D-Q11406

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Commentary

Transcript

|<167> Bode[1] war ein Mann, der das Illuminaten- und Ordenswesen hauptsächlich benutzte, um sich Einfluß und eine vertraute und ausgezeichnete Aufnahme an Höfen wie bei Vornehmen zu verschaffen. Wenn er nach Gotha kam, so wurde er allezeit auf herzogliche Kosten im Gasthofe freigehalten. Auf seiner famosen, von Barruel[2] und ähnlichen Schreiern ihm so übel gedeuteten Reise nach|<168> Paris, 1787 mit „Bayard“ (Herrn v. d. Busche),[3] ist schwerlich sein Zweck Vorbereitung und Förderung der Revolution gewesen; dazu paßte „Bayard“ am allerwenigsten. Wohl aber wollte Bode mit Hilfe der Maurerei vielleicht in Frankreich Illuminatenlogen gründen, für sein liebes Ich eine ausgezeichnete Aufnahme finden und sich überhaupt wichtig machen. Das liegt so ziemlich klar in Dem, was beide Herren zu Eisenach dem würdigen Ernst August Anton von Göchhausen[4] eröffneten, und was dieser in seinem „Aufschluß des Systems der Weltbürgerrepublik“ andeuten zu müssen glaubte. Bekanntlich kaufte Herzog Ernst[5] nach dem Tode Bodes [13. December 1793][6] dessen sämmtliche Schriften und Papiere um eine sehr namhafte Summe von der Erbin;[7] und zwar lediglich deßhalb, damit seine eigenen Briefe, Correspondenzen und Aufsätze nicht etwa in fremde Hände gerathen, vielleicht gar in Druck gegeben werden möchten. Zur großen Verwunderung einiger noch thätigen alten Illuminaten war ich es, der vom Herzoge den Auftrag erhielt, diese Schriftstücke in Weimar zu übernehmen; bei der Uebergabe an mich[8] waren gegenwärtig: von Voigt,[9] Böttiger[10] und L. [11][12] Wenn ein gewissen Lange[13][14] bey Gelegenheit einer Maurerischen Streitschrift zu Rostock behauptet: auch er sei zugegen gewesen, so ist dies einfach falsch. Bodes gesamte Schriften und Papiere waren in einzelne Bogen geschlagen; diese wurden von jenen drei Herren versiegelt und darauf von mir in eine kleine Kiste gelegt, während|<169> eine größere mit zahlreichen Exemplaren von Druckschriften gefüllt ward, welche die Katechismen, die Rituale, die Aufnahmen und Ceremonie verschiedener von Bode und Anderen erfundenen oder auszuarbeitenden Ordensgrade betrafen und sämmtlich mittels der Handdruckerei gedruckt worden waren, welche Bode zu diesem behufe von Herzog Ernst geschenkt bekommen hatte; es war die Comödienzetteldruckerei des ehemaligen Hoftheaters. Beide Kisten, die große und die kleinere, fanden sich nach dem Tode des Herzogs uneröffnet vor; meine Siegel daran waren noch so unversehrt, wie ich sie aufgedrückt hatte. Weiter unten werde ich erzählen, wie sie in die Stockholmer Freimaurerarchive[15] gekommen sind, wo sie gegenwärtig ruhen.

[…]

