D-Q4512: Difference between revisions

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* '''Metadata:''' [[Item:Q4512]]
* '''Metadata:''' [[Item:Q4512]]
* '''Transcript and Commentary:''' [[User:Christian Wirkner|Christian Wirkner]] ([[User talk:Christian Wirkner|talk]]), 13 July 2019
* '''Transcript''' [[User:Hermann Schüttler|Hermann Schüttler]] (2020), [[User:Christian Wirkner|Christian Wirkner]] ([[User talk:Christian Wirkner|talk]]), 13-15 July 2019
 
* '''Commentary''' [[User:Isabel Heide|Isabel Heide]] ([[User talk:Isabel Heide|talk]]) 14:54, 10 November 2020 (CET)
* '''Technical realisation:''' [[User:Isabel Heide|Isabel Heide]] ([[User talk:Isabel Heide|talk]]) 12:05, 12 October 2020 (CEST)
== Commentary ==
== Commentary ==
 
<poem>
Wehmeyer berichtet von seiner Jugend, seinen vielen Arbeitsstellen als Gärtner und Arbeitgebern sowie seinen diversen Umzügen in Deutschland und Holland.
Zuletzt erwähnt er auch die Schicksale seines Bruders, seiner ersten Ehefrau und die Heirat der zweiten Ehefrau sowie seine eigene Krankheit.
</poem>


== Transcript ==
== Transcript ==
<poem>
<poem>
Ich bin allhier den 23.<sup><u>ten</u></sup>. Martii 1729. gebohren, mein Vatter der
Ich bin allhier den 23.<sup>ten</sup> Martii 1729 gebohren, mein Vatter der  
auch ein Gärtner war, hat alles angewandt, mich so zu bilden, daß ich
auch ein Gärtner war, hat alles angewandt, mich so zu bilden, daß ich  
die nöthigsten Kenntniße des Christenthums, bald erlangen solte, daher
die nöthigsten Kenntniße des Christenthums, bald erlangen sollte, daher  
auch sehr früh zur Schule angehalten worden, und von dem damahligen
auch sehr früh zur Schule angehalten worden, und von den damahligen  
Lehrer vor fähig erklärt, mich den Wisenschaften zu widmen, dazu
Lehren vor fähig erklärt, mich den Wisenschaften zu widmen, dazu  
mein Vatter freylich kein Vermögen besaß; doch hatte an den da-
mein Vatter freylich kein vermögen besaß; doch hatte an den da-
mahligen General Supridenten Hr. Hün<ref>[[Category:Fußnote setzen]]</ref> eine mächtige Stüze, der
mahligen Generall Superi[nten]denten H. Hun<ref>Johann Benjamin Huhn (1681–1744) [[Item:Q42153]], Generalsuperintendent und Oberkonsistorialrat in Gotha.</ref> eine mächtige Stüze, der  
mir nicht allein versprach, mich auf Schulen zu unterhalten; sondern
mir nicht allein versprach, mich auf Schulen zu unterhalten; sondern  
auch Stipendia zu verschafen, die mich auf Universitaeten vor den
auch Stipendia zu verschafen, die mich auf Universitæten von dem
Mangel schüzen solten, nahm mich auch so gar zu sich in sein Haus, und wolte
Mangel schüzen sollten, nahm mich auch so gar zu sich in sein Haus, und wolte  
die Frage meiner Erziehung ganz über sich nehmen; Allein, daß ganze nahm
die sorge meiner Erziehung ganz über sich nehmen; Allein, daß ganze nahm  
eine ganz andere Wendung, weil mein Vatter unter die Herrnhuter gerieht,
eine ganz andere Wendung, weil mein Vatter unter die Herrnhuter gerieht,
und mir mithin seiner neuangenommenen Meinung nach, eine ganz andere
und mir mithin seiner neu angenomenen Meinung nach, eine ganz andere
Erziehung geben wolte, er hatte auch wohl starke Gründe dazu, weil er meine
Erziehung geben wolte, er hatte wohl auch starcke Gründe dazu, weil er meine
Hize, und sehr leicht beleidigend Tempramet wohl kante, und glaibte, daß
Hize, und sehr leicht beleidigend Temprament wohl kante, und glaubte, daß
so bald ich Gelegenheit dazu hätte, gewiß im Duelle unglücklich <strike>zu</strike> werden würd, daher
so bald ich Gelegenheit dazu hätte, gewiß im Duell unglücklich werden würde, daher
wurde beschloßen, daß ich von allen abgezogen werden solte, um ein
wurde beschloßen, daß ich von allen abgezogen werden solte, um ein
ganzer Herrnhuter zu werden, dieses war recht Vätterlich gut gemeynet,
ganzer Herrnhuter zu werden, dieses war recht Vätterlich gut gemeynet,
aber gar nicht nach meinen Geschmack, meine sache war nichts weniger
aber gar nicht nach meinen Geschmack, meine sache war nichts weniger
als Kopfhengen. Doch ich muste gehorsam[***], und ich that auch alles nach
als Kopfhengen. Doch ich muste gehorsamen, und ich that auch alles nach
des Vatters willen sehr gerne, so bald ich nur nicht mit gewalt zu einer Sache
des Vatters willen sehr gerne, so bald ich nur nicht mit gewalt zu einer Sache
gezwungen wurde, denn Gewalt, hätte mir damahls wohl daß leben rauben
gezwungen wurde, denn Gewalt, hätte mir damahls wohl daß leben rauben
können, aber mich nicht zum nachgeben bewogen, welche Erfahrung mein Vatter
könen, aber mich nicht zum nachgeben bewogen, welche Erfahrung mein Vatter
schon gemacht hatte. ich wurde also von den General Supridenten und
schon gemacht hatte. Ich wurde also von den GeneralSuperi[nten]denten und  
auch aus der Schule ganz weg genommen, noch ehe die erforderlichen Jahre hatte,
auch aus der Schule ganz weg genomen, noch ehe die erforderlichen Jahre hatte,  
muste das ertse mahl mit zum Abendmahl gehen, ob sich gleich mein Vatter
muste das erste mahl mit zum Abendmahl gehen, ob sich gleich mein Vatter  
dadurch mächtige Feinde zuzog, die wieder dieses verfahren äußerst aufgebracht|<2>
dadurch mächtige feinde zuzog, die wieder dieses verfahren äuserst aufgebracht |  
der damahlige OberhofPrediger Brückner, <ref>Johann Georg Brückner (1701–1771) [[Item:Q42397]], 1735 Hofprediger, 1745 Oberhofprediger und Oberkonsistorialrat in Gotha.</ref> der damahls auch ein anhänger
der Herrnhuter war, unterstüzte ihn, daß er alles durch sezen konnte, doch hatte
der damahlige Hof Diaconus H. Müller noch einen versuch gemacht, mich wenig-
stens von dem Abendmahl zurück weisen zu könen, und zwar bey der Confirmation
hatte er mich fast eine Stunde ganz allein gefragt, ich bestund aber wieder
alles vermuthen, und er konnte nichts machen; So gar hatte der hochselige
Herzog gefragt, warum mann mich so lange fragte, da Ihm denn der ganze
vorgang erzählet wird, welcher auch die Gnade hatte, meinen Vatter wißen
zu laßen, daß wenn ich etwa zur Gärtnerey oder sonst einer Profession
lust hätte Er vor mich sorgen wolte; Aber alles dieses paßte nicht in
meines Vatters Plan, er wollte mich so einschränken, daß ich keine andre Gelegen-
heit haben, als ein Herrnhuter zu werden; doch wurde ihm sein vorhaben einig-
er maßen vereitelt, da ich sahe daß keine Hofnung übrig war, etwas zu er-
lernen, wo ich in Zukunft meinen unterhalt hätte, so dachte freylich auf alle
nur mögliche Mittel mir einen Weg dazu zu bahnen, ich erhielt von einem unserer
Tagelöhner kenntniß, daß mann in Holland fort komen und sein Brod verdienen
köne, ohne just eine Profession zünftig erlernt zu haben, dieses schien
mir der beste Weg zu seyn, aus meiner verdrießlichen lage zu komen; Es war
daher der feste Vorsaz von mir gewesen, je eher, je lieber mein Vorhaben
auszuführen, und mich auf gut Glück dahin zu begeben; nur die Einwilligung
meiner Eltern war der schwerste Knoten, um solchen aufzulösen, es war aber
endlich doch möglich, und mein Vatter willigte endlich darin, durch Zuredung einiger
Freunde, daß er glaubte, ich würde nicht weit komen, so würde  meine Gesinnung
schon ändern; ich ging also im 13 Jahr aus meines Vatters Hauße nach Holland.


