an einige Kaufleute und Gelehrte mit. Aemil, der durch
den Zustand seiner Börse gar nicht zuversichtlich war, gab
ein Paar von den Briefen ab, an Leute, die, ob sie gleich Musik-
liebhaber waren, doch sonst wohl etwa zu thun hatten, als sich
um einem Musikum zu bekümmern, der in keinem reichen
Kleide, und von keinem grossen Hofe kam. Er behielt die
übrigen Briefe in der Tasche, und nahm die Direction der Musik
beym schönemannischen Theater an. Ein Freund, Namen[s] Olde,
Dr. Med. den Stockhausen über meine Ankunft geschrieben
hatte, suchte den Aemil auf, und machte ihm die gütigsten
Vorwürfe über sein allgemeines Mißtrauen in die Menschheit.

Seine Bekanntschaft, und nachherige warme Freundschaft waren
höchst ersprießlich. Er und der Sindicus Schuback, bewogen
mich, die Direction des Schonemannischen Orquesters zu
verlassen, und in Sprachen zu unterrichten, wozu sie mir
beyde Gelegenheit in ihrer Verwandschaft gaben. Und so sehr
schwer es hielt, Aemil zu überzeugen, daß ich dazu fähig
sey, so sehr glückte es ihm, ihren Empfehlungen keine
Schande zu machen; Indem sich Aemil verpflichtet hielt,
fast jede Nacht vorher auf die Lectionen des folgenden
Tages zu praepariren, lernte er hierduch am meisten,
erwarb sich reichliches Auskommen, eines guten Lehrers und
redlichen Mannes. Madame Olde, eine der besten
und klügsten Frauen, rieth dem Aemil, Eintritt in die
Fr. Mrey. zu erhalten. Er erhielt ihn, und ist seit 1759 immer ein
sehr thätiges Mitglied des Ordens gewesen, den er
gerne zu dem wohlthätigen Endzwecke längst hätte [...] bringen /
helfen, wozu, andre weisere und einsichtsvolle
Männer selbigen, zu seiner höchsten Zufriedenheit gebracht
haben.
Aemils Leben in Hamburg ist reich genug an Begebenheiten,
die aber mehr Einfluß auf sein zeitliches Glück, als auf die
Bildung seines Charakters gehabt haben. Bey der Voraus-
setzung , daß er einst hierüber selbst ausführlicher seyn
wird, und bey der wenigen Zeit, die ich bey meiner
vorstehenden Reise habe, kann ich nur noch kurz folgendes
anführen.

Anno 1765 verheyrathete er sich mit der Tochter
eines Rathsherrn in Hamburg, die ihm ein grosses Ver-
mögen zubrachte, von dem er aber nach ihrem Tode
der 1766 im Jenner, Kinderlos erfolgte, nicht mehr als
circa 10000 Rt. für sich behielt, und das Uebrige
ihren Schwestern wieder auskehrte. Worüber er
von einigen getadelt, von einigen gelobt, von
seinen Schwägern mit Undank belohnt, von
seinem Herzen aber mit beständigen Beyfall bezahlt
wurde.

1768 verheyrathete er sich zum 3 Mahle, nachdem
er eine Buchdruckerey errichtet hatte, mit der Tochter
des Buchhändlers Carl Bohn, die ihm Nichts zubrachte
und die Anno 1777 wieder starb, ohne ihm Kinder zu
hinterlassen. Nachdem Aem. dergestallt drey Gattinnen
und zehn Kinder verloren hatte, nahm er, so trieb und kinderlos, /
das Anerbieten der Frau Gräfinn von
Bernstorf an, welches ihn Logis und Tisch auf einem schönen
Landguthe bestand. wogegen ich ihre Geldgeschäfte und ihre
Haushaltung zu übersehen übernahm, und also die Buch-
druckerey, und den damit verknüpften Buchhandel aufgab.

Anno 1778 ernannte ihn der Herzog von Meynungen
zum Hofrath, und 1782 Sr. Durchl. von Gotha zum Legations
Rath. Als Anno 1779 die Frau Gräfinn von Bernstorff
zu ihrer Niece nach Weimar reisete, begleitete er sie dahin,
und ist seit dort geblieben, woselbst er sich die ersten
Jahre mit Uebersetzen fürs Publikum, seit ein Paar Jahren
bloß mit Ordensarbeiten beschäftigt. Dabey hat er
seit einem Jahre verschiedene Anfälle von Schwindel
gehabt, daher ihm verboten ist, des Nachmittags zu schreiben.

Sein Lieblings Zeitvertreib, ausser dem Lesen, ist Musik und
Blumengärtnerey.
Seinen Charakter ganz zu entwerfen, möchte nur zu
schwer werden. Hier einige Züge davon.
Er hat ein sehr empfindliches Herz, und starke Leidenschaften,
ist mehr zur Melancholey, als zur Fröhlichkeit geneigt; von
Natur dem Jaehzürnen unterworfen, ist aber nach und
nach darüber ziemlich Meister geworden; anhaltend
zu hassen ist ihm unmöglich. Sein Geist ist sehr activ; seine
Imagination kann grosse Ideen fassen, jedoch ob er gleich
mehr Witz hat als Verstand, nur wenig poetisch schön hervorbringen.

Notes