D-Q2608

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Commentary

Transcript

Sie verlangten, Mein gnädigster über allen Ausdruk von mir verehr-
ter und Geliebter Herzog, mein schriftlich Urtheil über das seltsame
Buch, Enthüllung des Systems der Weltbürgerrepublik. Ich habe es zwey
mal sehr aufmerksam gelesen, bin aber am Ende mehr irre worden,
als ich es anfangs nicht war. Es kann seyn, daß ich einen sehr fal-
schen Gesichtspunkte gefaßt habe, aus dem ich das Buch jezt ansehe:
aber es ist der einzige, der mich etwas hell sehen läßt.
Verlaß ich ihn, so ist mir das ganze Buch von Anfang bis
zu Ende - dunkelstes Räthsel. Ich schreibe Ihnen, Guter Unaussprech-
lich Geliebter Herzog, meine Empfindungen, mit denen ichs laß: und
Sie lieben mich ja so sehr, daß ich, wenn ich irre, auf Ihre lie-
bevolle Nachsicht und Zurechtweisung zuversichtlich rechnen darf.

,,Geheime Verbindungen die sich hinter der Freymaurerey verbergen
,,seyn JesuitenAnstalt, Werkzeuge in den Händen Roms zur Beförderung
der Hierarchie,,
das ist Thema des Buchs. Um dies zu beweisen,
hätte man glauben sollen, daß vor allem die Systeme der M_y, die
durch Magie und Alchemie Kopf und Herz der O. Glieder verrütten, und
sie zum blinden Gehorsam gegen unbekannte Obere hinzaubern,
den V. den meisten und brauchbarsten Stoff hätten geben können. Aber
gerade diese Systeme übergeht er fast ganz: gedenkt der Ros. + nur
gegen das Ende sehr vorübergehend, und nicht allein mit einer auf-
fallenden Gleichgültigkeit
und ohne alle Ahndung irgend eines gefährlichen|<1>


Einflusses derselben; sondern so gar mit einem lächelnden Seiten-
Blik auf diejenigen
, die gerade in diesem System mehr als in
irgend einem andren Jesuiten wittern. Hingegen ein System
faßt er ins Auge und verlieht es nie: dajenige, das Vernunftauf-
klärung
zu befördern, und durch diese dem Aberglauben und dem [***]
[***]lischen Despotismus entgegenzuarbeiten
, als Zwek seiner Bemühun-
gen aufstellt.

Dies System (offenbar unser Illum. System, da dies allein
unter allen bekannten Systemen geheimer Verbindungen, disen jenen Zwek
hat, und alles was Minister X. sagt zum Theil wörtlich aus unsren
Heften selbst
, besonders dem der kleinen Mysterien, genommen ist)
stellt nun der V. nicht allein in seinen Folgen von der aller-
gehässigsten
und für Menschen Glük besonders aber für Fürsten Würde
und Wohl des Staats höchstgefährlich Seite vor; sondern will
auch die Welt überreden, daß es Roms absichtlich angelegter
Plan
sey, duese Folgen hervorzubringen, um nun über
die durch jene Aufklärung ganz entnarrten und verdorbnen
Völker desto sicherer und dauernder herrschen zu können.

Bey diesem Gang der Ideen, der durch das ganze Buch
herrscht, kömmt mir nun folgendes äusserst verdächtig vor.

  1) daß Ill- und Ros.+ die einzigen Systeme höherer geh. Ver-
bindungen sind, deren das Buch gedenkt; und doch unter diesen
beyden das leztere nicht allein viel glimpflicher behandelt
wird als das erste sondern es auch lächerlich gefunden wird zu|<2>
glauben, daß Rosen+ unter dem Einfluß von Jesuiten stünden.

  2) daß die, allerdings unleugbaren unglüklichen Folgen welche [***] übel [***]
standen Aufklärung
auf die Grundsäzze halbdenkender und unmorali-
scher Menschen, und durch diese auf Religion Sitten und Glükseelig-
keit ganzer Staaten und Völker haben kann und gewöhnlich hat, [***]
absichtlich hervorgezogen, und in das hellste Licht gestellt;
dagegen aber das viele Gute, das durch eine bescheiden fortschrei-
tende, [***] vernünftige, auf Gemeinnüzlichkeit und Gemeinschaftlich-
keit der zu erkennenden Wahrheit, immer Rücksicht nehmenden
Aufklärung, in der Welt von jeher gewirkt worden ist, und
gewirkt werden kann, gar nicht erwähnt wird.

  3, daß so gar behauptet wird, jene natürlichen Folgen einer gemis-
brauchten Aufklärung zu bewirken, sey gedachter absichtlich veran-
stalteter Plan
der Jesuiten, ohne es auch nur wahrscheinlich
zu finden, daß durch Hinderung aller Aufklärung selbst, Rom
seine Absicht zu herrschen ungleich leichter und sicherer, als durch Veranlas-
sung überspannter
Aufklärung würde erreichen können.
  4. daß monarchischer Despotismus, besonders derjenige, der durch [***]
der Armeen
gesichert wird, über alles erhoben und als das
non plus ultra menschlicher Glükseeligkeit angepriesen; un-
ter diesem Monarchen aber gerade das Laster!! hin und wider [***]
[***] grosses Muster eines solchen Menschenbeglükkenden Herrchers
aufgestellt wird. Am meisten auffallend ist in dieser Rüksicht, wo-
bei der Antwort des KreigsRaths wo er sein eigen System über [***]
religiöse und bürgerliche Freyheit aufstellt, der 36§, wo der Gedanke|<3>

"KönigsRecht ein von Gott selbst anerkanntes Recht in dem Zusa-
mmenhange in dem er da steht, und durch die Stelle der Bibel
welche er dort gegründet ist (vergl. §31.32) die alles fürchten-
de Art von FürstenDespotismus
begründigt ud. rechtfertigt."