waren, der damahlige Oberhof Prediger Brückner<ref>[[Category:Fußnote setzen]]</ref>, der damahls auch ein anhänger
In Frankfurth begegnete mir von ohngefähr ein bekannter Mensch, den ich
der herrenhuter war, unterstüzte ihn, daß er alles durch sezen konte, doch hatte
nachher in den Camerdiener des Grafen von Promniz von Sorau<ref>Johann Erdmann von Promnitz (1719-1785) [[Item:Q183905]]</ref> erkannte, der
der damahlige Hof Diaconus Müller noch einen versuch gemacht, mich wenig-
mich nach einigen fragen die er an mich that, mit in sein Logis nahm |
stens von den Abendmahl zurükweisen zu können, und zwar bey der Confirmation
weil er mich bey dem Synodo den der Graf Zinzendorf<ref>Nikolaus Ludwig von Zinzendorf [[Item:Q401647]]; die Synode fand in Gotha 1740 statt. [https://de.wikibooks.org/wiki/Der_Dresdner_Missions-Hilfsverein online Information]</ref> in den Gast Hauße zum
hatt er mich fast eine Stunde ganz allein gefragt, ich bestand aber wieder
Mohren hier gehalten, hatte kennen gelernt, bey dem muste nun einige Tage verharren
alles vermuthen, und er konte nichts machen; So gar hatte der Hochselige
unter dem Vorwande daß mich der Graf sprechen wolte, da mir aber die zeit zu
Herzog<ref>[[Category:Fußnote setzen]]</ref> gefragt, warum mann mich so lange fragte, da Ihm denn der ganze
lange wurde, so gab ich ihm zu verstehen, daß er mich nicht aufhalten solte, ich
vorgang erzählt wird, welcher auch die Gnade hatte, meinen Vatter wißen
wolte gerne weiter, und als denn ließ mich der Graf vor sich, und wendete
zu laßen, daß wenn ich etwa <u>Lust</u> zur Gärtnerey oder sonst einer Profession
alles an, mich von meinem Vorhaben abzubringen, wolte mich mit sich nehmen,
Lust hätte Er vor mich sorgen wolte; Aber alles dieses paßte nicht in
und mir die Gärtnerey in Sorau lernen laßen, aber ich hatte nun einmahl
meines Vatters Plan, er wolte mich so einschränken, daß ich keine andre Gelegen-
einen Wiederwillen gegen alles was nur in verbindung mit den Mährischen
heit haben, als ein Herrenhuter zu werden; doch wurde ihm sein vorhaben einig-
brüdern stund, ich schlug alles aus, und bat dagegen, wenn Er mir eine Gnade
er maßen vereitelt, da ich sahe daß keine Hofnung übrig war, etwas zu er-
erzeigen wolte, so solte Er mich nach Holland Recomendiren, welches
lernen, wo ich in Zukunft meinen unterhalt hätte, so dachte freylich auch alle
Er nicht allein that, sondern machte mich auch mit der Gefahr bekannt, in
die junge leuthe gar leicht gerathen könnten, übergab mich also einem Manne
welcher dahin reißte, und bezahlt auch von da aus  die Zehrungskosten
an diesen Mann, welche[r] einer von der insperirten Sekte war, wovor
ich den Herrn Grafen sehr dankbahr war, weil sich mein ganzer Reichthum
nur auf wenige Rthlr. erstreckte. Ich kam nun in Holland und zwar in
Amsterdam an, überreichte einen Herrn von Beining mein Schreiben
der mir aber wenig Hofnung machte, mich zu behalten, oder vor mich zu sorgen.
 