|<337> das Gesicht hatte er ganz gegen die Wand gekehrt, wahrscheinlich um mir seine Bewegung zu verbergen. Mit ruhiger und deutlicher, obgleich schwacher Stimme find er nun einen klaren und wohlgeordneten Vortrag an: wie sein Ende herannahe, und wie er mich nebst allen seinen Freunden beschwöre, ihm nicht durch Traurigkeit des Todes zu erschweren, nach dem er sich so gesehnt. Immer habe er gehofft, Gott werde die Gnade haben, ihm noch genügende Kräfte zu verleihen, damit er selbst seine Papiere und noch einige andere Dinge in Ordnung bringen könne; er fühle aber nunmehr, daß dies nicht der heilige Wille des Höchsten gewesen sei, denn es sei ihm klar geworden daß auch keine Minute mehr zu verlieren sei, um dies ihm schwer das Herz bedrückende Anliegen zu beseitigen. Daher ersuche er mich, sowohl über die Hauptpunkte (welche er mir nun darlegte) ihm meine gutachtlichen Vorschläge zu machen, als auch einige Männer zu nennen, denen er die förmliche Ausfertigung der noch von ihm zu treffenden Verfügungen, sowie die Durchsicht seiner Papiere nach seinem Tode anvertrauen könne. Tieferschüttert setzte ich alle meine Geisteskraft zusammen. Als Bevollmächtigte nannte ich ihm drei bewährte Diener seines Hauses; Ehrenmänner, die er selbst wegen ihrer Kenntnisse und Biederkeit schätzte, und von deren Festigkeit ich überzeugt war, daß sie seinen Willen nach seinem Tode pünktlich befolgen würden, ohne durch irgendeine Rücksicht sich beirren zu lassen. Diese drei Männer waren der Geheimrat von der Becke,[16] der damalige Regierungsrath von Seebach[17] und der Regierungsrath Geißler,[18] der Sohn seines alten Freundes,[19] welcher nachher unter dem Herzog August plötzlich seinen Abschied forderte und sich auf seine großen Güter in Sachsen zurückzog.|<338>

Von diesen drei Vorgeschlagenen wählte Herzog Ernst den ersten und den letzten, da derselbe auch Freimaurer war; die anderen beiden waren es dies nicht. Bei dem reichen Schatze, welchen Herzog Ernst an den wichtigsten Freimaurerpapieren aller Systeme und der höchsten Grade besaß, war es nothwendig, daß dieselben von einem Vertrauten des Bundes übernommen und gesichtet wurden. – Nachdem er sich für von der Becke und Geißler entschieden, befahl er mir, ohne Zeitverlust mit beiden in seinem Namen zu sprechen, und sie zu fragen: ob sie sich dem Geschäfte unterziehen wollten? Beide fühlten sich durch das Vertrauen des Herzogs hochgeehrt und erklärten sich willig bereit. Die Freude des Herzogs, als ich ihm die Antwort brachte, war groß; ungesäumt bestimmte er nun den anderen Morgen als Zeitpunkt, wo er diese Commissarien sprechen wollte; mir trug er auf noch bis zum Abend eine Übersicht der Punkte aufzusetzen und ihm zu bringen, um welche es sich handeln werde, der zunehmenden Schwäche seines Gedächtnisses damit zu Hilfe zu kommen. Pünktlich unterzog ich mich dieser Aufgabe. Die auf die Durchsicht der Papiere bezügliche Bestimmung setzte fest, daß alle Schriften, welche sich vorfinden würden – Staatspapiere oder Schuldverschreibungen ausgenommen – auf der Stelle in den Commissarien ohne Sichtung verbrannt werden sollten. Der Herzog war ein Feind der Veröffentlichung von Briefsammlungen Verstorbener; eben deshalb hatte er auch, wie ich oben erwähnte, die Bodeschen Papiere angekauft. Alle Schriften Geräthe oder Briefschaften, welche die Freimaurerei und deren Verzweigungen beträfen, sollten, die Geräthe zerschlagen und vernichtet, die Papiere hingegen gesammelt, in Kisten verwahrt und nach Stockholm an den dortigen großen Orient[20] als ein heiliges, niemals eröffnendes Depositum gesendet|<339> werden. Anfangs hatte ich Verbrennung, darauf Niederlegung im herzoglichen Hausarchive vorgeschlagen; beides verwarf der Herzog: ersteres, weil unter den Papieren sehr viele ihm vermachte Deposita von Anderen inzwischen Verstorbenen waren, über welche vernichtend entscheiden zu können er sich nicht befugt glaubte; letzteres aus einem sehr triftigen Grunde, den ich verschweige, weil er sich auf seinen Nachfolger bezog. Ein späterer Vorfall, den ich erzählen werde, überzeugte mich aber, wie richtig Herzog Ernst geurtheilt hatte.

