D-Q6774

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Commentary

Binnendatierung Seite 1 (ein Tag nach Stiftungsfest) und Seite 7, drei Jahre nach Eintritt, ein Jahr nach Frankfurt-Aufenthalt, mithin 31. 1. 1785.

Transcript

Verehrtungswürdige Brüder!

Auf den ausdrücklichen Wunsh unseres hochw[ürdigen] Großmeisters vertrete ich jetzt die Stelle unsers
durch Amtsgeschäfte verhindertem sehr ehrwürdigen Bruder Redners. Wie dürfte ich es sonst wagen, vor
einer Versammlung so vieler älterer und erfahrener Brüder zu reden, und dazu an einem Fest, das uns
allen so heilig und wichtig ist? Wir feyern heute den gestrigen Tag, der unsern durchlauchtigstem Bruders wehr-
tes Leben und uns ihn in ihm einem Beschützer gab, der es nicht unter seiner Würde findet, weine wohltätigen
Hände auch unserer Brüderkette einzuflechten, und wir feyern ihn als freye Maurer. Sollte ich
nun nicht fürchten, den Glanz dieses Festes durch Proben von meiner Unerfahrenheit in unserer königlichen
Kunst zu beflecken? — doch ich gehorsame aus Pflicht meine Brüder — dies muß mich
entschuldigen, und mir Ihre gütige Nachsicht verschaffen.

Allein, werder ich auch etwas sagen können, daß der Feyer dieses Tages und der Aufmerksam-
keit einer so ansehnlichen Versammlung nicht ganz unwürdig sey?

Da mich die Wissenschaft verläßt, sp lassen Sie mich die Phantasie zu Hülfe nehmen. Diese
Täuschen muß so ,anche Lücke dieses [***]sequenten Jahrhunderts zustopfem, so manches Herz [?]
ausfüllen, das die Be[***] des gesellschaftlichen Alltags-Lebens peiniget [?], warum sollten ihre Träume
nicht auch mal im Wunder [?] des Be[***] vor dem Menschen Nachsicht finden, der im Stande ist, sie
nach dem Richtscheid der Vernunft zu prüfen und [***] falschen abzusondern? Ich hoffe es,
von Ihnen gütigst, meine durchlauchtigsten Brüder und versuche also Ihnen

Ein Bild der freyen Maurerey|<2>

zur Beurtheilung vorzumahlen, so wie ich mir es entwarf, ehe ich noch in unsern heiligen Brüderbund
aufgenommen, und das Licht zu sehen gewürdigt wurde.

Die Vorsehung hatte mich vom Jünglingsalter an in solche Verhältnisse gesetzt, daß ich Menschen
aller Stände und Alter beobachten konnte. Ich fand aber unter vielen Menschengestalten immer nur
wenige Menschen. In den meisten war die Menschheit durch Sorgen für die Notdurft und Eitelkeit
verkümmert worden; bey andern war sie im Übermaß des Genusses erstickt, oder in unver-
nünftigen Wünschen verdunstet; von der feinen Welt horte ich sie persifliren; am Staatsruder
[***] die egoistische Finanz und berechnete den Werth derselben nach Procenten; der Schwung den
die Gesellschaft im ganzen genommen hatte, war Nacheiferung des Luxus. Doch bemerkte ich unter
den größten Haufen, der mit dem Strohme fortschwamm, bald mehrere einzelne Männer von
Einsicht und Kraft, die ihm entgegen strebten, und sich über ihre ent[***] und ver-
leiteten Zeitgenossen, wie Riesen über Zwerge erhoben aber von diesen waren die meisten
unglücklich.

Gesetzt nun diese

[...]

Mit diesem Bilde, meine verehrungswürdigen Brüder, nur daß es damals
ein weit lebhafteres Colorit hatte, betrat ich vor 3 Jahren die heilige Schwelle,|<8>
dieser sehr ehrwürdigen [Loge]

Notes