D-Q4527

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Commentary

Carl Christian Erhard Schmids Antworten auf fünf vom Orden an ihn gerichtete Fragen. Die Fragen stammen vermutlich aus dem zweiten Ordensheft (vgl. D-Q4517 und D-Q4519).


Transcript

Fragen meines Recipienten, Hw. Doctor Hufeland, an mich,
nebst meinen Antworten.

I. Was für einen Begriff machen Sie sich von diesem Orden?
  Daß er einen edlen Zweck habe, Menschen zu veredeln, Sittlichkeit zu erhöhen, und, so weit die Kräffte
  des ORdens es zulassen, auch die Glückseligkeit in Harmonie mir der Sittlichkeit zu bringen; daß
  die Obern hoffentlich solche Mittel dazu kennen und, [***] vielleicht eben doch diese Vereinigung, in ihrer
  Gewalt haben, die ich nicht so genau kenne, oder allein nicht mit so guten befolgen brauchen kann.
  daß Den Erfolg selbst denke ich mir als im Eintzelnen nicht immer auffallend, aber doch als merklich,
  nur wohl nicht so groß, als Enthusiasten sich ihn denken könnten. Wenn, wie ich hoffe, das was
  der Orden thut, nicht in Worten besteht, sondern in Kraft, so ists der Mühe werth, zu dem
  Bestreben nach seinem Zwek behülflich und thätig zu seyn, wenn man dasselbe auch nicht er-
  reicht. Streben, nicht Erreichen, gibt dem Menschen seinen Werth. Die Zukunft wird mich besser
  und bestimmter belehren.

2. Haben Sie auch überdacht, daß, da Sie sich neue Verbindlichkeiten auflegen, Sie ihre na-
türliche Freyheit einschränken?
  Allerdings; denn iedes gesellschaftliche Verhältniß bringt dieß mit sich. Aber nur Despotismus
  ist wahre Einschränkung. Ich hoffe von dem erlauchten Orden, daß ich von mit diesem darinn ver-
  schont werde. So lange ich überzeugt bin (und ich habe das volle Zutrauen zu den edlen Ob[ern]
  und Mitgliedern des Ordens, daß Sie mir den Irrthum dieser Ueberzeugung nie unmöglich machen
  sondern immer mehr durch Thaten bestätigen werden —) daß es bey dem Orden und allen
  Pflichten die er auferlegt auf Beförderung ächter Sittlichkeit lediglich abgesehen sey, so lange
  werde ich iede Forderung, die deshalb an mich geschieht, als Forderung meines eignen Innersten
  und nicht als Einschränkung sondern vielmehr als Erweiterung meines freyen Würkungskr[ei-]|<2>
  ses ansehen. Verbindlichkeiten von meiner Seite vermehren sich; aber ich glaube mit moralischer Zu-
  versicht, daß in gleichen Maaße auch die Verbindlichkeiten anderer gegen mich zunehmen
  werden. Kann ich also etwas dabey verlieren?

3. Haben Sie auch überdacht, daß der Orden in gewissen Umständen die genaueste Folgeleistung
verlangt, daß man Ihnen über die Ursachen, warum Ihnen etwas befohlen werden könnte,
nicht immer Rechenschaft geben wird, welches Ihnen unangenehm seyn könnte?
  Unangenehm seyn würde, wenigstens in gewissen Augenblicken, wo ich mich eben nicht lebhaft
  überzeugt fühlte, daß mir eine solche Einrichtung zuweilen zur Erreichung des Zwecks unver-
  meidlich, und mir selbst höchst heilsam seyn könne; daß selbst eine solche Uebung zuweilen den
  Charakter verbeßern könne. Wenn es, wieder Erhoffen, oft der Fall wäre, so würde ich freylich
  an dem Orden irre werden müßen, andre würden vielleicht, zum blinden Gehorsam neiden
  gewöhnt, ihm selbst alsdenn zu beweisen, geneigt werden, wo denn ein erlauchter [***], der
  freyes Denken und freyes eigner Handeln intendirt, ihn ohnmöglich mit Vergnügen be-
  merken dürfte. Beyde Rücksichten sind besonders nöthig auch in diesen Zeiten.

4. Wie würden Sie sich betragen, wenn Sie einst Personen im Orden fänden, denen Sie
abgeneigt, oder gar Feind wären?
  Ich würde alsdann doppelte [***]lichkeit haben, meine Abneigung nicht in Feindschaft, noch weniger
  in Handlungen übergehen zu laßen; ich würde hoffentlich diese Personen schon [***]
  meiner Zuneigung würdiger finden, weil ein erlauchter Orden sie der Aufnahme unter seine Glieder
  gewürdigt hat; ich würde hoffentlich selbst durch diese Verbindung Gelegenheit bekommen, sie von
  einer solchen Seite kennen zu lernen, von welcher ich sie schätzen und lieben müßte. Von eigentlicher
  Feindschaft gegen irgend iemand weiß ich iezt ohnedem nichts.|<3>

6. [sic!] Was machen Sie für Gegenforderungen an den Orden?
  Folgende Erwartungen möchte ich ungern einst [***]
  müsten.
  Daß ich meine bißherigen Pflichten ferner ungestört erfüllen kann; daß mein itziger
  WürkungsKreiß nicht verengt wird; daß ich mit despotischen befehlen verschont werde;
  daß ich Veranlaßungen und würksame Reitze bekomme, mich zu vervollkommnen, daß ich,
  von der Ordens [***] nur und außerdem verborgne oder unerreichbare Gelegenheiten
  von Ihnen bekomme, etwas Würklich-Gutes zu schaffen.
  Werden nur diese Hofnungen nicht getäuscht, so kann und will ich gern mit dem Verfahren
  des erlauchten Ordens zufrieden seyn; kann und wird der ORden noch etwas mehr thun, so will
  ich dieß lediglich als eine Zugabe betrachten, wodurch mein Erwarten übertroffen worden.

  Jena den 24. März. 1787 M. Carl Christian Erhard Schmid.


Notes