D-Q4934

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Commentary

Transcript

Im vergangenen Monath Aban[1] sind mir von
meinem Herrn Recipienten[2] verschiedene Hefte,
dem Erlauchten Orden betr. mitgetheilet worden.
Was man so sorgfältig anderthalb Jahre vor mir
verborgen gehalten hat, das habe ich nun erst aus
solchen erfahren, daß es das System der in Bayern
verfolgten Illuminaten[3] ist, in welches ich aufge-
nommen werden soll. So wenig auffallend mir
diese Erscheinung gewesen ist, und so wenig alles
Schreiben und Reden über Illuminaten mich nur
entfernt auf den Weg hat verleiten können, meine
Gedancken gegen dieses System zu fassen; so ist glaube
ich doch selbst den Foderungen des Er. Ordens
eine Genüge zu leisten, wenn ich die Gedancken,
die die Mittheilung dieser Hefte in mir erwecket
hat, meinen unbekannten Herrn Bruder Basilius|<2>
offenherzig entdecke.

Vor allen Dingen muß ich sagen, daß ich die, mit der
Mittheilung der gedachten Hefte selbst verbundene
Aeußerung des Herrn Recipienten, in welcher er
alles Abschreiben und Extrahiren derselben verbath,
mit der Mittheilung und deren Zweck nicht vereinigen
kann.

1) Zweck und Absicht der Mittheilung ist doch gewiß
dieser, daß ich mit den Pflichten, die mir in dieser
Classe obliegen sowohl, als mit demjenigen nicht ve-
kannt machen soll, was ich zu leisten, und zu be-
schwören habe, ehe ich noch würcklich aufgenommen
werde. Diese Pflichten und Dinge sind zu viel, als daß
man durch besseres Lesen im Stande seyn sollte, sich
dieselben, fest ins Gedächtniß einzuprägen, Nicht
länger als einen Tag sind die Hefte in meinen
Händen gewesen, und mehr als solchen habe ich
nicht auf deren Lesung damals verwenden
können.|<3>

Wie sollte ich im Stande gewesen seyn, alles mir genau ein-
zuprägen, und so gründliche und dauerhafte
Känntniß von dem Inhalte der Hefte zu erlangen, als
doch durch die Mittheilung derselben erzielet werden
soll? Was kan wiederholtes Lesen in einem Tage bewürcken?
Die Sache wird uns dadurch zum Eckel, wir verlieren die
Aufmercksamkeit, und mitten unter dem Zwange, den
wir unserm Geiste anthun, die Sache zu behalten, ermüdet
er, und alle Mühe ist umsonst. Nichts ist besser, als wenn
uns erlaubt ist, zur Quelle zu gehen, und daraus zu
schöpfen, zu welcher Zeit wir wollen. Ganz gewiß
wird es uns zweymal weniger Mühe kosten, in solchen
Stunden, wo uns die Lust antreibet, alles das unsrer
Seele eigen zu machen, was ihr beständig gegen-
wärtig seyn soll. Wie ist dieses, in Absicht auf den
Inhalt der mitgetheilten Hefte möglich, wenn alles
Abschreiben und Extrahieren verbethen wird?

2), Nicht das Gleichniß eines Bösewichts, dessen Name|<4>
in dem Orden nie genannt werden sollte, sondern
der unbedingte Gehorsam, den man von uns in dem
Orden fodert bewürcket in meinen Augen eine Aehn-
lichkeit zwischen der Verfassung des Soldaten-Standes
und der des Ordens. Vom gemeinen Soldaten bis
zum Obristen hat jeder seine Vorschriften von dem was
ihm oblieget. Er kan sich jede Stunde von seinen
Pflichten unterrichten, und sich selbst überzeugen,
ob, und wie er solche erfüllet hat oder nicht. Wie kan
bey dem Er. O. den Mitgliedern gleiche Gelegenheit,
von ihren Pflichten sich unterrichten zu können,
entzogen werden, wenn von ihnen doch unbedingter
Gehorsam, wie bey den Soldaten, erfodert wird? Nichts
bessers scheidet, als der Buchstabe der Instruktion.
Jeder kan sich da den Richter selbst machen, und Ent-
scheidung ist vorhanden, ehe die Sache noch entschieden
ward.|<5>