Er fragte mich ob ich Rechnen und Schreiben könnte, ich solte doch in seiner gegen-
wart etwas schreiben, was mir eben einfiele, so sezte mich so gleich hin, und
Schrieb, Fürchte Gott, thue recht, und schone Niemand, diese entschloßenheit
und vielleicht auch schreibart, schien ihm auffallend zu seyn, aber doch sehr zuge-
fallen, und so gab er mir ein Exempel zu rechnen auf, welches mit verglichenen
Zahlen, ohne viel zu rechnen so gleich hin sezte, und war der Schluß gleich gemacht
mich auf ein Comtoir zu thun, allein ich äußerte, daß wenn so gar nichts vor mich
in der Gärtnerey  zu thun wäre, dieses daß lezte wäre, welches ergreifen
müste; Er sande mich nach einigen Tagen nach Leyden wo ich zwar bey der Gärtnerey |
angestelt wurde, doch immer dahin rüksicht genommen wurde, mich in Zukunft bey
was anders zugebrauchen, daher ich nach einiger Zeit, da ich schon ziemliche Proben
wegen meiner Treue abzulegen Gelegenheit gehabt hatte, und also daß ganze
Vertrauen meiner Herrschaft mir erworben, so hatte auch daß Glück, in
Gesellschaft des jungen Herrns verschiedenen unterricht mit zu erhalten
als Physicalische, anadomische und Geometrische colegiæ, die hernach von
einen alten SchifsCapitain welcher ehemahls ein Mediciner geweßen und
wegen verschiedenen unglücklichen Curen diese Lebensart ergrifen
hatte, repetirt wurde; Auch als dann so gar mit ihm<ref>[Fußnote Wehmeyers]: mit den jungen</ref> auf Reißen gehen
muste, ob gleich wieder meinen Willen, denn es war mir an solchen Dienen
gar nichts gelegen, meine Hauptsache war Kentniße in der Gärntnerey
zu sammlen, und als dann nach andern Welttheilen zu gehen und wenn
es mögl. wäre, nach Holländischen Besizungen als Compagnie Gärtner
zu komen, wozu mir auch die gröste Hofnung gemacht wurde; wir gingen
unter Addresse an große Häußer, die uns dann mit dem bekannt machten, wor-
um wir Reißten, von da nach England, Frankreich, durch die Schweiz in das Reich
nach Sachsen nach den Preußischen Landen durch Pohlen nach Rußland und dann
nach Hamburg und wieder nach Hauße, da nun während der Zeit, die stelle<ref>[Fußnote Wehmeyers]: die mir als Com[pagnie Gärtner] versprochen [war]</ref> wozu mein
Herr daß mehreste wegen der Vergebung zu sagen hatte, vergeben worden
und ich auch wegen verschiedener unannehmlichkeiten die ich wegen der Rechnung
des jungen Herrn wegen hatte, ob ich gleich ein justif[i]cirtes exemplar der
Rechnung in händen hatte, dennoch von dem alten SchifsCapitain revitirt
werden muste, wo es sich den fand, das ich mein erspahrtes Kostgeld mit zu
gesezt hatte wieder heraus bekam, und mann mir noch eben darin  ein ansehnliches
Douçeur anboth, welches aber nicht annahm, sondern aus diesen zwey Ur-
sachen, erstlich des vergebenen Dienstes, und zweytens des geäußerten Mistrau-
ens wegen auf der stelle beschloß, von da weg zu gehen, denn wenn mir |
nun alles wäre gegeben worden und mann hätte sich nun alle mühe gegeben
mich glücklich zu machen, so wäre mir doch meine Ruhe nicht wieder verschafft
worden, mithin waren bey mir nun alle Versprechungen vor gar nichts geachtet
und mein Vorsaz wurde nun ausgeführet. Es wurde also eine Reiße nach
Hauße projectirt, zumahl da während der Zeit meine Mutter verlohren
hatte, aber auch festgesezt nie wieder zu kommen, welches auch geschah. ich kam
also in der Wetterau an, denn mein Vatter war während der Zeit nach Marien-
born gezogen; allein ich war meinen Vatter eben nicht sehr willkomen, weil
ich die nemliche Gesinnung noch hatte, als wie ich Ihn verlaßen hatte, und da
alles Zureden nichts half, so wohl von ihm, als den Grafen von Zinzendorff
selbst, so wurde durchgehnds von den Einwohnern Marienborns gehaßt und
gemieden, welches meinen Stolz eben nicht schmeichelte, und mich gar bald von
da verscheuchte. Ich ging wieder nach Frankfurth, und wolte in
dortiger Gegend die Gärtnerey exprosesso erlernen; Allein ich fand
alda den Grafen von Gotter<ref>Gustav Adolf von Gotter [[Item:Q164500]]</ref> der von Pyrmont kam, weil ich da Landes
Leuthe zu sehen bekam, so kam mir der Gedanke ein, mit nach Thüringen
zu gehen, und wozu mich hernach der Graf auch selbst aufforderte
weil Er meinen Vatter sehr wohl kannte, ich ging mit Ihm, und da ich
Ihm zu gefallen daß Glück hatte, so wurde von seinen Leuthen gefragt
ob ich nicht in seine Dienste zu gehen Lust hätte, da ich denn äußerte, das
an Dienen keinen gefallen hätte, sondern ich wolte in dortiger Gegend
sehen, daß ich könte bey einen guten Gärtner in die Lehr komen, genug Er
sprach mich selbst, und versicherte mir, wenn ich auch bey Ihm in Diensten wäre
so wolte er selbst mit davor Sorgen daß an einen guten ort käme, und
zudem hätte Er selbst einen schönen Garten, da könnte ich nebst der Schreib-
erey die ich haben solte, auch in Garten seyn, wenn ich wolte, wir wurden
unter vielen versprechungen einig und ich nahm seine Dienste an; allein |
ich habe bey diesem Manne mangerley erfahren, Er war ein sehr aufbrausen-
der Herr, der mit seinen Leuthen alerley vorgenomen hat, diejenigen die sich
von Ihm schenken ließen, die waren in Gefahr zum Narren gemacht
zu werden, wie es an dreyen seiner Kamerdiener erlebt habe, dieses war
von mir wohl nun nicht zu befürchten, denn ich hatte Ihm gezeigt, daß
es mir an Herzhaftigkeit nicht fehlte, und so bald Er dieses wuste, so
war er der beste Mann, dem ich auch viel zu verdanken habe, wenn
Er nun jemanden von der Art hatte, dem Er zu brauchen wuste, der hatte keine  
Hofnung jemals befördert zu werden, ob er gleich Fremden
auf alle nur ersinliche Art zu helfen suchte, um sich dadurch einen Nahmen
zumachen, dieses hatte gar bald ausfindig gemacht, und beschloß daher es möchte
kosten was es wolle, mich solcher Dienste zu entledigen, und etwas zu er-
greifen, wo ich wenigstens mehr Fuß als Dienen hätte; es wurde also bey
mir festgesezt die Gärtnerey zu erlernen, ob ich gleich vielle Schwierig-
keiten zu überwinden hatte, denn erst ein Herr, und dann ein Lehrjunge in
24<sup>ten</sup> Jahre, auch die Mittel, drey Jahre ohne einkommen zuleben, und daß
Lehr geld obendrein zu bestreiten, dieses alles waren grose Berge zu über-
steigen, aber alles was mir einmahl vorgenomen hatte, daß mußte aller Hin-
terniße ohngeachtet aus geführet werden, und hier bey diesen Vorhaben
wurde mir jeder Schritt streittig gemacht. Ich kam zu einen Gärtner nach
Ichtershaußen, der mich in Molßdorf hatte kennen gelernet, und glaubte mich
gut zubrauchen; Allein sein Habsüchtiges Weib hatte eines reichen Mannes Sohn
in Vorschlag, und da sie glaubte, mehr als von mir zu ziehen, so wurden auf
alle mögliche listige Mittel gedacht, meiner wieder los zu werden, und da ich
alles vereitelte, so wäre beynahe an die Preußen verkauft worden, dieses
war freylich sehr hart für mich, ich faste also den entschluß, diesen Ort zu ver-
laßen, ob ich gleich schon ½ Jahr da zugebracht, und für mich vergeblich war, |