Dies alles zusammen genommen muß es nicht, Bester Un[aus-]
sprechlich geliebter Herzog, den Argwohn erwekken? es sey Zwek
des Buchs, alle Vernunftaufklärung verdächtig zu machen; den [***]
ser besonders gegen die geheimen Verbindungen, die eine solche
Aufklärung zu befördern und zu verbreiten suchen, einzunehmen,
dadurch dem Fortschreiten der auf Bigotterie und Aberglauben [***]
lein gegründeten R.+schen Verbindung freyen Weg zu bahn[en.]

Wäre dieser Argwohn gegründet, so ist freylich das Buch [ein]
Meisterstük vom Jesuitischen OperationsPlan. Die unbekannten O[bern]
haben sich dann des Buchs und Papiers eines gescheuten und gutm[üti-]
gen
Protestanten vortreflich zu bemeistern gewust: um ihre [***]
en, auf Erhaltung von Dummheit und Aberglauben allein sich gründ[enden]
Absichten desto unerkannter durchsezzen zu können.
  Übrigens hoffe ich soll das Buch demungeachtet dies Gute wi[rken]

1 daß unsre Volksaufklärer aufmerksam gemacht werden; welcher Be-
  hutsamkeit und vorsicht es bedürfen. daß nicht durch sie gänzlicher Un-
  glaube
und ungebundene Frechheit im Denken u. Handeln veranlast[***]

2 daß unsre Ill. Verbindung nun ganz aufhöre, damit nicht die bessern M[it-]
  glieder derselben immer wieder in Gefahr kommen. Durch öffentliche
  Bekanntmachung so abscheulicher zum Theil in den Heften selbst nicht,
  aber in den Köpfen vieler ihrer Mitverbundenen enthaltenen Grund-
  säzze, wie sie hier Meister X ungeschönt äussert kompromitt[***]|<4>
  zu werden.

daß nun schneller, als vielleicht ohne dies Buch nicht geschehen
wäre, unter den bessern Mitgliedern des erloschnen Ill. Bundes (und wie
ich wünschte, unter protestantischen Bbr. allein) eine neue geheime
Verbindung
geknüpft würde, deren Hauptpunkt es ist, sich eben so sehr
der übertriebenen alles erschlaffenden allein Keim zum Guten tödten-
den Aufklärungs ZweifelSucht und Spekulations Philosophie als der den Geist unterdrükkenden Bigotterie
und Aberglauben entgegenzusezzen, und nur das Erkenntnis nüzlicher
Wahrheit mehr zu befördern und allgemeiner zu machen.
Zwischen dem ersten und zweyten Theile des Buchs finde ich nur
eine Verbindungsidee: daß Fürsten, um sich vor geheimen Verbindungen
sicher zu stellen, den militärischen Geist unter ihrem Volke wekken,
und ihren stehenden Armeen eine sichere und sichtbare Ver-
fassung geben müssen. Doch gestehe ich, Mein Gnädigster
Geliebter Herzog, jenen ersten Brief wirklich zu flüchtig gelesen
zu haben, als daß ich im Ganzen über ihren Zwek richtig zu ur-
theilen mir anmassen könnte.

An Meiners habe ich das Buch geschikt, und erwarte sein
Urtheil mit grossem Verlangen. Ich habe ihn nicht im geringsten
weder für noch gegen dasselbe einzunehmen gesucht. Aber, Bester
theuerster Herzog, wenn ich eines Mannes wahre Empfndungen
beym Durchlesen dieses Buchs zu durchblikken wünschte: so wäre
es Weishaupt. Vieleicht antworten Sie ihm jezt, Mein Guter
gnädiger Herzog, auf seinen Brief, den ich mit seinem Buch, das|<5>


ganz unser DocetenGrad ist, und den übrigen gedrukten [Sa-]
chen, die leider nur zu viel Wahrheit enthalten, m[it]
innigstem Dank jezt wider zurükschikke; und dann würde [ich]
Sie inständigst bitten, ihm zugleich sein Urtheil über die[***]
würdige Buch, und seine Vermuthungen über den V. des[selben]
abzufordern. Ihm muß dies leichter seyn als jeden And[***]
da er weiß, wem er seine kleinen Mysterien (die gewis [dem]
V. des Buchs bekannt waren) anvertraut hat. Auch sollte [***]
glauben, daß die Elogie auf den Bischof v. Würzburg S. 38[***]
ihm [***] kenntlich machen werde.

Haben Sie Nachsicht, Lieber Einzig und Ewig Geliebter [***]
Herzog, mit diesem langen schwazhaften Briefe. Ich schäme [mich]
herzlich, das was ich in wenigen Zeilen zusammengedrängt hätte
sollen, so unleidlich verwässert zu haben. Aber [***]
trägt nicht Ihre väterliche Liebe alles an mir? Weil Ihr [***]
es Ihnen sagt, ich sey keine undankbare Seele, die sich j[***]
Beweises Ihrer Huld Nachsicht und Liebe, mit dem herzl[ichen]
Wunsch erfreut, immer besser und Ihrer Gnade und Lie[be]
immer würdiger zu werden.

am 25tenJun.
1786

Ihr
so lang ich bin, ewig treuer dank[***]
Koppe.

Notes