3). Wie wichtig und von welchem Umfang ist der Eyd, den
ich nach den mitgetheilten Heften, bey dem Eintritt in dem
Orden ablegen soll! Man tadle die langsamen Schritte
der Justiz immerhin wie man wolle. Ich finde in den
meisten Formalitäten des Processes weise Bedächtigkeit.
Besonders ist es mir wichtig, daß jedem, der einen Eyd ab-
legen soll solcher vorher schriftlich zugefertiget wird, da-
mit er im Stande seyn könne, sich genau zu prüfen, ob
er den abzulegenden Eyd leisten könne oder nicht. In kei-
nem Processe, in keiner Untersuchung kan je einem
Menschen ein solcher Eyd vorgelegtet werden, als der ist,
den ich abzulegen habe. Dort wird nur über die Wahrheit
oder Unwarhrheit einer Sache, einer Handlung geschworen,
hier soll ich mich zu gewissen Dingen, die noch zukünftig
sind eydlich verpflichten. Kan ein Gedancke natürlicher
seyn, als wenn ich unter dieser Rücksicht es billig finde,
daß der abzulegende Eyd abschriftlich mitgetheilet
werde?|<6>

4). In meinem letzten Reprochen-Zettel[4] bin ich selbst
auf die Instruktion meines Grades verwiesen worden,
die ich doch nicht habe. Scheint diese Verweisung nicht
vorauszusezen, daß mir die Instruktion mitgetheilet
worden und ich im Stande sey, aus solcher mich zu
zu[!] unterrichten? Ich würde nicht nöthig gehabt
haben, mich in dem Q.L. zweymal darber zu äußern,
daß ich nicht wiße, wie der Herr Recipient sich zu be-
tragen habe, wenn ich den Inhalt der Instruktion ge-
wußt hätte, und so dürfte ich vielleicht mancher
vergeblicher Mühe in Zukunft mich unterziehen, wenn
ich mich in Absicht auf den Inhalt der mitgetheilten
Hefte blos auf mein Gedächtniß verlaßen soll-

5). Der Verfaßer der Geschichte der Verfolgungen der
Illuminaten in Bayern[5] hat kein Bedenken gefunden,
der Welt den ganzen dritten Grad vorzulegen. Wie
kan es bedenklich seyn, einzelnen Gliedern, die, sich durch|<7>
das gegebene Wort so gut als durch den Eyd verbunden
zu seyn glauben, die Vorschriften eines geringeren
Grades in die Hände zu geben? Es könnte dieses leicht
als eine Art von Zurücksezung angesehen werden,
die ein geprüftes Mitglied, in Vergleichung dessen
was man der ganzen Welt nicht verheelet hat, sich nicht
vermuthen sollte!

Soviel über die Aeußerung des Herrn Recipienten bey
Mittheilung der Hefte! Buttstädt d. 28sten Ader 1156

e Fabiis

Notes

  1. November im Illuminatenkalender.
  2. Friedrich Christian Rudorf Item:Q969.
  3. aus dem weiteren Verlauf dieses Quibus Licet wird ersichtlich, dass Lauhn Johann Adam Weishaupts Vollständige Geschichte der Verfolgung der Illuminaten in Bayern (Frankfurt am Main/ Leipzig [i.e. Nürnberg]: Grattenauerische Buchhandlung, 1786) Item:Q12096 liest.
  4. Der Bezug gilt dem Reprochen-Zettel "für Picentia, auf October" Item:Q6349, Transkript
  5. Fußnote