ich vergab diese Begegnung diesen Leuthen gar bald, und hatte in der Folge Gelegenheit
ihren Kindern zu helfen, und gutes zu thun; Von meines gleichen beleidiget zu werden,
ist vor mich nur den ersten Augenblick empfindlich, aber von Großen die mir
zu befehlen haben unschuldig beleidiget zu werden, ist bey mir unauslöschlich
ob ich gleich mit allen Kräften dagegen Arbeite, so ist doch solches bey mir nicht
loß zu werden möglich. Ich kam von da nach der Augustenburg<ref>1700 erbautes, 1765 abgerissenes Schloß in Arnstadt.</ref> zu einer
Verwitbeten Fürstin von Arnstadt, aus dem Hauße Braunschweig, diese
hatte die Gnade vor mich, und wolte mich lernen laßen, und da Sie mich erst
recht kennen lernte, sich sogar vorgenomen hatte mein ganzes Glück zu bauen, allein
diese 90 Jährige Dame hatte ihr Lebens Ziel sehr nahe vor sich, und da Sie sich fühlte,
daß Ihr ende herankam, so hatte Sie mir unwißend  300 ƒ ausgesezt, die
ich aber nach Ihrem Todte nicht erhielt, da der ganze Nachlaß an das Hauß
Braunschweig zurük fiel. Nun war aus meinen zweyten mahle lernen
wieder nichts, und es schien als ob ich diesen Plan ganz aufgeben müste, und
war schon entschloßen, wieder aufs neue nach Holland zu gehen, da der Gärtner
in Ichtershaußen sich von neuen erboth mich vollends auszulernen, hatte sich
auch hinter meines Vatters Freunde gesteckt, die solches solten helfen bewerck-
stelligen. Allein der Rechtschafene HofGärtner H. Timme<ref>Johann David Timm (1698 – nach 1764), Hofgärtner in Arnstadt. [[Item:Q183904]]</ref> in Arnstadt<ref>[Fußnote Wehmeyers]: in Arnstadt</ref> gab solches
nicht zu, sondern erboth sich auch, mir meine Lehr Jahre vollends auszuhalten, damit
ich nicht daß Zweyte mahl unglücklich seyn solte, welcher auch sein Wort redlich
gehalten, allein da die zeit meines lossprechens heran kam, verfiel in ein
Hiziges Fieber, und den Tag da ich solte freygesprochen werden, stund so gut
wie schon auf der Bahre, denn mann hatte mich schon aus dem bette gebracht
weil mann glaubte ich sey gestorben, ich ward aber wieder jedermanns Vermuthen
beßer, und in eben der Krankheit, hatte mein Lehr Herr den Oberstall-
meister Röder<ref>Heinrich Günther Reinhard von Röder [[Item:Q183907]]</ref> versprechen müßen, mich dahin zu vermögen, daß in seine
Dienste als Gärtner gehen solte, so bald ich wieder hergestellt seyn |
würde, welches mir auch bey meinen Gesundwerden hinterbracht, wozu ich nun
wenig Lust hatte, denn ich hatte mich schon nach Dreßden versprochen, auch wolte
mich der Margraf von BadenDurlach gerne haben; Aber aus gefälligkeit
gegen meinen Lehr Herrn muste endlich nachgeben, ich kam also wieder nach
Molßdorf, den[n] der Graf Gotter hatte das Guth an eben benannten Röder
unter solchen Bedingungen verkauft, daß nun mehr keiner von beyden Herr
davon war, nach Drey Jahren übernahm der Graf Gotter die Administration
des Guthes selbst wieder, und kamen mit einander in einen langwierigen Process
worunter ich auch sehr vieles leiden muste, ich kam wieder in des Grafen Dienste
und hatte wegen den unruhen des 7 Jährigen Krieges, weil er ein Preußischer
Minister war, sehr vielles auszustehen, und zumahlen weil er nicht aufs Guth
kommen konte, so hatte die Ganze Last alleine zu ertragen, da aber keine Gelder
von Berlin mehr kamen, und er die Guths Revenuen auch schon an sich gezogen
hatte, und ich zu bestreitung des Guth und G[esinde] <ref>[Fußnote Wehmeyers]: Guth und G[esinde]</ref> Aufwandes, schon vieles Geld aufgenomen
hatte, auch die Sachen wegen des Krieges mit dem Grafen ziemlich zweydeutig wurde
so muste, um aus dieser Verdrießlichen Lage zu komen, von Ihm weg gehen, auch weil
ich mich mit meiner ersten Frau versprochen hatte, wozu er seinen Consens
nicht geben wolte. Ich ging zu einen Herrn von Berlepsch<ref>Heinrich Moritz von Berlepsch [[Item:Q183908]]</ref> ins Chur-Sächsische in Dienst,
der ein Fräulein Röder Heurathete, wo ich mich auch 1758 selbst mit der ver-
sprochen Königin aus Ötingen verheyrathete, da ich nun wegen den Verdruß von
zweyerley entgegen seyenden Herrschaften nichts mehr zu befürchten
hatte, so drückte mich nun der Krieg mehr als jemahls, denn ich empfand
den unterschied nur zu sehr, in einen Lande zu seyn, wo die Landes-Herrschaft
ihre Länder verlaßen hatte, ich hatte Täglich andre Truppen zur einQuartirung, und
auch da, war alles vom Guthe gewichen, mithin hatte wieder die ganze Last auf mir.


nach 4 Jahren aber, wurde von den Hochseligen Herzog wieder nach Molßdorf
als Gärtner berufen, weil beyde Herren gestorben, und die Herrschaft, das |
Guth gekauft hatte, hier genoß zwar wegen des Krieges wieder ruhe[,]
allein, ich verfiel nach etlichen Jahren in eine 2 Jährige Krankheit, die mich
auch 1769 den 17.<sup>ten</sup> Mart. an die Schwellen des Grabes stellten; Allein
meine Seele war noch nicht zu dem Grad der Aufklärung gelangt, daß
sie in die Hand ihres Schöpfers konte wieder zurück gehen, es war mir
dazu noch Zeit vergönnt, und der Prüfungs Zeit überlaßen, ob ich gleich immer
den Wunsch bey mir hegte, recht viele Käntniße zu des Menschen grosen
Bestimmung zu erlangen, deshalb ich auch immer mich zu Männern gehalten
die ein Ernsthaftes Wesen verspühren liesen, und den Zweck vor sich zuhaben
schienen, so zu leben, um einst einmahl glücklich zu sterben, mit solchen
unterhielte mich gerne, von groben Ausschweifungen, bin den Höchsten
sey es gedankt, bewahrt geblieben, wozu die guten Lehren meines Vatters
in meiner Jugend doch viel beygetragen haben, sie hielten mich, wenn ich
auch der Versuchung eines Lasters sehr nahe stand, immer zurük, und mein
immerwährenden Maaßstab, so zu leben daß auf dem Todtenbette, mir
deshalb keine Vorwürfe machen dürfte, hat daß mehreste zu meiner Beruh-
igung beygetragen, ob gleich auch einen gewißen stolz bey mir hervor ge-
bracht, der ein gutes bewustseyn, nur zum Grunde haben kann. Mein
Aufenthalt in Molßdorf war dieses mahl etwas über Zehen Jahre, und
es ist die glücklichste Periode meines Lebens in Ansehung meiner Dienste
geweßen, von dem G[e]räusch der Erden entfernt, und doch durch die viellen Fremden
die den Ort besuchten, immer Leuthe gefunden, mit denen ich mich auf eine be-
friedigende Arth unterhalten konte, lebte sehr zufrieden, wozu mir auch mein
Medier welches ich sehr liebe, vielles beytrug. Ich wurde nach dieser Zeit, von den
jezt Regirenden Herzog hier her zu seinen neu Angelegten Englischen Garten berufen
und nun habe in diesen verfloßenen 11 Jahren vielle Erfahrungen gehabt, denn |
1774 verlohr meinen noch einzigen Bruder an einer auszehrenden Krank-
heit, welchen be[i]nahe ½ Jahr im Hauße bey mir in seiner Krankheit hatte, also war
mir der noch einzige Verwandte, den ich hatte auf meine Kosten die Gärt-
nerey lernen laßen, auch während seinen Aufenthalt in Fremden
Landen viel an ihn gewandt, entrißen[,] auch da ich keine Kinder in der ersten Ehe
hatte, lies auch ein Armes Kind die Jägerey lernen, denn es war mir das
gröste Vergnügen jemanden unterstüzen zu könen, weil ich von den wenigen
auch nicht einen heller dazu erhalten, mithin wohl wuste, wie einen in solchen
Umständen zu muthe war. 1775 trat hier in den Maurer Orden, da ich
erst sattsam überzeigt worden war, daß es sich anjezo damit anders verhalte
als zu den Zeiten des Grafen von Gotters, da 1745 in Molßdorf eine Reception
von einen Fürsten von Meiningen und einen Prinzen von hier war, wo ich
aber nicht die beste Ideé von den damahls anweßenden Mittgliedern faßen
konte; genug des ordens[,] seine guten Lehren haben mir sehr vielen Nuzen geschafft, wenn
ich gleich nicht daß allgemein ausübende darinen antrefe, so ist mein Gang den
ich daher zu machen mich entschloßen, im[m]er sehr gut, und weißt mich an, über
mich zu wachen, und über mich zu arbeiten, wodurch ich nach und nach zu einer
festen Zufriedenheit zu gelangen hofe, die gewiß nichts stöhren soll, denn alles
glänzende der Erde blendet mich nicht. 1776 verlohr meine erste Frau durch den
Todt, wo ich hernach ganz stille gelebt, und da ich durch eine gewiße Kränklichkeit mich
zum zweyten mahl entschließen muste zu Heyrathen, weil gar niemand sich
meiner an nahm, und wozu ich die Tochter des Hauptmann Weizs in Ohrdruf
wählte, mit der auch sehr vergnügt lebe, und welche mir auch zwey sehr liebe Kinder
gegeben hat. Der Vorsehung sey unendlicher Dank für den weg den sie mich zuführen beschloßen sie hatte zu meinem Heyl
vielles beygetragen, was mir immer unbegreiflich war, und auch wohl nie hier begreiflich
werden wird, daher ich anbetend dieselbe Preiße, und im[m]er eingedenk daß ich
Staub und asche bin, mich nie von meinen Ziel entfernen werde.  Gotha.den 24.<sup>ten</sup> July.