Wir blieben endlich dabei stehen, daß die Freimaurerpapiere in Stockholm am besten aufgehoben seien, weil in Schweden die Freimaurerei den festesten Sitz hat und gewissermaßen mit dem Staate verwebt ist. In der Tat sind die betreffenden Kisten, vier an der Zahl, mit Einschluß der Bodeschen, welche noch so unversehrt vorgefunden wurden, wie ich selbst sie in Weimar übernommen und versiegelt hatte, wohlbehalten an den Ort der Bestimmung gelangt, und nach dem Antwortschreiben des Herzogs von Südermannland[21] – des nachherigen, am 5. Februar 1818 verstorbenen Königs Carl XIII. der von 1780–1811 Großmeister Schwedens war – wird der Wille Ernsts des Bruders pünktlich befolgt werden.

Da die beiden Erbschaftscommissarien alle sich nach des Herzogs Tode vorfindenden Schuldscheine […]

Notes

  1. Johann Joachim Christoph Bode Item:Q133
  2. Augustin Barruel Item:Q174709
  3. Christian Wilhelm von dem Bussche Item:Q188.
  4. Ernst August Anton von Göchhausen Item:Q406.
  5. Ernest II. Ludwig von Sachsen-Gotha-Altenburg Item:Q978.
  6. Bracket insertion of the source.
  7. Charitas Emilia von Bernstorff Item:Q14192, see also Letter Christian Gottlob von Voigt to Ernst II. Ludwig von Sachsen-Gotha-Altenburg, Weimar, 1793-12-15 Item:Q2612; the sum of 1500 Rthl. was, however, designed to go to unnamed impoverished relatives of Bode, so the same letter.
  8. The dispatch of J.J.C. Bodes Masonic Archive and Books to Gotha took place on Monday, January 13, 1794 Item:Q174875.
  9. Christian Gottlob von Voigt Item:Q1271.
  10. Carl August Böttiger Item:Q11197.
  11. [Footnote 1, source:] Die Ergänzung der Buchstaben v. V. u. B. des Originals nach anderweitigen Notizen Reichards selbst mit zweifelsfreier Sicherheit. L. ist wahrscheinlich Carl Friedr. Ernst Reichsfreiherr von Lynker, geb. am 9. Febr. 1728 zu Anspach, gest. 17. März 1801 zu Weimar als Geh.-Rath, Landschaftsdirector und Oberconstorialpräsident. Er war am 25. Mai 1764 in Altenberge der „strickten Observanz“ unter dem Namen Carolus Eques a Lynce beigetreten und v. Hund ernannte ihn zum „Superior der Diöcese Dannenberg“ (Weimar).
  12. Hermann Uhde, the editor of Reichard's autobiography is wrong here. Both names are given in Christian Gottlob von Voigt's letter to Ernest II. on December 15 Item:Q2612/Transcript. The L- intial is Johann August Ludecus Item:Q708.
  13. [Footnote 2, source:] Samuel Gottlieb Lange, Dr. und Professor der Theologie zu Rostock, geb. 5. April 1767 zu Ohra bei Danzig, gest. 15. Juni 1823.
  14. Samuel Gottlieb Lange Item:Q174876, the title in question might be Enthüllung der sogenannten Grossen Landes [Loge] aller Frei Maurer von Deutschland zu B[erlin] : Ms. für Maurer, nebst einem geschr. Schlüssel in einer Reihe von Aufsätzen vom Br. Lange (Berlin, 1808) link; see also Actenmäßige Darstellung der Streitigkeit der Loge Tempel der Wahrheit in Rostock mit dem abgesetzten und excludirten ... Samuel Gottlieb Lange, hrsg.von Samuel Gottlieb Vogel (Rostock, 1808).
  15. Archive of the Grand Lodge of Sweden Item:Q97318.
  16. Johann Carl von der Becke Item:Q102114.
  17. Ernst Ludwig Carl von Seebach Item:Q30299.
  18. Johann Georg Geißler Item:Q384.
  19. Johann Gottfried Geißler Item:Q14200.
  20. [Footnote 1, source:] Groß-Orient ist der im Auslande vorherrschend übliche Name für Großloge.
  21. Charles XIII of Sweden Item:Q174711.