Christian Heinrich
Wemeyer.
</poem>
</poem>


== Notes ==
== Notes ==
<references/>
<references/>

Latest revision as of 10:26, 20 August 2023

Commentary

Wehmeyer berichtet von seiner Jugend, seinen vielen Arbeitsstellen als Gärtner und Arbeitgebern sowie seinen diversen Umzügen in Deutschland und Holland.
Zuletzt erwähnt er auch die Schicksale seines Bruders, seiner ersten Ehefrau und die Heirat der zweiten Ehefrau sowie seine eigene Krankheit.

Transcript

Ich bin allhier den 23.ten Martii 1729 gebohren, mein Vatter der
auch ein Gärtner war, hat alles angewandt, mich so zu bilden, daß ich
die nöthigsten Kenntniße des Christenthums, bald erlangen sollte, daher
auch sehr früh zur Schule angehalten worden, und von den damahligen
Lehren vor fähig erklärt, mich den Wisenschaften zu widmen, dazu
mein Vatter freylich kein vermögen besaß; doch hatte an den da-
mahligen Generall Superi[nten]denten H. Hun[1] eine mächtige Stüze, der
mir nicht allein versprach, mich auf Schulen zu unterhalten; sondern
auch Stipendia zu verschafen, die mich auf Universitæten von dem
Mangel schüzen sollten, nahm mich auch so gar zu sich in sein Haus, und wolte
die sorge meiner Erziehung ganz über sich nehmen; Allein, daß ganze nahm
eine ganz andere Wendung, weil mein Vatter unter die Herrnhuter gerieht,
und mir mithin seiner neu angenomenen Meinung nach, eine ganz andere
Erziehung geben wolte, er hatte wohl auch starcke Gründe dazu, weil er meine
Hize, und sehr leicht beleidigend Temprament wohl kante, und glaubte, daß
so bald ich Gelegenheit dazu hätte, gewiß im Duell unglücklich werden würde, daher
wurde beschloßen, daß ich von allen abgezogen werden solte, um ein
ganzer Herrnhuter zu werden, dieses war recht Vätterlich gut gemeynet,
aber gar nicht nach meinen Geschmack, meine sache war nichts weniger
als Kopfhengen. Doch ich muste gehorsamen, und ich that auch alles nach
des Vatters willen sehr gerne, so bald ich nur nicht mit gewalt zu einer Sache
gezwungen wurde, denn Gewalt, hätte mir damahls wohl daß leben rauben
könen, aber mich nicht zum nachgeben bewogen, welche Erfahrung mein Vatter
schon gemacht hatte. Ich wurde also von den GeneralSuperi[nten]denten und
auch aus der Schule ganz weg genomen, noch ehe die erforderlichen Jahre hatte,
muste das erste mahl mit zum Abendmahl gehen, ob sich gleich mein Vatter
dadurch mächtige feinde zuzog, die wieder dieses verfahren äuserst aufgebracht |
der damahlige OberhofPrediger Brückner, [2] der damahls auch ein anhänger
der Herrnhuter war, unterstüzte ihn, daß er alles durch sezen konnte, doch hatte
der damahlige Hof Diaconus H. Müller noch einen versuch gemacht, mich wenig-
stens von dem Abendmahl zurück weisen zu könen, und zwar bey der Confirmation
hatte er mich fast eine Stunde ganz allein gefragt, ich bestund aber wieder
alles vermuthen, und er konnte nichts machen; So gar hatte der hochselige
Herzog gefragt, warum mann mich so lange fragte, da Ihm denn der ganze
vorgang erzählet wird, welcher auch die Gnade hatte, meinen Vatter wißen
zu laßen, daß wenn ich etwa zur Gärtnerey oder sonst einer Profession
lust hätte Er vor mich sorgen wolte; Aber alles dieses paßte nicht in
meines Vatters Plan, er wollte mich so einschränken, daß ich keine andre Gelegen-
heit haben, als ein Herrnhuter zu werden; doch wurde ihm sein vorhaben einig-
er maßen vereitelt, da ich sahe daß keine Hofnung übrig war, etwas zu er-
lernen, wo ich in Zukunft meinen unterhalt hätte, so dachte freylich auf alle
nur mögliche Mittel mir einen Weg dazu zu bahnen, ich erhielt von einem unserer
Tagelöhner kenntniß, daß mann in Holland fort komen und sein Brod verdienen
köne, ohne just eine Profession zünftig erlernt zu haben, dieses schien
mir der beste Weg zu seyn, aus meiner verdrießlichen lage zu komen; Es war
daher der feste Vorsaz von mir gewesen, je eher, je lieber mein Vorhaben
auszuführen, und mich auf gut Glück dahin zu begeben; nur die Einwilligung
meiner Eltern war der schwerste Knoten, um solchen aufzulösen, es war aber
endlich doch möglich, und mein Vatter willigte endlich darin, durch Zuredung einiger
Freunde, daß er glaubte, ich würde nicht weit komen, so würde meine Gesinnung
schon ändern; ich ging also im 13 Jahr aus meines Vatters Hauße nach Holland.

In Frankfurth begegnete mir von ohngefähr ein bekannter Mensch, den ich
nachher in den Camerdiener des Grafen von Promniz von Sorau[3] erkannte, der
mich nach einigen fragen die er an mich that, mit in sein Logis nahm |
weil er mich bey dem Synodo den der Graf Zinzendorf[4] in den Gast Hauße zum
Mohren hier gehalten, hatte kennen gelernt, bey dem muste nun einige Tage verharren
unter dem Vorwande daß mich der Graf sprechen wolte, da mir aber die zeit zu
lange wurde, so gab ich ihm zu verstehen, daß er mich nicht aufhalten solte, ich
wolte gerne weiter, und als denn ließ mich der Graf vor sich, und wendete
alles an, mich von meinem Vorhaben abzubringen, wolte mich mit sich nehmen,
und mir die Gärtnerey in Sorau lernen laßen, aber ich hatte nun einmahl
einen Wiederwillen gegen alles was nur in verbindung mit den Mährischen
brüdern stund, ich schlug alles aus, und bat dagegen, wenn Er mir eine Gnade
erzeigen wolte, so solte Er mich nach Holland Recomendiren, welches
Er nicht allein that, sondern machte mich auch mit der Gefahr bekannt, in
die junge leuthe gar leicht gerathen könnten, übergab mich also einem Manne
welcher dahin reißte, und bezahlt auch von da aus die Zehrungskosten
an diesen Mann, welche[r] einer von der insperirten Sekte war, wovor
ich den Herrn Grafen sehr dankbahr war, weil sich mein ganzer Reichthum
nur auf wenige Rthlr. erstreckte. Ich kam nun in Holland und zwar in
Amsterdam an, überreichte einen Herrn von Beining mein Schreiben
der mir aber wenig Hofnung machte, mich zu behalten, oder vor mich zu sorgen.

Er fragte mich ob ich Rechnen und Schreiben könnte, ich solte doch in seiner gegen-
wart etwas schreiben, was mir eben einfiele, so sezte mich so gleich hin, und
Schrieb, Fürchte Gott, thue recht, und schone Niemand, diese entschloßenheit
und vielleicht auch schreibart, schien ihm auffallend zu seyn, aber doch sehr zuge-
fallen, und so gab er mir ein Exempel zu rechnen auf, welches mit verglichenen
Zahlen, ohne viel zu rechnen so gleich hin sezte, und war der Schluß gleich gemacht
mich auf ein Comtoir zu thun, allein ich äußerte, daß wenn so gar nichts vor mich
in der Gärtnerey zu thun wäre, dieses daß lezte wäre, welches ergreifen
müste; Er sande mich nach einigen Tagen nach Leyden wo ich zwar bey der Gärtnerey |
angestelt wurde, doch immer dahin rüksicht genommen wurde, mich in Zukunft bey
was anders zugebrauchen, daher ich nach einiger Zeit, da ich schon ziemliche Proben
wegen meiner Treue abzulegen Gelegenheit gehabt hatte, und also daß ganze
Vertrauen meiner Herrschaft mir erworben, so hatte auch daß Glück, in
Gesellschaft des jungen Herrns verschiedenen unterricht mit zu erhalten
als Physicalische, anadomische und Geometrische colegiæ, die hernach von
einen alten SchifsCapitain welcher ehemahls ein Mediciner geweßen und
wegen verschiedenen unglücklichen Curen diese Lebensart ergrifen
hatte, repetirt wurde; Auch als dann so gar mit ihm[5] auf Reißen gehen
muste, ob gleich wieder meinen Willen, denn es war mir an solchen Dienen
gar nichts gelegen, meine Hauptsache war Kentniße in der Gärntnerey
zu sammlen, und als dann nach andern Welttheilen zu gehen und wenn
es mögl. wäre, nach Holländischen Besizungen als Compagnie Gärtner
zu komen, wozu mir auch die gröste Hofnung gemacht wurde; wir gingen
unter Addresse an große Häußer, die uns dann mit dem bekannt machten, wor-
um wir Reißten, von da nach England, Frankreich, durch die Schweiz in das Reich
nach Sachsen nach den Preußischen Landen durch Pohlen nach Rußland und dann
nach Hamburg und wieder nach Hauße, da nun während der Zeit, die stelle[6] wozu mein
Herr daß mehreste wegen der Vergebung zu sagen hatte, vergeben worden
und ich auch wegen verschiedener unannehmlichkeiten die ich wegen der Rechnung
des jungen Herrn wegen hatte, ob ich gleich ein justif[i]cirtes exemplar der
Rechnung in händen hatte, dennoch von dem alten SchifsCapitain revitirt
werden muste, wo es sich den fand, das ich mein erspahrtes Kostgeld mit zu
gesezt hatte wieder heraus bekam, und mann mir noch eben darin ein ansehnliches
Douçeur anboth, welches aber nicht annahm, sondern aus diesen zwey Ur-
sachen, erstlich des vergebenen Dienstes, und zweytens des geäußerten Mistrau-
ens wegen auf der stelle beschloß, von da weg zu gehen, denn wenn mir |
nun alles wäre gegeben worden und mann hätte sich nun alle mühe gegeben
mich glücklich zu machen, so wäre mir doch meine Ruhe nicht wieder verschafft
worden, mithin waren bey mir nun alle Versprechungen vor gar nichts geachtet
und mein Vorsaz wurde nun ausgeführet. Es wurde also eine Reiße nach
Hauße projectirt, zumahl da während der Zeit meine Mutter verlohren
hatte, aber auch festgesezt nie wieder zu kommen, welches auch geschah. ich kam
also in der Wetterau an, denn mein Vatter war während der Zeit nach Marien-
born gezogen; allein ich war meinen Vatter eben nicht sehr willkomen, weil
ich die nemliche Gesinnung noch hatte, als wie ich Ihn verlaßen hatte, und da
alles Zureden nichts half, so wohl von ihm, als den Grafen von Zinzendorff
selbst, so wurde durchgehnds von den Einwohnern Marienborns gehaßt und
gemieden, welches meinen Stolz eben nicht schmeichelte, und mich gar bald von
da verscheuchte. Ich ging wieder nach Frankfurth, und wolte in
dortiger Gegend die Gärtnerey exprosesso erlernen; Allein ich fand
alda den Grafen von Gotter[7] der von Pyrmont kam, weil ich da Landes
Leuthe zu sehen bekam, so kam mir der Gedanke ein, mit nach Thüringen
zu gehen, und wozu mich hernach der Graf auch selbst aufforderte
weil Er meinen Vatter sehr wohl kannte, ich ging mit Ihm, und da ich
Ihm zu gefallen daß Glück hatte, so wurde von seinen Leuthen gefragt
ob ich nicht in seine Dienste zu gehen Lust hätte, da ich denn äußerte, das
an Dienen keinen gefallen hätte, sondern ich wolte in dortiger Gegend
sehen, daß ich könte bey einen guten Gärtner in die Lehr komen, genug Er
sprach mich selbst, und versicherte mir, wenn ich auch bey Ihm in Diensten wäre
so wolte er selbst mit davor Sorgen daß an einen guten ort käme, und
zudem hätte Er selbst einen schönen Garten, da könnte ich nebst der Schreib-
erey die ich haben solte, auch in Garten seyn, wenn ich wolte, wir wurden
unter vielen versprechungen einig und ich nahm seine Dienste an; allein |
ich habe bey diesem Manne mangerley erfahren, Er war ein sehr aufbrausen-
der Herr, der mit seinen Leuthen alerley vorgenomen hat, diejenigen die sich
von Ihm schenken ließen, die waren in Gefahr zum Narren gemacht
zu werden, wie es an dreyen seiner Kamerdiener erlebt habe, dieses war
von mir wohl nun nicht zu befürchten, denn ich hatte Ihm gezeigt, daß
es mir an Herzhaftigkeit nicht fehlte, und so bald Er dieses wuste, so
war er der beste Mann, dem ich auch viel zu verdanken habe, wenn
Er nun jemanden von der Art hatte, dem Er zu brauchen wuste, der hatte keine
Hofnung jemals befördert zu werden, ob er gleich Fremden
auf alle nur ersinliche Art zu helfen suchte, um sich dadurch einen Nahmen
zumachen, dieses hatte gar bald ausfindig gemacht, und beschloß daher es möchte
kosten was es wolle, mich solcher Dienste zu entledigen, und etwas zu er-
greifen, wo ich wenigstens mehr Fuß als Dienen hätte; es wurde also bey
mir festgesezt die Gärtnerey zu erlernen, ob ich gleich vielle Schwierig-
keiten zu überwinden hatte, denn erst ein Herr, und dann ein Lehrjunge in
24ten Jahre, auch die Mittel, drey Jahre ohne einkommen zuleben, und daß
Lehr geld obendrein zu bestreiten, dieses alles waren grose Berge zu über-
steigen, aber alles was mir einmahl vorgenomen hatte, daß mußte aller Hin-
terniße ohngeachtet aus geführet werden, und hier bey diesen Vorhaben
wurde mir jeder Schritt streittig gemacht. Ich kam zu einen Gärtner nach
Ichtershaußen, der mich in Molßdorf hatte kennen gelernet, und glaubte mich
gut zubrauchen; Allein sein Habsüchtiges Weib hatte eines reichen Mannes Sohn
in Vorschlag, und da sie glaubte, mehr als von mir zu ziehen, so wurden auf
alle mögliche listige Mittel gedacht, meiner wieder los zu werden, und da ich
alles vereitelte, so wäre beynahe an die Preußen verkauft worden, dieses
war freylich sehr hart für mich, ich faste also den entschluß, diesen Ort zu ver-
laßen, ob ich gleich schon ½ Jahr da zugebracht, und für mich vergeblich war, |

ich vergab diese Begegnung diesen Leuthen gar bald, und hatte in der Folge Gelegenheit
ihren Kindern zu helfen, und gutes zu thun; Von meines gleichen beleidiget zu werden,
ist vor mich nur den ersten Augenblick empfindlich, aber von Großen die mir
zu befehlen haben unschuldig beleidiget zu werden, ist bey mir unauslöschlich
ob ich gleich mit allen Kräften dagegen Arbeite, so ist doch solches bey mir nicht
loß zu werden möglich. Ich kam von da nach der Augustenburg[8] zu einer
Verwitbeten Fürstin von Arnstadt, aus dem Hauße Braunschweig, diese
hatte die Gnade vor mich, und wolte mich lernen laßen, und da Sie mich erst
recht kennen lernte, sich sogar vorgenomen hatte mein ganzes Glück zu bauen, allein
diese 90 Jährige Dame hatte ihr Lebens Ziel sehr nahe vor sich, und da Sie sich fühlte,
daß Ihr ende herankam, so hatte Sie mir unwißend 300 ƒ ausgesezt, die
ich aber nach Ihrem Todte nicht erhielt, da der ganze Nachlaß an das Hauß
Braunschweig zurük fiel. Nun war aus meinen zweyten mahle lernen
wieder nichts, und es schien als ob ich diesen Plan ganz aufgeben müste, und
war schon entschloßen, wieder aufs neue nach Holland zu gehen, da der Gärtner
in Ichtershaußen sich von neuen erboth mich vollends auszulernen, hatte sich
auch hinter meines Vatters Freunde gesteckt, die solches solten helfen bewerck-
stelligen. Allein der Rechtschafene HofGärtner H. Timme[9] in Arnstadt[10] gab solches
nicht zu, sondern erboth sich auch, mir meine Lehr Jahre vollends auszuhalten, damit
ich nicht daß Zweyte mahl unglücklich seyn solte, welcher auch sein Wort redlich
gehalten, allein da die zeit meines lossprechens heran kam, verfiel in ein
Hiziges Fieber, und den Tag da ich solte freygesprochen werden, stund so gut
wie schon auf der Bahre, denn mann hatte mich schon aus dem bette gebracht
weil mann glaubte ich sey gestorben, ich ward aber wieder jedermanns Vermuthen
beßer, und in eben der Krankheit, hatte mein Lehr Herr den Oberstall-
meister Röder[11] versprechen müßen, mich dahin zu vermögen, daß in seine
Dienste als Gärtner gehen solte, so bald ich wieder hergestellt seyn |
würde, welches mir auch bey meinen Gesundwerden hinterbracht, wozu ich nun
wenig Lust hatte, denn ich hatte mich schon nach Dreßden versprochen, auch wolte
mich der Margraf von BadenDurlach gerne haben; Aber aus gefälligkeit
gegen meinen Lehr Herrn muste endlich nachgeben, ich kam also wieder nach
Molßdorf, den[n] der Graf Gotter hatte das Guth an eben benannten Röder
unter solchen Bedingungen verkauft, daß nun mehr keiner von beyden Herr
davon war, nach Drey Jahren übernahm der Graf Gotter die Administration
des Guthes selbst wieder, und kamen mit einander in einen langwierigen Process
worunter ich auch sehr vieles leiden muste, ich kam wieder in des Grafen Dienste
und hatte wegen den unruhen des 7 Jährigen Krieges, weil er ein Preußischer
Minister war, sehr vielles auszustehen, und zumahlen weil er nicht aufs Guth
kommen konte, so hatte die Ganze Last alleine zu ertragen, da aber keine Gelder
von Berlin mehr kamen, und er die Guths Revenuen auch schon an sich gezogen
hatte, und ich zu bestreitung des Guth und G[esinde] [12] Aufwandes, schon vieles Geld aufgenomen
hatte, auch die Sachen wegen des Krieges mit dem Grafen ziemlich zweydeutig wurde
so muste, um aus dieser Verdrießlichen Lage zu komen, von Ihm weg gehen, auch weil
ich mich mit meiner ersten Frau versprochen hatte, wozu er seinen Consens
nicht geben wolte. Ich ging zu einen Herrn von Berlepsch[13] ins Chur-Sächsische in Dienst,
der ein Fräulein Röder Heurathete, wo ich mich auch 1758 selbst mit der ver-
sprochen Königin aus Ötingen verheyrathete, da ich nun wegen den Verdruß von
zweyerley entgegen seyenden Herrschaften nichts mehr zu befürchten
hatte, so drückte mich nun der Krieg mehr als jemahls, denn ich empfand
den unterschied nur zu sehr, in einen Lande zu seyn, wo die Landes-Herrschaft
ihre Länder verlaßen hatte, ich hatte Täglich andre Truppen zur einQuartirung, und
auch da, war alles vom Guthe gewichen, mithin hatte wieder die ganze Last auf mir.

nach 4 Jahren aber, wurde von den Hochseligen Herzog wieder nach Molßdorf
als Gärtner berufen, weil beyde Herren gestorben, und die Herrschaft, das |
Guth gekauft hatte, hier genoß zwar wegen des Krieges wieder ruhe[,]
allein, ich verfiel nach etlichen Jahren in eine 2 Jährige Krankheit, die mich
auch 1769 den 17.ten Mart. an die Schwellen des Grabes stellten; Allein
meine Seele war noch nicht zu dem Grad der Aufklärung gelangt, daß
sie in die Hand ihres Schöpfers konte wieder zurück gehen, es war mir
dazu noch Zeit vergönnt, und der Prüfungs Zeit überlaßen, ob ich gleich immer
den Wunsch bey mir hegte, recht viele Käntniße zu des Menschen grosen
Bestimmung zu erlangen, deshalb ich auch immer mich zu Männern gehalten
die ein Ernsthaftes Wesen verspühren liesen, und den Zweck vor sich zuhaben
schienen, so zu leben, um einst einmahl glücklich zu sterben, mit solchen
unterhielte mich gerne, von groben Ausschweifungen, bin den Höchsten
sey es gedankt, bewahrt geblieben, wozu die guten Lehren meines Vatters
in meiner Jugend doch viel beygetragen haben, sie hielten mich, wenn ich
auch der Versuchung eines Lasters sehr nahe stand, immer zurük, und mein
immerwährenden Maaßstab, so zu leben daß auf dem Todtenbette, mir
deshalb keine Vorwürfe machen dürfte, hat daß mehreste zu meiner Beruh-
igung beygetragen, ob gleich auch einen gewißen stolz bey mir hervor ge-
bracht, der ein gutes bewustseyn, nur zum Grunde haben kann. Mein
Aufenthalt in Molßdorf war dieses mahl etwas über Zehen Jahre, und
es ist die glücklichste Periode meines Lebens in Ansehung meiner Dienste
geweßen, von dem G[e]räusch der Erden entfernt, und doch durch die viellen Fremden
die den Ort besuchten, immer Leuthe gefunden, mit denen ich mich auf eine be-
friedigende Arth unterhalten konte, lebte sehr zufrieden, wozu mir auch mein
Medier welches ich sehr liebe, vielles beytrug. Ich wurde nach dieser Zeit, von den
jezt Regirenden Herzog hier her zu seinen neu Angelegten Englischen Garten berufen
und nun habe in diesen verfloßenen 11 Jahren vielle Erfahrungen gehabt, denn |
1774 verlohr meinen noch einzigen Bruder an einer auszehrenden Krank-
heit, welchen be[i]nahe ½ Jahr im Hauße bey mir in seiner Krankheit hatte, also war
mir der noch einzige Verwandte, den ich hatte auf meine Kosten die Gärt-
nerey lernen laßen, auch während seinen Aufenthalt in Fremden
Landen viel an ihn gewandt, entrißen[,] auch da ich keine Kinder in der ersten Ehe
hatte, lies auch ein Armes Kind die Jägerey lernen, denn es war mir das
gröste Vergnügen jemanden unterstüzen zu könen, weil ich von den wenigen
auch nicht einen heller dazu erhalten, mithin wohl wuste, wie einen in solchen
Umständen zu muthe war. 1775 trat hier in den Maurer Orden, da ich
erst sattsam überzeigt worden war, daß es sich anjezo damit anders verhalte
als zu den Zeiten des Grafen von Gotters, da 1745 in Molßdorf eine Reception
von einen Fürsten von Meiningen und einen Prinzen von hier war, wo ich
aber nicht die beste Ideé von den damahls anweßenden Mittgliedern faßen
konte; genug des ordens[,] seine guten Lehren haben mir sehr vielen Nuzen geschafft, wenn
ich gleich nicht daß allgemein ausübende darinen antrefe, so ist mein Gang den
ich daher zu machen mich entschloßen, im[m]er sehr gut, und weißt mich an, über
mich zu wachen, und über mich zu arbeiten, wodurch ich nach und nach zu einer
festen Zufriedenheit zu gelangen hofe, die gewiß nichts stöhren soll, denn alles
glänzende der Erde blendet mich nicht. 1776 verlohr meine erste Frau durch den
Todt, wo ich hernach ganz stille gelebt, und da ich durch eine gewiße Kränklichkeit mich
zum zweyten mahl entschließen muste zu Heyrathen, weil gar niemand sich
meiner an nahm, und wozu ich die Tochter des Hauptmann Weizs in Ohrdruf
wählte, mit der auch sehr vergnügt lebe, und welche mir auch zwey sehr liebe Kinder
gegeben hat. Der Vorsehung sey unendlicher Dank für den weg den sie mich zuführen beschloßen sie hatte zu meinem Heyl
vielles beygetragen, was mir immer unbegreiflich war, und auch wohl nie hier begreiflich
werden wird, daher ich anbetend dieselbe Preiße, und im[m]er eingedenk daß ich
Staub und asche bin, mich nie von meinen Ziel entfernen werde. Gotha.den 24.ten July.

Christian Heinrich
Wemeyer.

Notes

  1. Johann Benjamin Huhn (1681–1744) Item:Q42153, Generalsuperintendent und Oberkonsistorialrat in Gotha.
  2. Johann Georg Brückner (1701–1771) Item:Q42397, 1735 Hofprediger, 1745 Oberhofprediger und Oberkonsistorialrat in Gotha.
  3. Johann Erdmann von Promnitz (1719-1785) Item:Q183905
  4. Nikolaus Ludwig von Zinzendorf Item:Q401647; die Synode fand in Gotha 1740 statt. online Information
  5. [Fußnote Wehmeyers]: mit den jungen
  6. [Fußnote Wehmeyers]: die mir als Com[pagnie Gärtner] versprochen [war]
  7. Gustav Adolf von Gotter Item:Q164500
  8. 1700 erbautes, 1765 abgerissenes Schloß in Arnstadt.
  9. Johann David Timm (1698 – nach 1764), Hofgärtner in Arnstadt. Item:Q183904
  10. [Fußnote Wehmeyers]: in Arnstadt
  11. Heinrich Günther Reinhard von Röder Item:Q183907
  12. [Fußnote Wehmeyers]: Guth und G[esinde]
  13. Heinrich Moritz von Berlepsch Item:Q183908